Deutsche Redaktion

Polen liegt ihm

09.11.2020 13:30
 Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in den USA und die geplante Bindung von EU-Mitteln an die Rechtsstaatlichkeit - diese Themen dominieren die heutigen Pressekommentare.
Prezydent USA - Joe Biden
Prezydent USA - Joe BidenPAP/EPA/JIM LO SCALZO

Natürlich sind die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in den USA ein wichtiges Thema in der heutigen Presse. 

Rzeczpospolita: Polen liegt ihm

Welchen Einfluss wird der Sieg von Joe Bidens auf die Beziehungen zwischen Polen und den USA haben? In seiner Kampagne, erinnert die konservative Rzeczpospolita in ihrem Aufmacher, habe Biden sich nicht schmeichelhaft über Polen ausgesprochen. Aufgrund der Zweifel an der Qualität der Rechtsstaatlichkeit, habe er Polen etwa mit Belarus verglichen. Er habe auch erinnert, dass “die Rechte von LGBT-Vertretern, Menschenrechte sind”. Und im kommenden Jahr wolle er einen Gipfel der Demokratie organisieren. 

Um gute Beziehungen mit Washington zu bewahren, so das Blatt, würde die polnische Regierung daher in vielen dieser Angelegenheiten ihre Haltung verändern müssen. Dennoch, so die Rzeczpospolita, werde der 46. Präsident die Einstellung zu Polen in strategischen Fragen nicht revolutionieren. Zwar habe die PiS im Verhältnis zu Trump auf die bilateralen Verhältnisse zwischen Polen und den USA und auf Fort Trump gesetzt. Und dies würde sich nun ändern, denn Biden wolle die Politik seines Vorgängers in Bezug auf die NATO ändern. Er werde den Abzug von 12 Tausend Soldaten aus Deutschland stoppen, die Finanzierung von Abschreckungs-Initiativen in Bezug auf Russland wiederherstellen und die Absegnung einer neuen strategischen Doktrin des Bündnisses sichern. 

All dies werde jedoch das Engagement der USA in die Beziehung zu Polen nicht mindern. “In Hinblick auf die geografische Lage Polens auf der NATO-Ostflanke, ist die Stärkung unserer militärischen Zusammenarbeit sowohl für Demokraten, als auch für die Republikaner eine Schlüsselfrage”, so die US-Botschafterin in Warschau, Georgette Mosbacher. Biden, erinnert die Rzeczpospolita, habe als einflussreicher Senator eine fundamentale Rolle bei der Ratifizierung des polnischen NATO-Beitritts im Senat 1998 gespielt. Und als Vize-Präsident unter Obama eine weitaus bedeutendere Vergrößerung der US-Militärpräsenz in Polen beaufsichtigt, als die, zu der es unter Trump gekommen sei. Heute spreche er sich für ein stärkeres Engagement der USA in der Ukraine und in Belarus aus, um russischen Imperialismus zu stoppen. 

Trump, fährt das Blatt fort, sei der erste US-Präsident gewesen, der versucht habe, die EU zu schwächen und etwa den Brexit unterstützte. Dies habe Polen vor eine schwierige Wahl zwischen der Zusammenarbeit mit Washington und mit Brüssel gestellt. Dieses Dilemma werde nun verschwinden. Biden wolle auch die geschwächten Beziehungen mit Deutschland und Frankreich wiederaufbauen. Die USA würden zum Pariser Klimaabkommen und dem Nuklearabkommen mit dem Iran zurückkehren. Gleichzeitig werde der neue US-Präsident Polen im Kampf gegen Nord Stream 2 unterstützen und den Export von Flüssiggas nach Polen sowie den Bau von Kernkraftwerken an der Weichsel fördern. 

 

Dziennik/Gazeta Prawna: Streit im Regierungslager. Ums Veto

Zweites wichtiges Thema ist der Streit zwischen Warschau und Brüssel um eine Bindung der EU-Fonds an die Rechtsstaatlichkeit.

Geht es nach dem Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna, erhitzt das Thema und die Frage nach der richtigen Strategie im Konflikt auch innerhalb der Vereinigten Rechten die Gemüter. Die Regierung, so die Zeitung, würde das Thema gerne erneut auf dem EU-Gipfel zur Debatte stellen, wo Entscheidungen einstimmig gefällt würden. Falls es dazu nicht kommen sollte, plane Warschau ein Veto gegen die vorgeschlagene Lösung. 

Gehe es jedoch nach Jan Olbrycht, einem Unterhändler des Europäischen Parlaments, sehe der Legislativprozess die Möglichkeit einer erneuten Diskussion über den Rechtsstaatlichkeits-Mechanismus auf einem EU-Gipfel nicht vor. Und ein eventuelles Veto Polens könne nun nur noch das Budget selbst betreffen. “Im Juli nach dem EU-Gipfel hat der Premierminister versichert, dass es gelungen ist, diesen für Polen schädlichen Mechanismus zu blockieren. Wir waren von Beginn an skeptisch in Bezug auf diese Versicherungen. Und heute stellt sich heraus, dass wir recht hatten”, so einer der Politiker der Koalitionspartei der PiS Solidarisches Polen. Das Umfeld des Premierministers bagatellisiere indes die Vorwürfe. “Wir werden das blockieren. Deutschland muss zeigen, dass es wollte, aber nicht konnte. Und ohne die Zustimmung Polens kann man den Mechanismus nicht einführen”, kontert ein Mitarbeiter des Regierungschefs. Der vereinbarte Beschluss sehe die Blockade von Mitteln im Falle einer Bedrohung für die Unabhängigkeit von Richtern vor. Die Maßnahme soll von allen Staaten mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden, erinnert Dziennik/Gazeta Prawna. 

 

Rzeczpospolita: Geld für Werte

Die Bindung der Auszahlung von EU-Fonds an die Einschätzung der Rechtsstaatlichkeit ist eine fatale Lösung für die Zukunft der europäischen Integration, urteilt in seinem Autorenkommentar für die Rzeczpospolita der Politologe Marek Cichocki. Die Idee, Geld für europäische Werte zu geben, diese Werte also zu monetarisieren, verrate die Händler-Motive der Befürworter einer solchen Lösung und werde zu einer weiteren Erosion der gemeinsamen europäischen Identität führen. Mehr noch, Ziel einer solchen Lösung sei die Rückversetzung der Staaten Mitteleuropas in deren Position aus den 90-er Jahren, die auf der Logik von Schirmherr und Kunde, des Zentrums und der Peripherie basiert habe. Dies werde eher früher als später zu einer Intensivierung von Spannungen auf der Ost-West-Achse in der EU führen. 

Brüssel, so Cichocki, wolle uns disziplinieren. Stattdessen werde es nur neues Konfliktpotential schaffen. Warschau sei hier nicht ohne Schuld. Die Regierung habe die verfehlte Justizreform forciert und EU-Institutionen sowie -Politiker in verschiedenen Angelegenheiten unnötig provoziert. Man könne sogar sagen, dass die polnische Rechte damit zur Entstehung von etwas beiträgt, das sie rhetorisch bekämpft - eines föderalen Europas. Und das Risiko von neuen Spaltungen in Europa erhöht. 

Die Einführung von für Polen ungünstigen Lösungen werde auf natürliche Weise die Debatte darüber anheizen, wer dafür die Schuld trage, aber auch zur Folge haben, dass unter einem Teil der Anhänger der Vereinigten Rechten radikale Haltungen an Popularität gewinnen, die Parole von einem Austritt Polens aus der EU inklusive, so Marek Cichocki in der Rzeczpospolita. 

 

Autor: Adam de Nisau