Deutsche Redaktion

Das Ringen um den Wahltermin

06.05.2020 11:08
Seit Wochen diskutieren Politiker über den Termin der Präsidentschaftswahl. Die Regierung möchte die Wahl am kommenden Sonntag organisieren, die Oppositon spricht sich entschlossen dagegen. Die Presse kommentiert das politische Patt.  
Presseschau
PresseschauShutterstock.com

RZECZPOSPOLITA: Eher Arzt als Politiker

In einem Gespräch mit dem Blatt Rzeczpospolita bezieht sich der Gesundheitsminister Łukasz Szumowski zu der aktuellen Corona-Situation. Auf die Frage ob er sich nun in erster Linie als ein Arzt oder eher als Politiker fühle, antwortet Szumowski, er würde sich momentan irgendwo dazwischen platzieren. Er halte stets an seiner Empfehlung fest, dass die Präsidentschaftswahl in Form einer Briefwahl durchgeführt werden sollte. Diese Empfehlung habe darüber hinaus einen rein medizinischen und keinen politischen Hintergrund. In einer Situation, wo man in Italien Särge mit LKW‘s transportiere und in Polen die Zahl der Infizierten relativ gering bleibe und es in Krankenhäusern immer noch freie Betten gäbe, sei die Anordnung einer Briefwahl die logischste Entscheidung gewesen.

Man könne selbstverständlich nicht behaupten, dass diese Form der Wahl hundertprozentig sicher sei, führt Gesundheitsminister Szumowski fort und fügt hinzu, dass in Zeiten der Pandemie aber keine Aktivität sicher sei: ob Einkäufe, ein Spaziergang im Park oder ein Tag am Arbeitsplatz - oder auch ein Gespräch unter vier Augen, wie dieses, das er gerade mit dem Journalisten führe, erklärt Szumowski. Es gäbe keine festen Beweise dafür, dass die Briefwahl die Gesundheit der Bürger direkt gefährden könne. Es sei nicht wahr, dass es in Bayern nach der Wahl zu einem Anstieg der Infizierungen gekommen war. Er habe die Daten aus Deutschland gründlich analysiert und man könne keinen Zusammenhang zwischen der Briefwahl und dem Verlauf der Krankheit feststellen.

Was aber bewiesen wurde, sagt Łukasz Szumowski weiter, sei die Gefahr, die mit dem traditionellen Urnengang verbunden sei. Es gäbe Daten, die auf einen Anstieg der Fälle nach den Wahlen in üblicher Form verweisen würden. Daher sei er weiterhin der Meinung, dass man die Wahlen in traditioneller Form erst in zwei Jahren hätte durchführen können. Auf der anderen Seite habe Südkorea eine traditionelle Wahl ausgetragen und es habe keinen Zuwachs an Erkrankungen gegeben. Daher sollte man die Situation wohl noch mal analysieren. Aufgrund der organisatorischen Komplikationen könne er sich die Wahl am 10. Mai nicht vorstellen. Die zweite Hälfte des Monats käme aber nach seiner Auffassung schon in Frage, sagt Professor Łukasz Szumowski im Gespräch mit dem Blatt Rzeczpospolita.

SUPER EXPRESS: Wenn nicht jetzt, dann wann?

Die Bedenken des Politikers bestätigt auch die Tageszeitung Super Express. Geht es nach dem Blatt, werde die Durchführung der Präsidentschaftswahl am kommenden Sonntag, das heißt in vier Tagen, immer unwahrscheinlicher. Dies kündigte auch Chef der Staatlichen Wahlkommission PKW an. In seinem Schreiben an die Parlamentsvorsitzende Elżbieta Witek habe Sylwester Marciniak geschrieben, dass aus rechtlichen und organisatorischen Gründen die Veranstaltung der Wahl am Sonntag unmöglich sei.

Wenn nicht am 10. Mai, dann wann? – fragt die Tageszeitung. Diese Frage beantwortet Paweł Mucha von der Kanzlei des Präsidenten. Er gehe davon aus, dass man bei der Festlegung des Termins die Vorschriften der polnischen Verfassung respektieren solle. Und das Grundgesetz besage, dass die Präsidentschaftswahl zwischen dem 100. und dem 75. Tag vor dem Auslaufen der Amtszeit des aktuellen Präsidenten stattfinden müsse. Der späteste mögliche Termin falle also auf den 23. Mai. Nur sei es ein Samstag, und die Wahlen würden in Polen immer an einen arbeitsfreien Sonntag stattfinden. In diesem Fall müsste man den 23. Mai als einen arbeitsfreien Tag erklären, lesen wir in Super Express.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Die größte Rolle der kleinsten Partei

Porozumienie – eine kleine Gruppierung, die als der dritte Koalitionspartner zusammen mit der Kaczyński-Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die aktuelle Regierungskoalition in Polen bildet, ist seit mehreren Wochen in aller Munde. Seitdem sich der ehemalige Vizepremier und Chef der kleinen Partei, Jarosław Gowin, öffentlich gegen die Briefwahl ausgesprochen habe, steckten die Regierenden in einer Krise.

Ein Zusammenbruch der Regierungskoalition sei nicht auszuschließen, schreibt die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Das Blatt überlegt auch, mit welcher Zustimmung die Partei Porozumienie rechnen könnte, sollte es zu vorgezogenen Wahlen kommen. Die Ergebnisse würden dem Parteichef Gowin wohl nicht gefallen, meint das Blatt. Einer Meinungsumfrage sei zu entnehmen, dass für die Gowin-Partei 0,8 Prozent der Befragten ihre Stimme abgeben würden. An erster Stelle bleibe die PiS-Partei mit über 40 Prozent der Stimmen. Zweite ist die größte Oppositionspartei PO mit einer Unterstützung von 16 Prozent, berichtet die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna.

Jakub Kukla