Laut dem polnischen Online-Portal für Energiewesen Energetyka24.com hat der „Tagesspiegel“ berichtet, dass das deutsche Wirtschaftsministerium seine wirtschaftlichen Argumente für den Bau der Nord Stream 2-Gasleitung auf Daten eines Unternehmens des russischen Staatsunternehmens Gazprom gestützt habe. Energetyka24 schreibt, dass diese Schlussfolgerung aus einem Informationsaustausch zwischen dem deutschen Wirtschaftsministerium und dem stellvertretendem Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Oliver Krischer, resultiere. Laut der polnischen Website wollte Krischer wissen, ob Deutschland seinen Gasbedarf ohne den Bau der umstrittenen Gaspipeline decken könne.
Das deutsche Wirtschaftsministerium soll geantwortet haben, dass die Pläne für die Rohrleitung auf einer Analyse des Unternehmens Nord Stream 2 AG, das im Besitz vom Gazprom ist, aus dem Jahr 2016 basierte. Die Analyse soll demnach einen Anstieg des europäischen Gasbedarfs um 100 Milliarden Kubikmeter pro Jahr vorsehen. Energetyka24 zitierte das Ministerium mit den Worten, dass die von der Nord Stream 2 AG erstellte Analyse auf Daten der Europäischen Union und der Internationalen Energieagentur basieren sollte.
Agata Łoskot-Strachota vom Zentrum für Oststudien, einer in Warschau ansässigen Denkfabrik, glaubt aber, dass ihr "ein Mangel an [deutschen] eigenen Analysen zur künftigen Gas-Nachfrage, die von der Bundesregierung in Auftrag gegeben wurden, höchst unwahrscheinlich scheint und die Berufung auf Daten der Nord Stream 2 AG lässt bestimmte Beamte in einem eher schlechten Licht erscheinen."
US-Sanktionen gegen russische Rohrleitung
Im vergangenen Monat sagte US-Außenminister Mike Pompeo, dass die Vereinigten Staaten daran arbeiten, eine Koalition von Ländern aufzubauen, um die Fertigstellung der umstrittenen Nord Stream 2 zu verhindern. - Wir hoffen, dass die Nord Stream 2-Rohrleitung nicht fertiggestellt wird - sagte Pompeo zu der Zeit. Die Amerikaner haben bereits Sanktionen gegen die Rohrleitung verhängt und planen neue Schritte gegen das umstrittene Energieprojekt, das von Washington und Warschau scharf kritisiert wird. Die Gasverbindung steht kurz vor der Fertigstellung und soll im nächsten Jahr ihren Betrieb aufnehmen. Deutsche Politiker haben jedoch vorgeschlagen, die Unterstützung nach der mutmaßlichen Vergiftung von Alexei Nawalny, einem führenden Kreml-Kritiker, der sich nach einer Behandlung in einem deutschen Krankenhaus erholt, zurückzuhalten.
Die 1.200 Kilometer lange Unterwasser-Gasleitung soll jährlich rund 55 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas direkt nach Deutschland pumpen und dabei die baltischen Staaten, Polen und die Ukraine umgehen. Warschau hat sich vehement gegen das Projekt ausgesprochen und erklärt, es würde eine Bedrohung für die Energiesicherheit Europas darstellen, indem es die Kapazität der Gas-Exporte Russlands über die Ostsee verdopple.
energetyka24/ps