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Poet, Publizist, Patriot. Marian Hemar zum 120. Geburtstag

06.04.2021 09:27
Der Satiriker Marian Hemar zählt zu den erfolgreichsten polnischen Autoren seiner Zeit. Seine Texte und Lieder sind nicht nur unterhaltsam, sondern gehören inzwischen zum Kanon politischer und gesellschaftskritischer Literatur.   
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Marian Hemar
Marian HemarNAC

Nicht wenige Polen werden dieses Lied heute auf den Lippen haben, denn das ganze Land hat Anlass, seinem Autor gebührend zu gedenken. Vor 120 Jahren wurde Marian Hemar geboren, ein vielseitiger Dichter und Dramatiker. In Galizien schriftstellerisch herangereift, nahm er in der Zwischenkriegszeit verschiedenartige Einflüsse auf und verarbeitete sie in seinen Gedichten. Neben Julian Tuwim und Antoni Słonimski gehörte er zu den erfolgreichsten Lyrikern der jungen Generation. Schon bald wurde Hemar in der kulturellen Landschaft der ʺDruga Rzeczpospolitaʺ zu einer literarischen Größe, deren Urteil gesucht und umworben war.

Im Herbst 1939 musste Hemar seine Heimat verlassen, allerdings nicht aus freien Stücken. Die Popularität des gefürchteten Feuilletonisten aus Warschau reichte bis an die Spree, nicht zuletzt dank seiner scharfzüngigen Hitler-Parodien. Ein jüdischstämmiger Pole mit patriotischer Grundtendenz, dessen intellektueller Einfluss im Zwischenkriegspolen obendrein beträchtlich war, wäre entweder in ein deutsches Konzentrationslager gebracht oder im Generalgouvernement direkt auf offener Straße umgebracht worden.

Seine kreative Begabung sowie die Möglichkeit, sich einer neuen Epoche aufzuschließen halfen Marian Hemar über das seelische Tief hinweg. Im Londoner Exil trat er in eine neue Schaffensphase, die für ihn noch produktiver war als die vorherigen Phasen seiner künstlerischen Entwicklung. Er gründete sein eigenes Theater und schrieb Kolumnen für die vielbeachtete Exilzeitschrift ʺWiadomościʺ. Sein Freund, der Schauspieler und Theaterkritiker Leopold Kielanowski, erinnert sich:

ʺMarian war ein Lyriker, Publizist und Satiriker. Vor allem aber war er ein Liebhaber des Theaters. Alles, was er anfasste, wurde zum Drama. Er war ein Feinschmecker des Polnischen, der unentwegt nach neuen Metaphern, Melodien und Alliterationen suchteʺ.

Diese Beschreibung könnte sich zweifelsfrei auch auf Julian Tuwim beziehen, dem anderen Meister der polnischen Sprache, der im Vorkriegspolen mit Marian Hemar übrigens eng befreundet war. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es jedoch zum Zerwürfnis. Während Tuwim zu einem der literarischen Wortführer im kommunistischen Polen wurde, blieb Hemar im Exil. In seinen Texten erklingen in dieser Zeit erneut Motive, die bereits in seinen Satiren aus den 1930er Jahren erkennbar wurden, sich aber nun gegen die einstigen Weggefährten in den Warschauer Kaffeehäusern richteten. Hemar verwies auf das ungesunde innenpolitische Klima in der Volksrepublik und konnte nicht glauben, dass seine Freunde, die 1920 mit ihm noch an vorderster Front gegen die Rote Armee kämpften, nun Lobeshymnen auf Stalin schrieben. 

Trotz der geographischen Distanz registrierte er die Abgründe, die sich in seiner Heimat aufgetan haben. Zugleich wusste er um die Legende, die sich um seine eigene Person rankte. Der bekannte Name verbürgte eine Autorität, die ihm auch in das politische Geschehen einzugreifen erlaubte. Als Hemar im Jahr 1972 verstarb, wurde er zunächst totgeschwiegen. Seine bekannten Lieder erklangen erst wieder im ʺZweiten Umlaufʺ, der sich der kommunistischen Zensur und sozrealistischen Doktrin entgegenstellte. Seine patriotischen Reime beeindruckten später auch viele Solidarność-Anhänger.

In Deutschland hingegen kennt man ihn heute kaum, doch das hat mit Umständen zu tun, die nicht gegen, sondern für ihn sprechen. Eine Übertragung seiner Texte ins Deutsche, die ihre Höhepunkte immer noch in Versen und politischen Andeutungen erreichen, leistet nach wie vor erstaunlichen Widerstand. In Polen selbst sieht es heute ganz anders aus: Je weiter wir uns zeitlich vom Kommunismus entfernen, desto weniger lässt sich bezweifeln, dass Marian Hemar einer der begabten Lyriker und Humoristen war, die je in polnischer Sprache geschrieben haben.  

Aus Berlin, Wojciech Osiński


Verstoßen und wiederentdeckt - Józef Mackiewicz

31.03.2021 10:01
Man findet ihn weder in deutschen Nachschlagewerken, noch sind seine Bücher Gegenstand deutschsprachiger Slavistik. Runde Jahrestage bieten deutschen Feuilleton-Chefs nur selten Anlass, um an ihn zu erinnern. Dabei gehört Józef Mackiewicz zu den herausragendsten polnischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Obendrein hat er dreißig Jahre seines Lebens in Deutschland verbracht.