Deutsche Redaktion

Das Schweigen der mittleren Generation

16.11.2020 09:37
In ihrem Feuilleton in der Wochenzeitschrift Plus Minus versucht die Schauspielerin Joanna Szeczpkowska das Schweigen ihrer Generation in Bezug auf die Missstände in der polnischen Kirche zu erklären.
Schauspielerin Joanna Szczepkowska
Schauspielerin Joanna SzczepkowskaGrzegorz Śledź/PR2

PLUS MINUS: Das Schweigen der mittleren Generation

In ihrem Feuilleton in der Wochenzeitschrift Plus Minus versucht die Schauspielerin Joanna Szeczpkowska das Schweigen ihrer Generation in Bezug auf die Missstände in der polnischen Kirche zu erklären. Sie sei im kommunistischen Polen zur Welt gekommen. Auf den Schulwänden habe es Porträts von Lenin oder Gomułka gegeben. Eine ältere Lehrerin habe trotz Verbot mit den Kindern heimlich Gebete vor dem Unterricht gesprochen. Schließlich sei sie entlassen worden. Sie und ihre Schulkameraden seien aus Familien gekommen, die sich der Gefahren des kommunistischen Regimes bewusst waren. Die Zugehörigkeit zu der katholischen Kirche sei damals eine Art Asyl gewesen. Sie seien jene gewesen, die die polnische und nicht die sowjetische Tradition aufrechtzuerhalten versuchten. Die Zugehörigkeit zum Kreis der Gläubigen sei viel mehr als nur ein Glaubensbekenntnis gewesen - es sei zugleich ein polnisches und kein sowjetisches Territorium gewesen. Die Kirche habe man als ein Synonym von Freiheit und Heimat verstanden. Die Gebete seien eine Sprache der Polen und nicht die Sprache Stalins gewesen.

Die Kommunisten hätten die Kirche bekämpft. Selbst diese Einstellung verursachte eine Sympathiewelle für die Priester. Anfang der 80-er Jahre, im Kriegszustand, versammelte die polnische Kirche sowohl Gläubige als auch Atheisten – für alle sei sie ein Zufluchtsort gewesen. Sie habe damals oft in Kirchen Gedichte vorgetragen vor Menschenmengen, die, unabhängig von ihrer Weltanschauung, an eine bessere Zukunft glaubten. Sie könne sich noch an Kirchenlieder erinnern, die Menschen mitgesungen hätten, die sich heute an antikirchlichen Veranstaltungen beteiligen würden. Wie sei es möglich gewesen, dass so unterschiedliche Menschen an einem Gottesdienst teilgenommen und gemeinsam gesungen hätten? Aus der heutigen Perspektive höre es sich paradox an, doch die Kirche war ein Raum der Freiheit und die Lieder waren Protestsongs.

Sie gehe davon aus, so Szczepkowska abschließend, dass sie eine solche Erklärung der jüngeren Generation schuldig sei. Sie hätten damals schon einige Missstände gesehen, keiner habe jedoch reagiert. Vielleicht sei das nicht die richtige Zeit für eine harsche Kritik der Kirche gewesen. Könne man aber aus der Situation eine Lehre für die Zukunft ziehen? Doch, meint die Schauspielerin. Wenn man Unregelmäßigkeiten sehe, müsse man sofort reagieren. Egal ob die Zeit reif genug sei, oder nicht.

 

RZECZPOSPOLITA: Ideologischer Druck auf Polen

Der Begriff Rechtsstaatlichkeit macht diese Tage in Polen Schlagzeilen. Polens Premierminister wehre sich entschlossen gegen einen Versuch der Europäischen Kommission, die Bürger einem ideologischen Druck auszusetzen, berichtet die Tageszeitung Rzeczpospolita. Premierminister Morawiecki informierte Ende vergangener Woche, dass er den Anführern der EU die Haltung der polnischen Regierung in einem Brief bereits erläutert habe. Der Zankapfel sei die geplante Bindung der europäischen Gelder an den Stand der Rechtsstaatlichkeit im jeweiligen EU-Land.

Unter dem Druck der Europäischen Kommission habe die deutsche Präsidentschaft soeben eine Konditionalitätsregelung vorgestellt. Diese Regelung solle es ermöglichen, EU-Geld zu kürzen, wenn in einem Mitgliedsland der Rechtsstaat gefährdet sei und dadurch der Missbrauch von EU-Mitteln drohe oder bereits stattfinde. Konkret könnte dies zum Beispiel dann der Fall sein, wenn mangelnde Unabhängigkeit von Gerichten in einem EU-Staat den Missbrauch von EU-Mitteln ermögliche oder sogar ganz klar fördere. Vor allem den Regierungen in Ungarn und Polen werde zuletzt immer wieder vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Justiz auszubauen.

Polen werde von mehreren Seiten angegriffen, sagte in diesem Zusammenhang Premierminister Morawiecki. Auch mit Hilfe einer falsch verstandenen Rechtsstaatlichkeit. Dies sei eine politische Neusprache – offiziell spreche man von Rechtsstaatlichkeit, im Grunde genommen würden aber verschiedene Entscheidungen den EU-Staaten einfach aufgezwungen. Die Aufgabe der Regierung bestehe nicht darin, den Bürgern zu sagen, wie sie ihr Leben gestalten sollten. Deshalb werde sich Warschau vor jedem ideologischen Druck wehren, zitiert Rzeczpospolita den polnischen Regierungschef.

FAKT: PiS holt auf

In den letzten Wochen gehe es für die Regierenden in Polen bergauf, stellt die Tageszeitung Fakt fest. Die Regierung kämpfe mit einer tiefen Imagekrise, auch die Pandemie mache den Politikern zu schaffen. Immer mehr Menschen würden erkranken, viele sterben an COVID-19, die Lage der Wirtschaft sei schwierig und darüber hinaus hätten landesweite Proteste der Frauen das Land erschüttert. Kein Wunder, dass sich all diese Faktoren auf die Zustimmung für die regierende Partei ausgewirkt hätten, stellt Fakt fest. In manchen Meinungsumfragen seien die Zustimmungswerte der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sogar unter die 30-Prozent-Hürde gefallen. Allem Anschein nach, hole die Partei aber langsam auf, lesen wir weiter. Einer neuesten Umfrage sei zu entnehmen, dass für die Regierenden momentan 33 Prozent der Wähler ihre Stimme abgeben würden. Die größte Oppositionspartei Bürgerplattform (PO) sei mit einem Ergebnis von 24 Prozent auf Platz 2 gelandet, so Fakt.


Jakub Kukla