Deutsche Redaktion

Wird Macron das Kriegsbeil begraben?

03.02.2020 13:07
Neben den Erwartungen der Publizisten vor der heute beginnenden Visite von Emmanuel Macron in Polen, geht es unter anderem auch um ein beunruhigendes Fazit des Wirtschaftsblatts Dziennik/Gazeta Prawna, das die Position Polens in internationalen Rankings in den letzten Jahren ausgewertet hat. 
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Rzeczpospolita: Wird Macron das Kriegsbeil begraben?

Heute beginnt die erste Visite eines französischen Staatspräsidenten in Polen seit sechs Jahren. Der Besuch falle auf eine besondere Zeit, schreibt in der heutigen Ausgabe die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita. Denn nachdem Großbritannien am Freitag um Mitternacht die Gemeinschaft verlassen habe, sei Polen auf den fünften Platz der wichtigsten EU-Staaten aufgestiegen. Aus der Perspektive des französischen Staatsoberhaupts sei im Vorfeld der Visite auch wichtig, dass es Macron seit seiner Amtsübernahme 2017 weder geschafft hat, Deutschland zum Bau einer kleinen Union rund um die Eurozone zu überzeugen, noch die Einheit Mitteleuropas in der Migrations- und Energiepolitik zu zerschlagen. Zudem wachse in Paris die Überzeugung, dass die Recht und Gerechtigkeit (PiS) noch lange regieren werde. Werde dies zu einer Wende in den beidseitigen Beziehungen und einem Ende der Lähmung der EU führen?

Aus dem Elysee Palast, lesen wir im Artikel, sei inoffiziell zu hören, dass Macron mit seiner Visite eine “Beruhigung” der Verhältnisse mit Warschau anstrebt. Daher würden die Franzosen unter anderem auch nicht mehr auf die Einführung von Flüchtlingsquoten drängen, die Verlängerung der Energietransformation in Polen akzeptieren und Polen bei dem Kampf gegen die historischen Lügen Putins unterstützen. Im Besuchsplan seien zudem auch keine Treffen mit Oppositionsanführern vorgesehen, mit Ausnahme von Senatsmarschall Tomasz Grodzki.

Das sich abzeichnende Tauwetter, so das Blatt, könne jedoch sehr schnell eine emotionale Deklaration Macrons zur Rechtsstaatlichkeit torpedieren, beispielsweise während seiner für morgen geplanten Rede auf der Jagiellonen-Universität in Krakau. Besonders da er von Staatspräsident Andrzej Duda eher keine Erklärung über Kompromissbereitschaft erwarten könne. Ein heikles Thema bei den beidseitigen Gesprächen würde sicherlich auch die Diskriminierung von polnischen Unternehmern an der Seine sein, deren Arbeit seit November durch Massenkontrollen des französischen Fiskus erschwert werde, so Rzeczpospolita. 

 

Dziennik/Gazeta Prawna: Korona-Virus - Die Fiktion von der Sicherheit

Die bisherigen Vorsichtsmaßnahmen der polnischen Behörden gegen den Korona-Virus seien weitgehend eine Fiktion, schreibt heute auf seiner Titelseite das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. So sei laut dem Blatt das Flugunternehmen LOT zwar in die Fußstapfen anderer Flugbetreiber getreten und habe seine Flüge nach China suspendiert. Aber nach Warschau würde dafür weiterhin dreimal in der Woche Air China kursieren. Die Passagiere würden nur Kontaktformulare ausfüllen, die anschließend an die Sanitärdienste weitergegeben werden. Niemand würde die Einreisenden medizinisch untersuchen. Der Flughafen in Warschau verfüge nicht einmal über Körpertemperatur-Scanner. Beim Bahnunternehmen PKP Cargo, das Container aus China transportiert, so das Blatt weiter, laufe der Transport wie gehabt. Ähnlich sehe es auch bei einem anderen Tochterunternehmen des Bahnbetreibers, PKP-LHS aus. Am Samstag sei dort, nach 12 Tagen Fahrt ein weiterer Transport aus China eingetroffen, so Dziennik/Gazeta Prawna. 

 

Dziennik/Gazeta Prawna: Polen verliert im internationalen Vergleich an Boden

Ebenfalls in Dziennik/Gazeta Prawna heute zu finden die Auswertung der Position Polens in sieben internationalen Rankings in den letzten Jahren. Die Bilanz: Seit der Machtübernahme durch die PiS, lesen wir im Blatt, würde Polen im internationalen Vergleich systematisch an Boden verlieren. So sei das Land etwa im vor kurzem durch Economist Intelligence Unit veröffentlichten Demokratie-Index auf den 57. Platz gefallen, was das schlechteste Ergebnis des Landes in der über zehnjährigen Geschichte des Rankings sei. “Polen hat sich zum ersten Mal hinter Ungarn platziert. Die nationalkonservative Recht und Gerechtigkeit hat seine Bestrebungen um die Transformation des Landes hin zu einer “nichtliberalen Demokratie”, unter anderem durch die Beschneidung der Unabhängigkeit der Gerichte und die Konsolidierung der Medien in polnischer Hand, fortgesetzt”, zitiert das Blatt die Begründung der Autoren. In anderen Zusammenstellungen habe sich die Position Polens laut Dziennik/Gazeta Prawna seit 2016 ebenfalls verschlechtert. Vor vier Jahren sei das Land in den analysierten Rankings im Durchschnitt auf Platz 34 gelandet. Heute sei es der 41. Platz. 

Solche Zusammenstellungen, wie Doing Business der Weltbank, beobachtet in seinem Autorenkommentar zur Analyse der Publizist Łukasz Wilkowicz, würden nicht die Lebensqualität messen. Hier habe sich die Situation in Polen in den letzten Jahren zweifellos weiter verbessert. Die Arbeitslosigkeit sei um die Hälfte gesunken, durch die gigantischen Sozialtransfers habe ein großer Teil der Gesellschaft mehr Geld in der Tasche, auch das Bruttoinlandsprodukt, die Industrieproduktion, die Handelsergebnisse hätten sich verbessert. Internationale Rankings, wie diejenigen, die das Blatt ausgewertet habe, würden dafür vom Potential der jeweiligen Wirtschaft zeugen. Und in diesem Bereich sei Polen in den letzten Jahren immer schlechter ausgefallen, besonders in den Rankings, die solche Faktoren wie Politik, Demokratie und das Justizsystem in die Bewertung mit einbeziehen. Daher, so der Autor, sollten wir uns von den guten Ergebnissen der polnischen Wirtschaft nicht täuschen lassen. Wenn es um die Verbesserung des Wirtschaftspotentials gehe, verschwende Polen aktuell kostbare Zeit, schreibt Łukasz Wilkowicz im Kommentar für Rzeczpospolita.

 

Autor: Adam de Nisau