Deutsche Redaktion

Zu konservativ für Liberale und zu liberal für Konservative

10.12.2019 13:26
Die Ergebnisse der neuesten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IBRIS bedeuten zwei schlechte Nachrichten für all diejenigen, die schnelle Änderungen in der Sittlichkeit der Polen erwarten. Außerdem geht es auch um den Ausschluss Russlands von den Olympischen Spielen und um Klimaneutralität.
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Rzeczpospolita: Zu konservativ für Liberale und zu liberal für Konservative

Die Ergebnisse der neuesten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IBRIS bedeuten zwei schlechte Nachrichten für all diejenigen, die schnelle Änderungen in der Sittlichkeit der Polen erwarten, schreibt in seinem Kommentar der Publizist der konservativen Rzeczpospolita, Michał Szułdrzyński. Die erste laute, dass die polnische Gesellschaft viel konservativer ist, als die Gesellschaften westlicher Staaten. Die zweite, dass infolgedessen das politische Zentrum hierzulande auch viel weiter rechts ist, als die Zentren anderer politischer Spektren. Aber auch für Traditionalisten und Befürworter einer konservativen Konterrevolution würden die Karten schlecht stehen, denn die polnische Gesellschaft sei in ihrem Konservatismus nicht sonderlich radikal, so Szułdrzyński.

So, lesen wir weiter, spreche sich die Hälfte der Befragten dafür aus, die aktuellen Vorschriften zur Abtreibung nicht zu ändern. Fortschrittler würden natürlich meckern, dass es sich doch um die strengsten Regelungen in ganz Europa handle, die religiösen Konservativen indes würden sagen, dass die aktuellen Regelungen zu liberal sind.

Gleichzeitig würden sich jedoch auch zwei Drittel der Befragten dafür aussprechen, dass die In-Vitro-Prozedur aus öffentlichen Mitteln finanziert wird - und sich damit sowohl gegen die Kirche stellen, als auch gegen die Entscheidung der Regierungspartei, das staatliche In Vitro-Programm einzustellen.

Zwei Drittel der Befragten seien auch gegen die Einführung von gleichgeschlechtlichen Ehen und über drei Viertel schließe die Adoption von Kindern durch solche Paare aus. Aber nur ein wenig  über die Hälfte habe etwas gegen gleichgeschlechtliche partnerschaftliche Beziehungen. Für eine solche Lösung würden sich 36 Prozent der Befragten aussprechen.

Die Umfrageergebnisse, beobachtet der Publizist, seien auch im Kontext der anstehenden Präsidentschaftswahlen interessant. Denn vieles deute darauf hin, dass der statistische Kowalski in Weltanschauungsfragen der gleichen Meinung sei, wie … Szymon Hołownia, ein in Polen bekannter katholischer Publizist, der am Wochenende seine Kandidatur im Rennen um den Präsidentenposten bestätigt hatte. Die Frage sei nur, ob die Wähler tatsächlich jemanden werden wählen wollen, der so denkt wie die meisten von ihnen, oder doch jemanden, der sich bemüht, markant zu sein, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita. 

 

Rzeczpospolita/Gazeta Wyborcza: Russische Geächtete

Ein wichtiges Thema in den Zeitungen ist auch der Ausschluss Russlands aus den Olympischen Spielen in den nächsten 4 Jahren. Das hatte gestern die Internationale Antidoping-Behörde entschieden. Gleichzeitig, so das Urteil, werden individuelle russische Sportler, die nicht in die Doping-Affäre verwickelt waren, teilnehmen können.

Es ist eine gerechte Strafe, schreibt in seinem Kommentar der Publizist der Rzeczpospolita Mirosław Żukowski. Auch wenn viele russische Bürger um Kollektivverantwortung appelliert haben. Unter denjenigen, die ein ausnahmsloses Verbot gefordert hätten, erinnert der Autor, sei unter anderem auch der Chef der amerikanischen Antidoping-Behörde Travis Tygart gewesen. Ein strengeres Urteil wäre jedoch vor dem Schiedsgericht für Sportfragen vermutlich schwer zu verteidigen gewesen. Und auch der Chef des Internationalen Olympischen Komitees Thomas Bach habe keine politische Affäre mit Russland gewollt, so dass ihm die Lösung, laut der Russland als Staat vier Jahre nicht dabei sein wird, Russen aber schon, am besten passe, so Żukowski in der Rzeczpospolita.

Anderer Meinung ist Radosław Leniarski von der linksliberalen Gazeta Wyborcza. “Meiner Meinung nach”, so der Publizist, “also laut jemandem, der schon zu viele unfaire Wettbewerbe gesehen hat, sollte Russland ausnahmslos aus der Welt des Sports geworfen werden. Und Punkt.” Damit, so der Autor, alle Interessierten in Russland begreifen, dass sie im Sport das schwerste Verbrechen begangen hätten, für das sie weder ins Gefängnis geworfen werden, noch Entschädigungen an die betrogenen Rivalen zahlen müssen. Auch den gestohlenen Moment der Freude und Genugtuung würden sie ihnen nicht zurückgeben können. Russland sollte im Sport nicht für vier Jahre ein Geächteter sein, sondern so lange, bis das Land nicht fair spielt, so Leniarski in der Gazeta Wyborcza. 

 

Gazeta Polska Codziennie: Polen bereit auf Diskussion über Klimaneutralität

Polen ist bereit auf eine Diskussion über das Klima, lesen wir in der heutigen Ausgabe der nationalkonservativen Gazeta Polska Codziennie. In dem Artikel zitiert das Blatt Entwicklungsministerin Jadwiga Emilewicz, laut der die Regierung fünf Szenarien einer Transformation der polnischen Energetik vorbereitet hat. “Diese Szenarien sind Teil der Staatlichen Niedrig-Emissions-Strategie, an denen die Arbeiten bald beendet sein werden”, so Emilewicz. Laut der Ministerin ist Polen gut auf die Diskussion über Klima-Neutralität vorbereitet, die das wichtigste Thema des EU-Gipfels im Dezember sein wird. In Europa selbst, so die Politikerin, seien in diesem Kontext jedoch noch sehr viele Fragen offen. “Niemand in der EU wird heute auf die Frage antworten, ob wir auf dem Weg zur Klimaneutralität beispielsweise bereit sind, schwere Industrie aus Europa zurückzuziehen oder auf die Produktion von Stahl zu verzichten, das ohne Kokskohle nicht hergestellt werden kann”. Schließlich würde der Verzicht der EU auf schwere Industrie nicht automatisch niedrigere CO2-Emissionen bedeuten, da die Fabriken nur vom alten Kontinent an andere Orte verdrängt würden.

Hintergrund: Polen hatte, gemeinsam mit anderen Staaten, die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Langzeitstrategie zu einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2050 als zu radikal kritisiert, ein Veto gegen die Vision eingereicht und mehr Mittel für die energetische Transformation solcher Regionen wie Schlesien gefordert. Infolge dieses Vetos spreche die Kommission heute statt über die vor einigen Monaten vorgeschlagenen fünf Milliarden Euro für dieses Ziel, von 100 Milliarden Euro für einen Fonds der Gerechten Transformation, so Gazeta Polska Codziennie.


Autor: Adam de Nisau