Deutsche Redaktion

LGBT spaltet Polen

11.08.2020 11:47
Wird die bunte Flagge auf einer Christus-Figur in Warschau das Leben eines jungen schwulen Menschen tatsächlich einfacher machen? Öffnet diese Geste lokale Gesellschaften auf die Probleme von Homosexuellen?
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FAKT: Das Ende des alten Belarus

In einem Kommentar für die Tageszeitung Fakt bezieht sich der Publizist Sławomir Sierakowski auf die aktuellen Spannungen in Belarus nach der Präsidentschaftswahl vom Sonntag. Lukaschenko selbst wüsste nicht, ob seine Macht eben zu Ende gehe oder noch nicht. Doch auf alle Fälle würden wir das Ende der belarussischen Gesellschaft in ihrer bisherigen Form beobachten, meint der Publizist.

Egal was mit Lukaschenko demnächst passieren werde unterstütze ein großer Teil der Belarussen schon die Opposition. Diese Menschen seien inzwischen auch bereit, im Kampf um die eigenen Ansichten auf die Straße zu gehen. Man könne es nicht nur in der Hauptstadt Minsk beobachten, sondern auch in kleineren Orten und auf dem Lande.

Wenn er vom Ende des bisher bekannten Belarus spreche, dann meine er die Tatsache, dass eine neue Generation groß geworden sei, die die Zeiten der Sowjetunion nicht kenne, sich aber stets mit den westlichen Ländern vergleiche und endlich mal in einer ähnlichen Welt, wie ihre Altersgenossen in der EU leben möchte, schreibt Sierakowski in der Tageszeitung Fakt.

 

PLUS MINUS: Happenings der Großstädter

Zweifelsohne gehört die Diskussion über den Status von LGBT in Polen zu den heißesten Themen der letzten Tage. Das Thema hat in ihrem letzten Text in der Wochenzeitschrift Plus Minus auch die Schauspielerin und Schriftstellerin Joanna Szczepkowska ergriffen. Sie habe sich zwar davor gewehrt, über LGBT zu schreiben, denn die Folgen eines solchen Textes kenne sie allzu gut. Sie wüsste bereits, wie Diskussionen über heikle Themen in Polen in den letzten Jahren verlaufen würden. Je nachdem werde man von der einen Seite als wahnsinniger radikaler Katholik oder von der anderen als eine verbissener Marxist abgestempelt. Die linke Seite habe sie schon längst aus öffentlichen Diskussionen verbannt, die rechte habe sie aufgenommen, sie fühle sich aber mit diesem Spektrum der politischen Szene nicht verbunden, stellt die Schauspielerin fest.

Seit Jahren streite sie mit Vertretern des LGBT-Milieus, schreibt Szczepkowska weiter. Die Konsequenzen einer solchen Lebenshaltung – von Beschimpfungen bis hin zum ostentativen Desinteresse – nehme sie demütig an. Sie tue es, weil sie sich entschlossen gegen die Haltung der LGBT-Aktivisten aussprechen möchte. Sie gehe nämlich davon aus, dass die Vorgehensweise der Aktivisten im Grunde falsch und heuchlerisch sei. Keiner der radikalen Aktivisten würde sich für die Konsequenzen eines solchen Verhaltens interessieren. Die Regenbogenflaggen auf der Statue von Jesus Christus seien nur scheinbar ein Weg zu einer besseren Zukunft von Homosexuellen in Polen, besonders in kleineren Ortschaften. Wird die bunte Flagge auf einer Christus-Figur in Warschau das Leben eines jungen schwulen Menschen tatsächlich einfacher machen? Öffnet diese Geste lokale Gesellschaften auf die Probleme von Homosexuellen? - fragt die Publizistin und antwortet sofort mit einem klaren Nein.

Werte Warschauer Aktivisten, wendet sich die Schauspielerin an die Aktivisten, eure hauptstädtischen Happenings zeugen davon, dass ihr nichts vom komplizierten Leben der Schwulen in der Provinz haltet. Ihr wüstet genau, dass solche und ähnliche Initiativen nur die Spannung steigern und die Gefahr vergrößern. Ihr werdet vom dritten Punkt der LGBT-Charta geschützt, aus dem hervorgehe, dass euch die Hauptstadt gehöre. Zu den gefährlichsten Situationen komme es aber außerhalb von Warschau. Welches Recht hab ihr, fragt Szeczepkowska, die Situation zu eskalieren, während ihr in Warschau sicher sitzt und andere Menschen in kleineren Ortschaften der Gefahr ausgesetzt werden?

Eure Aktionen zeigen, so Szczepkowska weiter,  dass ihr so lange provozieren werdet, bis alle es für richtig und akzeptabel halten. Sie wehre sich aber entschlossen dagegen. Sie finde nicht, dass eine Regenbogenflagge auf einer Christusstatue richtig sei. Sie sage es laut, und unterstreiche zugleich, dass sie nicht homophob sei. Denn solange ihr glaubt, so Szczepkowska abschließend, dass die Kritik von LGBT eine Art von Homophobie sei, werde es keine Chance auf einen Dialog geben. Es sei denn, euer Ziel sei der Krieg, schreibt die Schriftstellerin und Schauspielerin Joanna Szczepkowska in Plus Minus.

 

DO RZECZY: Polen war allein

In der neuen Ausgabe der Wochenzeitschrift Do Rzeczy bezieht sich der Historiker, Professor Andrzej Nowak auf die Ereignisse von vor ein hundert Jahren. Vor der Schlacht von Warschau aus dem Jahr 1920 habe der Westen nur begingt die polnischen Interessen verstanden und unterstützt, meint der Wissenschaftler. Die Gefahr, die aus polnischer Perspektive offenbar gewesen war, habe Westeuropa nicht gesehen. Die Linken seien von den Ideen des kommunistischen Experiments begeistert gewesen. Die liberalen Kreise hätten zwar ein schlechtes Bild vom Osten gehabt, sogar sie seien jedoch nicht im Stande gewesen, sich vorzustellen, dass die Sowjets so schlimm sein könnten, wie es die Polen dargestellt hatten. Außerdem sei noch ein anderer Faktor im Spiel gewesen, der übrigens bis heute seine Spuren hinterlassen habe: die westeuropäischen Eliten hätten sich einer spezifischen mentalen Landkarte Europas bedient. Auf dieser Landkarte habe es keinen Platz für ein unabhängiges Polen gegeben. Der Westen habe sich daran gewöhnt, dass in Europa Deutschland und Russland regieren würden. Man habe gedacht, dass nur diese zwei Länder es schaffen würden, der Region Stabilität zu gewährleisten. Der britische Premierminister Lloyd George habe sich daher stark dafür eingesetzt, dass die Verluste Deutschland an Polen so klein wie möglich werden. Im Osten wiederum wollte man sich mit den siegreichen Bolschewiki arrangieren.

Einen Durchbruch, so Nowak weiter, markierte der polnische Sieg über die bolschewistischen Truppen im August 1920. Somit habe Pole den russischen Plan zerstört, Berlin zu erreichen und die kommunistische Revolution auf dem gesamten Kontinent durchzuführen. Erst nach der Niederlage habe Lenin seine Pläne modifiziert und konzentrierte sich auf der Einführung von Kommunismus in erster Linie im eigenen Land, so Professor Andrzej Nowak in der Wochenzeitschrift Do Rzeczy.


Jakub Kukla