Deutsche Redaktion

Diffamierungskampagne gegen Richter: Ziobro muss gehen vs. PiS als Garant der Demokratie

22.08.2019 13:08
Ein wichtiges Thema in der Presse ist heute die Affäre zur Diffamierungskampagne gegen regierungskritische Richter.
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Ein wichtiges Thema in der Presse ist heute die Affäre zur Diffamierungskampagne gegen regierungskritische Richter. Nachdem das Nachrichtenportal Onet.pl am Montag berichtet hatte, dass Vize-Justizminister Łukasz Piebiak Trolls eingestellt hatte - also Personen, die im Internet für Geld negative Propaganda betreiben - um unter anderem den Leiter des größten polnischen Richterverbands bloßzustellen, hatte Piebiak gestern seinen Rücktritt erklärt. 

 

Rzeczpospolita: Nicht das Ende, sondern der Anfang

Im Gegensatz dazu, was Regierungschef Mateusz Morawiecki behaute, sei das jedoch, bei Weitem nicht das Ende der Affäre, sondern erst ihr Anfang, schreiben heute im Aufmacher der konservativen Rzeczpospolita die Publizisten Bogusław Chrabota und Tomasz Pietryga. Auch wenn sie der Regierungspartei kurz vor den Wahlen ungelegen komme, so die Autoren, dürfe die Affäre nicht unter den Teppich gekehrt werden. Denn offenbar würden in den Strukturen des Justizministeriums, das eigentlich für die Bewahrung der Rechtsstaatlichkeit verantwortlich sein sollte, illegale Handlungen unternommen, die gegen eine vom Grundgesetz geschützte Berufsgruppe gerichtet seien. Dies sei ein gefährlicher Präzedenzfall, der die Glaubwürdigkeit der Regierung stark belaste. Falls sich bestätige, dass die Aktivität der Gruppe im Justizressort von Regierungsmitgliedern oder Spitzenpolitikern der Regierungspartei inspiriert worden sei, würden die dafür verantwortlichen Politiker jedwede moralische Legitimation zur Teilnahme am öffentlichen Leben eines demokratischen Staates verlieren. 

Die ganze Affäre, lesen wir weiter, würde zeigen, auf welche hohe politische Kosten die PiS den polnischen Staat ausgesetzt hätte, als die Partei vor vier Jahren dem Justizwesen den Krieg erklärt habe. Dank des neuesten Skandals würden die EU-Institutionen weitere, unanfechtbare Argumente erhalten, das Verfahren zur Verletzung der Rechtsstaatlichkeit gegen Polen fortzusetzen. Daher könne man diese Affäre nicht mit ein paar Demissionen ausradieren. Die Schäden seien zu hoch. Der Konflikt habe ausschließlich Vertrauensverlust und Spaltungen nach sich gezogen. Und die Justiz funktioniere genauso schlecht wie zuvor.

Daher, so die Autoren, müsse die aktuelle Affäre dringend bis zum Ende aufgeklärt werden. Da der Justizminister gleichzeitig Generalstaatsanwalt sei und der Protagonist des Skandals sein engster Mitarbeiter gewesen sei, heißt es weiter, sollte der Premierminister garantieren, dass der Generalstaatsanwalt von der Aufsicht über diesen Fall ausgeschlossen wird. 

Aber, so die Autoren, die politische Verantwortung für das Problem ende weder bei Justizminister Zbigniew Ziobro noch bei Premierminister Mateusz Morawiecki. Denn es sei Jarosław Kaczyński gewesen, der den Krieg mit den Richtern angezettelt habe. Nur er könne das Chaos unter Kontrolle bringen, das Polen mehr Verluste bringe, als Profit. Wenn die PiS diese Herausforderung nicht annehme, dann verliere die Partei die moralische Legitimation, um in einem demokratischen Staat zu regieren, so Bogusław Chrabota und Tomasz Pietryga in der Rzeczpospolita. 

 

Dziennik/Gazeta Prawna: Ein Hate-Kommando im Justizressort

Das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna macht darauf aufmerksam, dass es Hinweise darauf gebe, dass im Justizressort ein ganzes Hate-Kommando funktioniert habe, dass regierungskritischen Richtern das Leben erschweren sollte. Und dass die Affäre das delikate Machtgefüge in der Regierungskoalition ins Wanken bringen könnte.

"Ziobro wird man nun als Koalitionspartner verteidigen müssen. Und je länger das dauert, desto größer die Chancen, dass Parteimitglieder aktiv werden, denen die aktuelle Konstellation nicht passt. Es werden weitere Denunziationen auftauchen", beobachtet ein Oppositionspolitiker im Gespräch mit dem Blatt. Und erinnert daran, dass die erste Regierung PiS vor allem wegen dem Konflikt auf der Linie Mariusz Kamiński (aktuell Innenminister) - Zbigniew Ziobro - PiS-Chef Kaczyński untergegangen sei.

"Als PiS-Chef Kaczyński sich 2007 für vorgezogene Wahlen entschieden hat, konnte er des Sieges so gut wie sicher sein. Dann aber begannen die Kriege der Bulldoggen. In wenigen Wochen haben die Konservativen ihre vorherige Unterstützung vergeudet und sind kläglich gescheitert", so der Politiker im Gespräch mit Dziennik/Gazeta Prawna.

 

Gazeta Wyborcza: Ziobro muss gehen!

Der Publizist der linksliberalen Gazeta Wyborcza Jarosław Kurski fordert in der aktuellen Ausgabe eine schnelle Demission von Justizminister Zbigniew Ziobro.

Für das Geld der Steuerzahler, betont Kurski, seien aus den Akten des Justizministeriums Privatdaten von Richtern gestohlen worden, die gegen die Destruktion des Justizwesens durch die Regierungspartei protestierten. Vertrauliche Informationen über die Richter, ihre mutmaßlichen Liebhaber und sogar über minderjährige Kinder seien an anonyme Hater weitergegeben worden. Diese wiederum hätten Hexenjagden in den Social Media organisiert und die Informationen an Regierungs-Medien sowie Funktionäre der Ideologie-Front der PiS weitergegeben, um die Richter noch intensiver zu verleumden. Das seien Stasi-Methoden und reine Niederträchtigkeit. Aber auch ein Verbrechen! Und nun werde Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro Ermittlungen über fehlende Aufsicht und Nichterfüllung von Pflichten einleiten müssen, gegen…. sich selbst. Natürlich, so Kurski, werde er dies nicht tun, und sogar wenn, werden die Ermittlungen Ziobros im Fall Ziobro nur dessen Unschuld beweisen.

Diese düstere Groteske, lesen wir weiter, hätten uns Ziobro und sein Vorgesetzter Jarosław Kaczyński eingebrockt. Der einzige Ausweg, um dieses anstößige Spektakel zu unterbrechen sei die sofortige Demission des Justizministers und der ganzen in den Fall verwickelten Gruppe sowie die Übergabe der Ermittlungen an einen unabhängigen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. In jedem Staat, der wenigstens den Schein demokratischer Standards wahrt, würde der Rücktritt von Ziobro schon längst auf dem Schreibtisch des Premierministers liegen. In Polen werde es diese Demission aber natürlich nicht geben, so Jarosław Kurski in der Gazeta Wyborcza. 

 

Gazeta Polska Codziennie: PiS ist Garant einer reellen Demokratie

Man könne sich kaum eine bessere Lektion der Verwirklichung von demokratischen Mechanismem vorstellen, als die letzten Wochen der Regierung PiS, überzeugt indes in der heutigen Ausgabe der regierungsnahen Gazeta Polska Codziennie die Publizistin Joanna Lichocka. Es sei eine Frage der Befolgung von Standards und der ernsthaften Behandlung der Wähler, etwas, so die Autorin, was die PiS von der Bürgerplattform unterscheide.

Die Demissionen von Parlamentspräsident Marek Kuchciński und Minister Piebiak, lesen wir, würden zeigen, dass die Partei von Jarosław Kaczyński die Polen ernst nehme. Was man natürlich von der Bürgerplattform nicht sagen könne. Denn wann, fragt Lichocka, würden sich die Politiker der Bürgerplattform beispielsweise mit dem Abgeordneten Sławomir Neumann befassen, dem die Zentrale Antikorruptionsbehörde ernsthafte Vorwürfe zu seinen Vermögenserklärungen stellt? Wann werde sie sich mit dem Abgeordneten Gawłowski befassen, dem Korruption vorgeworfen werde? Oder Grabarczyk, der illegal eine Waffenerlaubnis erhalten habe? Oder was solle man vom Profil "Sok z Buraka halten", das Fakenews in die Welt setze, die dann so gerne von Bürgerplattformpolitikern genutzt würden? Oder der bekannten Haterin, die als Belohnung für ihre Flüche und Hate-Speech von den Wahllisten der Bürgerplattform kandidiere?

Die Bürgerplattform, so Lichocka, tue wie immer so, als ob sie sogar sehr ernste Korruptionsvorwürfe ignorieren könne. Die Polen würden jedoch wissen, dass die reale Demokratie, die Effektivität der demokratischen Kontrollmechanismem in Bezug auf die Regierenden und ihre Verifizierung nur die Recht und Gerechtigkeit garantieren könne, so Joanna Lichocka in Gazeta Polska Codziennie. 

Autor: Adam de Nisau