Deutsche Redaktion

Wladimir Putin mischt wieder mit

24.01.2020 10:11
Das Gedenken an den Holocaust beschäftigt viele Zeitungen. Im Vordergrund steht die Rede von Russlands Präsidenten Wladimir Putin.
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RZECZPOSPOLITA: Putins Comeback

Trotz der verständlichen Befürchtungen sei Wladimir Putin so nett gewesen, dass er bei der gestrigen Gedenkveranstaltung in Israel zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz Polen die Schuld für den Ausbruch des II. Weltkriegs nicht zugeschrieben habe, stellt in seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita der Publizist Michał Szułdrzyński fest. Dennoch falle die Bilanz der Veranstaltung für Polen negativ aus: es sei ein schlechter Tag für unser Land gewesen - die polnische Sicht auf die Geschichte habe verloren. Sowohl die Gäste als auch die Veranstalter hätten eine Version der Vergangenheit forciert, in der der II. Weltkrieg erst mit dem Überfall Hitlers auf die Sowjetunion begonnen habe. In Wirklichkeit hätten doch die Diktatoren Hitler und Stalin in den ersten zwei Jahren eng miteinander zusammengearbeitet. Hätte es den Hitler-Stalin-Pakt nicht gegeben, wäre es Deutschland schwieriger gefallen, den Holocaust vorzubereiten, schreibt Szułdrzyński.

Auch aus einem anderen Grund sei das 5. Holocaust-Forum in Yad Vashem ein schlechter Moment für Polen gewesen. Die Veranstaltung sei Putins Comeback gewesen. Trotz der Krim-Annexion und des Krieges in der Ostukraine hätten drei Dutzend Staatsmänner aus der ganzen Welt den russischen Präsidenten als einen gleichwertigen Partner akzeptiert. Es sei ein sehr trauriges Bild, wenn Vertreter jenes Landes, das die Weltordnung seit zwei Jahrzehnten gefährdet am meisten über die Sicherheit spreche. Es sei ebenso traurig, wenn jemand der die Geschichte umzudeuten versuche, immer wieder von Wahrheit spreche, meint Michał Szułdrzyński.

Ein weiteres beunruhigendes Signal sei für Polen das Verhalten von Emmanuel Macron. Putins Idee ein Treffen von Russland, den Vereinigten Staaten, China, Frankreich und Großbritannien auf dem Forum der Vereinigten Nationen zu veranstalten um über die neue Weltordnung zu diskutieren, wurde von dem französischen Staatspräsidenten enthusiastisch aufgenommen. Allem Anschein nach wolle Macron Europas Sicherheit in Zusammenarbeit mit Russland und nicht mit den Vereinigten Staaten aufbauen, schreibt  in seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita Michał Szułdrzyński.  

 

FAKT: Vorsichtiger Optimismus

Etwas anders bewertet die Ereignisse in Jerusalem der Politologe, Professor Antoni Dudek in einem Kommentar für die Tageszeitung Fakt. Mit seinen aggressiven Äußerungen in den vergangenen Wochen habe Wladimir Putin auszuloten versucht inwieweit es möglich wäre, die Geschichte neu zu schreiben. Nach seinen Beschuldigungen gegenüber Polen habe er dann die Analysen und Kommentare durchgelesen und sei allem Anschein nach zu dem Schluss gekommen, dass es keine sehr gute Idee war, Polen die Verantwortung für den II. Weltkrieg zuzuschreiben. Daher habe er wohl den Entschluss gefasst, sein Narrativ umzugestalten und zu mildern.  

Man könne das zwar als einen Erfolg der polnischen Diplomatie betrachten – kein wichtiger Spieler habe Putins Version der Geschichte aufgenommen und verteidigt. Das zeige aber, dass Polen den Kampf um die historische Wahrheit nicht aufgeben dürfe, so Antoni Dudek in Fakt.


DO RZECZY: Positive Umorientierung

Im Gespräch mit der Wochenzeitschrift Do Rzeczy bezieht sich Polens Premierminister Mateusz Morawiecki auf die komplizierte Lage in den Beziehungen zu Russland. Er hebe zugleich die polnischen Errungenschaften im Bereich der Geschichtspolitik hervor. Ohne polnisches Engagement hätte es die Rede von Bundespräsident Steinmeier am 1. September, sowie die Worte der Bundeskanzlerin am 6. Dezember nicht gegeben. Beide Politiker hätten eindeutig die deutsche Verantwortung für die Verbrechen des II. Weltkrieges unterstreicht. Noch vor einigen Jahren wäre es unvorstellbar, meint der Regierungschef. Man sehe also eine grundlegende und positive Umorientierung in Bezug auf Polen und die Geschichte des Landes, meint der Politiker.

Auf die Frage, wieso trotz der angeblich positiven Umorientierung Polens Präsident in Yad Vashem in Jerusalem keine Rede halten durfte, antwortet Morawiecki, es könnte mit der Tatsache zusammenhängen, dass die Veranstaltung von einem der engsten Mitarbeiter Putins organisiert wurde. In der Vergangenheit habe dieser Mann übrigens versucht – vergeblich - eine der wichtigsten polnischen Aktiengesellschaften zu übernehmen. Polens Präsident habe den Entschluss gefasst, dass er sich in Jerusalem Putins Rede nicht schweigend anhören wolle. Sollen sich polnische Politiker Lügen anhören, wenn ihnen nicht erlaubt werde, die Wahrheit zu sagen? Nein, antwortet Morawiecki auf die eigene Frage. Diese Zeiten seien nach Ansicht des polnischen Premierministers vorbei, lesen wir in der Wochenzeitschrift Do Rzeczy.


Jakub Kukla