Deutsche Redaktion

Der amerikanische Traum

06.11.2020 12:20
Während in Amerika weiterhin die Stimmen gezählt werden, haben sich beide Kandidaten bereits zu Siegern erklärt. Eine sehr gefährliche Situation für die Demokratie und die Weltordnung, meint die Rzeczpospolita.
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Rzeczpospolita: Der amerikanische Traum

Die Welt hält den Atem an. Dies sei sogar charmant, schreibt Jerzy Haszczyński für die Rzeczpospolita über die Wahlen in den Vereinigten Staaten. Nicht auf der ganzen Welt käme es nämlich vor, dass eine kleine Gruppe von Einwohnern entscheide, wer den Staat anführen werde und jede einzelne Stimme zähle. Und genau darin liege die Macht der Demokratie. Der Autor spürt jedoch, dass die Attraktivität der westlichen Demokratie in Frage gestellt werden könnte, zum Spott durch Politiker und Ideologen aus Ländern, in denen Wähler generell unwichtig seien. Der Autor glaubt, dass das Wahlergebnis im wichtigsten Land des Westens untergraben werden könnte. Besonders beunruhigend seien die Worte des amtierenden Präsidenten, dass er nicht zulassen wolle, dass ihm sein Sieg weggenommen werde, und dies zu einem Zeitpunkt, an dem die Stimmen in vielen Staaten noch nicht gezählt worden seien.

Haszczyński glaubt, dass der Rest des Westens deshalb schon bald einem teuflischen Dilemma gegenüberstehen könnte: Wer sollte als Anführer der Vereinigten Staaten anerkannt werden, falls beide Rivalen ihren Sieg verkünden. Es wäre wie mit Venezuela, argumentiert der Autor - wo man entweder Maduro oder Guaidó anerkenne. Die Gefahr hierbei sei, dass sich der Westen in zwei feindliche Teile aufteilen könnte. Die Haltung der Anführer westlicher Länder werde deshalb sehr wichtig sein, heißt es weiter, ob sie ruhig bleiben oder, geleitet von Emotionen und ihren amerikanischen Träumen, einerseits mit Glückwünschen und andererseits mit Warnungen auf das Wahlergebnis reagieren werden. Dennoch scheine die wahrscheinlichste Variante zu sein, dass der Verlierer seinem Rivalen gratulieren und sagen werde: Gott segne Amerika. Je früher das passiert, desto besser, lautet Haszczyńskis Fazit für die Rzeczposplita.

Super Express: Polens Elite begeht soziologische und zivilisatorische Fehler

Könnten die großen Demonstrationen und der große soziale Aufstand über die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes vermieden werden? Laut dem Berater des Präsidenten habe die Regierung einen soziologischen Fehler begangen, weil sie nicht verstanden habe, dass bestimmte konservative Ideen nicht so tief in der polnischen Gesellschaft verankert seien, überzeugt der Soziologe Prof. Andrzej Zybertowicz. Nur ein Teil der jungen Generation funktioniere nach dem Muster der patriotischen Vorstellungskraft. Der soziologische Fehler der konservativen Rechten, überzeugt der Berater, liege auch darin, dass wahrscheinlich die überwiegende Mehrheit der jungen Generation von süchtig machenden digitalen Technologien wie Social Media programmiert worden sei.

Die wissenschaftlich-technische Zivilisation habe eine ganze Generation verantwortungsloser Menschen großgezogen, die für nichts verantwortlich sein wollen. Sie sollen sich nicht mehr mit den Errungenschaften früherer Generationen verbunden fühlen. Daher bestehe die Befürchtung, erklärt der Soziologe, dass asiatischer Autoritarismus den Westen einfach erobern werden, falls er seine Vision der "Hyperfreiheit" nicht begrenzen werde.

Zybertowicz weist auch auf einen zweiten Fehler. Seiner Meinung nach begehen der linke Flügel und die Liberalen einen Zivilisationsfehler. Polen erlebe gegenwärtig eine moralische Revolution und versuche auf dem Weg zur Liberalisierung der sozialen Beziehungen zum Westen aufzuholen. Das alles finde aber in einer Krisensituation der liberalen Demokratie statt, was bedeute, dass Polens Linke und Liberale eifrig - aber ohne tiefere Gedanken - nach einem System strebe, das im alten Westen bereits seine Vitalität verloren und die Schlinge um den Hals habe.

DoRzeczy: Polen in Berlin sind unter dem Einfluss liberaler Medien

In Berlin lebende Polen seien definitiv liberaler und unterstützen überwiegend polnische Oppositions-Vertreter, erklärt indes der Auslandskorrespondent Cezary Gmyz in einem Gespräch mit DoRzeczy. Der Grund sei aber heute nicht wie einst, dass jemand aus Polen geflohen und beim westlichen Nachbarn Zuflucht gefunden habe. Die Menschen im Westen seien definitiv reicher, erklärt Gmyz, was zur Folge habe, dass die Liberalen größtenteils unterstützt werden. Nicht ohne Bedeutung seien auch deutsche Medien. Über Polen soll in der westlichen Presse seit fünf Jahren eindeutig ein sehr einseitiges Bild vermittelt werden, bemerkt der Journalist.

Polen werde als ein Land intoleranter "dunkler Katholiken" beschrieben, in dem die Regierung von den Errungenschaften der Demokratie abweiche und gefährliche Gesetze einführe. Der Effekt? Wie der Auslandskorrespondent erklärt, sollen von rund 114.000 Polen nur 25 Prozent die konservative Rechte unterstützen. Laut Gmyz seien nur die vereinzelt konservativen Medien Deutschlands objektiv oder sogar enthusiastisch gegenüber Polen. Das betreffe vor allem Medien, die der Alternative für Deutschland (AFD) nahe stehen und eindeutig die Regierung der deutschen Bundeskanzlerin und die Sichtweise des deutschen Mainstreams ablehnen.    


Piotr Siemiński