Deutsche Redaktion

Politische Szenarien nach den Wahlen

14.07.2020 13:33
Wen wird die Regierungspartei nach den Wahlen aus der Regierungskoalition entfernen wollen? Welche Entscheidung des Oppositionskandidaten könnte ihn den Sieg gekostet haben? Und welche Lehren kann die Opposition aus der Niederlage ziehen? Mehr unter anderem dazu in der Presseschau.
Bez widoczności ziemi możemy łatwo stracić orientację w przestrzeni.
Bez widoczności ziemi możemy łatwo stracić orientację w przestrzeni.pixabay.com/GregMontani

RZECZPOSPOLITA: Politische Szenarien

In einem Gespräch mit dem Blatt Rzeczpospolita erklärt der Politologe Professor Antoni Dudek die Lage auf der politischen Szene in Polen nach der Wiederwahl von Andrzej Duda. Bei der Stichwahl seien Kandidaten der zwei größten Parteien: Recht und Gerechtigkeit PiS und Bürgerplattform PO gegeneinander angetreten. Es zeige, dass eben diese Parteien die wichtigsten Punkte der politischen Geschäfts immer noch kontrollieren. Es zeige zugleich, dass das Duopol weiterhin ein Markenzeichen der polnischen Politik sei. Der Ausgang der Präsidentschaftswahl beweise nur, dass momentan die PiS-Partei bessere Karten habe und in den kommenden drei Jahren weiterhin die Macht ausüben werde. Viel interessanter sei jedoch, wie sich die Beziehungen im Rahmen der regierenden Koalition entwickeln würden. Man könne mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, so Dudek weiter, dass es zum Regierungsumbau kommen werde. Dessen Ziel werde es wohl sein, diejenigen Politiker, die während des Wahlkampfes Probleme bereitet haben, aus dem Kabinett zu entfernen. Gemeint sei die kleine Gruppierung Porozumienie, die besonders in den letzten Monaten vor der Wahl zu autonom gehandelt und die Stabilität der Regierungskoalition gefährdet habe. Schon jetzt seien daher Gespräche mit Politikern der Bauernpartei und der rechtsaußen-Partei Konfederacja im Gange, sagt Antoni Dudek. 

Geht es nach dem Politologen, habe der oppositionelle Kandidat Trzaskowski seine politische Position eindeutig gestärkt. Er habe verloren, weil er nicht aufs Ganze gegangen sei, urteilt Professor Dudek. Hätte er sich an der Fernsehdebatte des öffentlichen Rundfunks beteiligt, hätte dieses Ereignis zu einem Wendepunkt des Wahlkampfes werden können. Das TV-Duell habe er aber gemieden. Immerhin hätten aber ca. 10 Millionen Bürger für den Kandidaten der Opposition gestimmt. Somit sei er zur Nummer 1 in der Partei geworden. Zwar sei er nicht Vorsitzender der Partei, doch wenn er wollte, könnte er die eigentliche Führung in der Bürgerplattform übernehmen. Er könnte also derjenige sein, der die Gruppierung zum Wahlsieg im Jahr 2023 führen könnte, sagt der Politologe Antoni Dudek im Gespräch mit dem Blatt Rzeczpospolita. 

 

SUPER EXPRESS: Kursänderung nötig 

In seinem Feuilleton in der Tageszeitung Super Express rechnet der Publizist Rafal Woś mit der Opposition ab. Die harsche und einseitige Kritik der Regierungspartei habe in den letzten Jahren verursacht, dass sich eine Gruppe von Wählern vergrößert habe, die zwar mit der Kaczyński-Partei nicht übereinstimmen, diese Gruppierung aber dennoch wählen, weil sie sich von der Opposition alleingelassen fühlen. Dieser Trend sei eine Folge der vor fünf Jahren ausgearbeiteten Strategie einer radikalen Kritik der Regierenden. Als Kaczyński 2015 die Macht übernommen hatte, habe er zuvor im Wahlkampf seine Konkurrenten ebenfalls sehr scharf angegriffen. Er habe aber zugleich einige sehr zutreffende Diagnosen der polnischen Wirklichkeit geliefert und Ideen für eine Verbesserung der Lage vorgestellt: die Einführung des Kindergeldes, Stärkung der Arbeitnehmerrechte, eine Bankensteuer. Die Vorschläge der heutigen Opposition seien im Vergleich dazu sehr verschwommen und unzeitgemäß. 

Das andere für die jetzige Opposition typische Merkmal sei die angebliche moralische Überlegenheit. Die Opposition sei gut, sie kämpfe um eine bessere Welt. Die Regierenden seien in diesem Kontext die Bösen und ihre Wählerschaft die Dummen. Außerdem herrsche das Motto: Entweder bist Du mit oder gegen uns. Eine solche Einstellung sei für die radikalsten Anhänger der Opposition sehr verlockend, auf viele wirke sie aber abschreckend.  

Besonders schlimm sei jedoch die Tatsache, dass die Opposition sich selbst als eine meritorische und konstruktive Kraft verstehe. Darin werde sie noch von einem Teil der mit ihre befreundeten Medien bekräftigt. Vielleicht werde eine weitere Wahlniederlage zu einem Impuls, der eine, nach Woś notwendige, Kursänderung nach sich ziehen werde, so der Publizist in der Tageszeitung Super Express. 

 

DO RZECZY: Die Angst wird bleiben 

Die Wochenzeitschrift Do Rzeczy greift das Thema der Pandemie erneut auf und überlegt, wie eine solche Situation die menschliche Psyche beeinflusst. Psychiater, Professor Janusz Heitzmann sagt im Gespräch mit Do Rzeczy, dass sich viele Menschen weiterhin bedroht fühlen würden. Der Lockdown habe bei vielen Menschen tiefe Schäden hinterlassen. Man habe in den vergangenen Monaten einen wachsenden Alkoholkonsum verzeichnet. Die Zahl der häuslichen Gewaltakte sei ebenfalls gestiegen. Viele Menschen mussten sich von ihrem bisherigen Lebensstil aber auch dem gewohnten Lebensniveau verabschieden. Somit habe sich die Angst vor dem Virus in eine Angst um die eigene finanzielle und soziale Zukunft verwandelt. Die Furcht wurde noch durch widersprüchliche mediale Berichte verstärkt. Dabei sei die Infizierungsgefahr immer noch da. Dies bedeute, dass uns die Angst auch in den kommenden Monaten begleiten werde, sagt der Psychiater, Professor Janusz Heitzmann im Gespräch mit Do Rzeczy. 

 

Jakub Kukla