Deutsche Redaktion

NATO-Jubiläum: Französische Domination verhindern

03.12.2019 13:23
Die französischen Ideen für die europäische Sicherheitspolitik würden sich auf zwei Thesen reduzieren, die für Polen sowie fast alle Staaten Mittel- und Osteuropas beide inakzeptabel seien, lesen wir in der Rzeczpospolita.
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Rzeczpospolita: Französische Domination verhindern

Heute kommen die Spitzenpolitiker der NATO, zum 70. Jahrestag der Entstehung des Bündnisses, zu einem Gipfel in London zusammen, erinnert in der heutigen Ausgabe die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita. Und zitiert NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, laut dem die NATO heute so stark ist, wie nie zuvor in ihrer Geschichte, was unter anderem in der Stärkung der NATO-Ostflanke sichtbar ist. “Durch die Anwesenheit der NATO-Truppen in Polen senden wir ein sehr starkes Signal an Russland: wenn es zu einem Angriff auf Polen kommen sollte, dann wird das ganze Bündnis antworten”, so Stoltenberg im Interview mit Rzeczpospolita. 

Damit die NATO jedoch auch künftig ein Sicherheitsgarant für Mittel- und Osteuropa bleibt, müsse Polen jedoch alles tun, um in den kommenden Tagen eine Dominanz Frankreichs bei der Debatte über die Zukunft des Bündnisses zu verhindern, betont in seinem Autorenkommentar zum Jubiläum der Publizist Jerzy Haszczyński. Eigentlich, so der Autor, könnte man den Eindruck haben, dass der französische Staatspräsident Emmanuel Macron dem nordatlantischen Pakt mit seiner neulichen Aussage über den Hirntod der NATO einen Gefallen getan habe: er habe die Europäer aufgeweckt und verursacht, dass sie nun klar sehen, dass man nicht auf die USA zählen könne. Und an dieser These sei natürlich etwas dran: Trump würde tatsächlich systematisch den Glauben an die NATO und die Sicherheitsgarantien des Bündnisses untergraben. Insofern habe Macron recht. 

Das Problem seien jedoch die französischen Ideen für die europäische Sicherheitspolitik nach dem Bruch in den transatlantischen Beziehungen. Diese würden sich auf zwei Thesen reduzieren, die für Polen sowie fast alle Staaten Mittel- und Osteuropas beide inakzeptabel seien. Die erste These sei die Ersetzung der von den USA dominierten NATO durch ein Verteidigungsbündnis, das wiederum von Frankreich dominiert sein würde. Die zweite sei die Bindung dieses Bündnisses an Russland.

Es sei schwer zu glauben, so Haszczyński, dass ein Politiker, der erst 2017 die Ingerenz Moskaus in die französischen Präsidentschaftswahlen (inklusive einer Einladung der Konkurrentin auf den Kreml) erlebt habe, sich der Risiken, die diese Idee mit sich bringe, nicht bewusst sei. Die Resultate der imperialen Politik Russlands seien schließlich schon seit fünf Jahren unverändert auf der Krim und in der Ostukraine zu sehen. Und es deute nichts darauf hin, dass der Kreml irgendwann auf die Annexion der zu einem NATO-Nachbarstaat gehörenden Halbinsel verzichten werde. Macron, lesen wir, lade also einen Fuchs in den Hühnerstall ein und tue so, als ob es ein Maulwurf wäre. 

Vielleicht sei die Situation aber noch schlimmer. Denn als Macron im August Putin empfangen habe, sei die Botschaft des Tages für ihn die These gewesen, dass bei der Schaffung der neuen Weltordnung Russland und Frankreich die Führungsrollen spielen sollten. Daher sei die wichtigste Aufgabe Polens und der Staaten unserer Region, Macron von der Dominierung der Debatte über die Zukunft der NATO abzuhalten. Zum Glück, fügt der Autor hinzu, hätten sich alle Mitgliedsstaaten, außer Luxemburg  von der Diagnose und den Thesen Macrons distanziert. Und Deutschland - und dies sei vielleicht auch etwas, wofür man Macron danken könne - habe sich nach dessen Aussagen stark auf Seiten der NATO und der transatlantischen Beziehungen gestellt, so Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita. 

 

Gazeta Wyborcza: Richter in die Gefängnisse

Die Regierungspartei PiS will regierungskritische Richter, die das Urteil des Europäischen Gerichtshofs realisieren wollen, mit einem neuen Gesetz mundtot machen, warnt in der heutigen Ausgabe die linksliberale Gazeta Wyborcza. Nachdem der Europäische Gerichtshof die Einschätzung der politischen Unabhängigkeit des aktuellen Nationalen Richterrates dem Obersten Gerichtshof in Polen überlassen habe, lesen wir, wolle die Recht und Gerechtigkeit die “Entstellung des Gerichtswesens” durch Richter nun mit Haftstrafen von bis zu fünf Jahren sanktionieren. Das Gesetz, an dem derzeit das Justizministerium arbeite, so das Blatt, werde voraussichtlich eine modifizierte Vorschrift des deutschen Strafkodex über “die Entstellung des Justizwesens durch Bevor- beziehungsweise Benachteiligung einer der Seiten”, sowie ein Verbot aus dem französischen Gesetzessystem zu von Richtern unternommenen “Aktivitäten politischer Natur” enthalten. Tatsächliches Ziel des Projekts sei es jedoch, trotzige Richter, die an der Justizreform der Regierungspartei rütteln wollen, in Zaum zu halten. 

In Polen, erinnert Gazeta Wyborcza, werde derzeit in diesem Kontext, schon eine kontroverse Disziplinärmaßnahme gegen einen Richter diskutiert, der als landesweit erster das neuliche Urteil des Europäischen Gerichtshofs realisiert hatte: der Betroffene, lesen wir, habe während eines Appellationsverfahrens vom Urteil Gebrauch gemacht und in Frage stellte, ob der Richter der vorherigen Instanz, der vom mutmaßlich politisierten Richterrat berufen worden sei, das Recht hatte zu urteilen. Für diese Entscheidung sei der Richter für einen Monat suspendiert worden, erinnert Wyborcza. 

Die Deutschen, schreibt in seinem Autorenkommentar zur Diskussion Bartosz Wieliński, wollten mit der von der PiS kopierten Vorschrift Korruption im Justizsystem verhindern, die Regierungspartei wolle offenbar Richter einsperren, die versuchen, sich ihr zu widersetzen. Dies sei ein Zeichen der Ratlosigkeit der PiS. In den letzten Jahren habe die Partei argumentiert, dass die Änderungen legal seien und Polen gut tun werden. Nun versuche die PiS sie durchzusetzen, indem sie Richtern mit Gefängnisstrafen droht, so Bartosz Wieliński in der Gazeta Wyborcza. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Von der Leyens´ Kommission nicht ganz legal

Wir bleiben bei juristischen Problemen. Die Kommission von Ursula von der Leyen ist nicht völlig legal, beobachtet in seiner heutigen Ausgabe das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Der Grund: Die EU-Kommission habe ihre Arbeit ohne den fehlenden Kommissar aus Großbritannien begonnen. London habe, trotz wiederholter Appelle aus Brüssel, keinen Kandidaten nominiert. Vorschriftsgemäß sollte die Zahl der Kommissare jedoch mit der Zahl der Mitgliedsstaaten übereinstimmen. Die EU habe sich aber nicht für eine Änderung dieser Regel entschieden. Stattdessen habe man eine Klage gegen Großbritannien an den Europäischen Gerichtshof geschickt und die neue Kommission habe ihre Arbeit in unvollständiger Zusammensetzung begonnen. “Nun tun alle so, als ob der britische Kommissar kurzfristig abwesend ist, als ob er in den Ferien wäre”, beobachtet Andrew Duff vom brüsseler think tank European Policy Centre. Und das schaffe juristische Unsicherheit, die später zur Anfechtung der Entscheidungen der unvollständigen Kommission führen könne. Die Gemeinschaft wollte nicht von der internen Situation in Großbritannien abhängig sein. Nun müsse sie aber unter juristisch zweifelhaften Bedingungen agieren, so Dziennik/Gazeta Prawna. 

Autor: Adam de Nisau