Deutsche Redaktion

Politiker der Vereinigten Rechten verlieren an Zustimmung

02.11.2020 12:42
Auch wenn die Kirche die Proteste anprangert - die Mehrheit der Gläubigen ist gegen eine Verschärfung der Abtreibungsregeln. Auch der vom Staatspräsidenten vorgeschlagene Kompromiss stößt auf Widerstand in der Gesellschaft. Die Vereinigte Rechte verliert deutlich an Zustimmung. Und: Labors stoßen in der Pandemie an ihre Grenzen. Die Einzelheiten in der Presseschau.
Protesty po orzeczeniu TK ws. tzw. aborcji eugenicznej
Protesty po orzeczeniu TK ws. tzw. aborcji eugenicznejPAP/Rafał Guz

Gazeta Wyborcza: Protestieren und sündigen

Es ist eine Sünde - zitiert die Einschätzung der polnischen Bischofskonferenz zur Teilnahme von Katholiken an den landesweiten Streiks gegen eine Verschärfung des Abtreibungsgesetzes die linksliberale Gazeta  Wyborcza. Doch, so das Blatt in seinem Aufmacher, über zwei Drittel der Gläubigen sei gegen das neuerliche Urteil des Verfassungsgerichts, das eugenischen Schwangerschaftsabbruch als verfassungswidrig eingestuft hatte. Wie die Zeitung erinnert, habe der Sprecher der Bischofskonferenz, Priester Leszek Gęsiak die Gläubigen nach den Protesten am Freitag gewarnt, dass die Teilnahme eines Gläubigen an einer Demonstration, die dafür ist, menschliches Leben und Schwangerschaften abzubrechen, natürlich bedeute, dass dieser eine Sünde begeht. Und am Samstag habe Metropolit Erzbischof Marek Jędraszewski in einem Brief an die Krakauer Geistlichen geschrieben, dass diese sich “auf der ersten Front der Bataille um eine Zivilisation der Liebe befinden, die dem heiligen Johannes Paul II., dem Großen, so sehr am Herzen lag und die sich in Polen derzeit in großer Gefahr befindet”. 

Die Meinung der Kirchenvertreter, so die Zeitung, stehe jedoch im Widerspruch zur Einstellung der Gläubigen zu den Protesten. Denn 67 Prozent derjenigen, die sich in einer aktuellen Studie des Meinungsforschungsinstituts Kantar als gläubig definiert hätten, würden das Urteil des Verfassungsgerichts nicht unterstützen. Dafür seien nur 16 Prozent. In Bezug auf die Straßendemonstrationen, lesen wir, seien die Gläubigen zwei fast gleich große Lager geteilt - 53 Prozent seien gegen die Kundgebungen, 45 Prozent dafür, so Gazeta Wyborcza. 

 

Dziennik/Gazeta Prawna: Gesellschaft gegen Vorstoß des Präsidenten

Auch die Kompromisslösung, die Staatspräsident Duda vorgeschlagen hat, um die Gemüter zu beruhigen, ist für die Mehrheit der Gesellschaft nicht zufriedenstellend, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna. Laut einer Umfrage, die das Blatt bei United Surveys in Auftrag gegegeben hat, würden 60 Prozent das Gesetzesprojekt nicht unterstützen. Gleichzeitig würden sich nur 30 Prozent explizit für den Entwurf aussprechen. 10 Prozent hätten zu dem Vorschlag keine eindeutige Meinung.

Die Ergebnisse der Umfrage, lesen wir, seien keine gute Nachricht für die Regierungspartei PiS, die der Initiative des Präsidentenpalastes schon ihre Unterstützung zugesichert habe. Ebenso, wie Koalitionspartner der PiS und Chef der Partei Porozumienie (“Verständigung”), Jarosław Gowin, der eingeräumt habe, dass der Vorschlag von Staatspräsident Andrzej Duda in einer Linie damit stehe, was seine Partei suggeriert hatte.

Wie Politikwissenschaftler Antoni Dudek erklärt, habe der Vorstoß des Staatspräsidenten gleich zwei Gruppen von Gegnern: einerseits diejenigen, die keine Änderungen in den aktuellen Vorschriften wollten und für die Beibehaltung des so genannten Abtreibungs-Kompromisses seien. Und dies sei weiterhin die Mehrheit in der Gesellschaft. Andererseits diejenigen, die eine vollständige Änderung der Vorschriften und eine Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes fordern.

Trotz der eindeutigen Umfrageergebnisse, so das Blatt abschließend, hoffe der Präsidentenpalast, dass das Projekt die verfeindeten Lager miteinander versöhnen könne. Es sichere Ungeborenen einerseits das in der Verfassung verankerte Recht auf Leben zu und gebe Frauen, falls dieses Leben im Licht des aktuellen Wissens nicht geschützt werden könne, die Möglichkeit, das Kind auszutragen oder die Schwangerschaft abzubrechen, zitiert den Minister in der Präsidialkanzlei Paweł Mucha Dziennik/Gazeta Prawna.



Rzeczpospolita: Politiker der Vereinigten Rechten verlieren an Zustimmung

All dies zusammen führe zu einem deutlichen Popularitätsverlust der Vereinigten Rechten in der Gesellschaft, beobachtet in der heutigen Ausgabe die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita. An Wählerzustimmung, lesen wir, würden laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IBRiS, sowohl Premierminister Morawiecki, als auch Staatspräsident Andrzej Duda verlieren. Doch am kritischsten würden die Befragten das Vorgehen von Vizepremier und PiS-Chef Jarosław Kaczyński beurteilen. Dessen Aktivität in den letzten Tagen würden knapp 70 Prozent der Befragten negativ bewerten. 71,5 Prozent seien zudem der Meinung, dass er den Chefposten in der Regierungspartei aufgeben sollte. In keiner der befragten Gesellschaftsgruppen, außer den Arbeitslosen, habe Kaczyński einen Mehrheitskredit für die Fortsetzung seiner Rolle als Parteichef erhalten.

Kaczyński, erinnert das Blatt, habe in Medienauftritten zu den Protesten die Strategie “wir gehen keinen Schritt zurück” gewählt und zum Schutz von Kirchen aufgerufen. Diese, so Rzeczpospolita, seien in den letzten Tagen jedoch überhaupt nicht attackiert worden. Dafür hätten rechtsradikale Hooligans wiederholt die friedlichen Demonstrationen angegriffen. Die Verantwortung für die Eskalation des Konflikts falle in dieser Situation auf den Chef der Regierungspartei.

Gleichzeitig sei auf Seiten der Opposition auch kein Politiker zu sehen, der die entstandene Lücke füllen könnte. Denn auch von den prominenten Vertretern der oppositionellen Parteien würde keiner auf mehr als 15 Prozent positiver Bewertungen kommen. Geht es nach dem Soziologen Jarosław Flis von der Jagiellonen-Universität, stehe der Opposition also noch viel Arbeit bevor. Doch dies müsse die PiS nicht unbedingt vor einer Niederlage bewahren. “Solche Ereignisse, wie die neulichen in Polen stürzen Regierungen, und dann übernimmt die Opposition deren Platz”, so Flis im Gespräch mit Rzeczpospolita. 



Dziennik/Gazeta Prawna: Labors stoßen an ihre Grenzen

Und noch kurz zur Pandemie aus Dziennik/Gazeta Prawna. Die Labors, lesen wir im Blatt, schränken die Aufnahme von neuen Tests ein, da ihnen inzwischen die Bearbeitungs-Kapazität ausgegangen sei. Die Wartezeit auf ein Ergebnis habe sich auf sogar 7-8 Tage verlängert. Die Labors, betont das Blatt, würden an ihre Grenzen stoßen, obwohl Polen in Bezug auf die Zahl der durchgeführten Tests den neuntletzten Platz in Europa belege. In den letzten 24 Stunden seien landesweit nur 50 Tausend Tests durchgeführt worden, 17 Tausend davon positiv. Von 1850 Beatmungsgeräten seien inzwischen 1370 besetzt, so Dziennik/Gazeta Prawna. 

 

Autor: Adam de Nisau