Deutsche Redaktion

Schule in Zeiten der Epidemie

31.03.2020 12:28
Online-Unterricht, eine Beichte aus dem Auto und abgesagter Präsidentschaftswahlkampf - die vielen Facetten der Corona-Pandemie.
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PLUS MINUS: Online-Unterricht problematisch 

Seit fast zwei Wochen sind die Schulen in Polen geschlossen. Zehntausende Kinder sind mit ihren Eltern zu Hause eingesperrt. Laut einer Verordnung des Bildungsministeriums sollten diese Kinder nun Online lernen. Doch das funktioniert nicht, stellt in ihrem Kommentar in der Wochenzeitschrift Plus Minus die Publizistin Joanna Ćwiek fest.

Auf die Lehrer sei die Pflicht auferlegt worden, den Programmrahmen zu Ende zu führen, sodass man in wenigen Wochen den Schülern Zeugnisse aushändigen und das Schuljahr wie üblich im Juni beenden könne. Aus den Statistiken des Bildungsministeriums gehe hervor, dass 92 Prozent der Schulen in Polen bereit seien, den Unterricht auf Distanz zu führen. Die Schulen hätten sich aber in nur zwei Tagen auf Online-Unterricht umstellen müssen. In der Praxis habe es sich darauf beschränkt, dass man kontrolliert habe, ob die Kinder Zugang zum Computer und Internet haben, damit man ihnen Anweisungen verschicken könne, welche Kapitel aus den Schulbüchern zu bewältigen seien. Die gelösten Hausaufgaben solle man an den Lehrer zurückschicken. Auf dieser Basis solle er dann entscheiden, ob das Kind die Promotion in die nächste Klasse bekomme oder nicht. Schon am ersten Tag sei es zu Überladung der Schulserver gekommen.

Darüber hinaus seien faktisch die Eltern in die Rolle der Lehrer geschlüpft. Sie erklärten ihren Kindern nun die Aufgaben in Mathematik, Chemie oder Musik. Wenn die Eltern jedoch über entsprechenden Kompetenzen nicht verfügen, werde das Kind Lernstoff aus mehreren Wochen halt nachholen müssen, schreibt Ćwiek. Damit der Alltag aber nicht zu einfach werde, müssten die Kinder ihren Computer oft mit den Eltern teilen, die nicht selten auch auf Home-Office-Modus umstellen mussten. Die Schulaufgaben und die Arbeit müssten oft in der gleichen Zeit erledigen werden, denn die Hausaufgaben müsse man schon am kommenden Tag abschicken. Bei der ganzen Situation entsteht sehr schnell der Eindruck, dass der Lernprogress der Kinder ganz am Ende stehe. Was zähle, sei vor allem die Überzeugung, dass man den Programmrahmen für das laufende Schuljahr realisiert habe.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: „Drive-thru”-Beichte 

Ein polnischer Priester sei auf die Idee gekommen, wie man den Gläubigen die Beichte ermöglichen könne, berichtet die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Wegen der Pandemie sei die Situation der praktizierenden Katholiken sehr kompliziert. Die Teilnahme am Gottesdienst sei wegen Sicherheitsvorkehrungen radikal beschränkt worden. Was bleibe sei die Messe in einer Radio- oder Fernsehübertragung. Darüber hinaus habe der Sprecher der polnischen Bischofskonferenz vor kurzem bekannt gegeben, dass die Beichte per Telefon oder via Internet unmöglich sei. Die Bischöfe hätten auch hingewiesen, dass es in der virtuellen Wirklichkeit keine Sakramente geben könne. Unumgänglich sei doch der direkte Kontakt mit dem Beichtvater.

In dieser komplizierten Situation habe Priester Adam Pawłowski aus dem westpolnischen Rogalin eine neuartige Lösung gefunden. Er sei in sein Auto gestiegen, fahre durch die Gegend, und nehme den Gemeindemitgliedern Beichte ab. Seine Beichte „drive-thru“ erfolge selbstverständlich unter Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna.

RZECZPOSPOLITA: Tusk im Präsidentschaftswahlkampf? 

Die Unzufriedenheit mit der eigenen Präsidentschaftskandidatin werde in der größten Oppositionspartei PO immer größer, schreibt die Tageszeitung Rzeczpospolita. Sollte die Wahl wegen der Epidemie verschoben werden, würde die Bürgerplattform einen neuen Kandidaten brauchen, sagt ein Prominenter PO-Politiker dem Blatt.

Mit Małgorzata Kidawa-Błońska werde die Partei nicht viel erreichen, sagt der Politiker weiter und erklärt die Gründe der enttäuschten Einstellung der Parteimassen. Von Anfang an gehe die Wahlkampagne der Kandidatin nur stockend voran. Es fehle an Chemie zwischen der Kandidatin und der Parteiführung, es gebe keine frischen Ideen, die Zustimmung für Kidawa-Błońska sei sogar niedriger als die Unterstützung für die Partei selbst. Außerdem habe die Epidemie der Kandidatin den politischen Todesstoß versetzt - sie sei kein Politiker für schwierige Zeiten, heißt es. Offiziell widerspreche der neue Parteichef einem eventuellen Tausch.

Doch immer wieder würden neuen Namen in Bezug auf die verschobene Präsidentschaftswahl genannt. In dieser Gruppe tauche auch der Name des ehemaligen polnischen Premierministers Donald Tusk auf, schreibt die Tageszeitung. Geht es nach dem Soziologen, Professor Henryk Domański sei eine solche Variante nicht unvorstellbar. Es sei zu einer Situation gekommen, die einen Wechsel des Kandidaten rechtfertige. Małgorzata Kidawa-Błońska habe sich nicht bewährt. Wenn die Wahl also später als am 10. Mai durchgeführt werde, werde das Tusk-Szenario immer wahrscheinlicher, so Rzeczpospolita.


Jakub Kukla