Deutsche Redaktion

Opposition, was nun?

25.01.2021 11:23
Die Opposition in Polen habe keinen klaren Anführer und kein Narrativ, mit dem sie die Wähler hätte anlocken können, schreibt in seinem Kommentar in der Wochenzeitschrift Plus Minus, der Publizist Michał Szułdrzyński.
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PLUS MINUS: Opposition, was nun?

Die Opposition in Polen habe keinen klaren Anführer und kein Narrativ, mit dem sie die Wähler hätte anlocken können, schreibt in seinem Kommentar in der Wochenzeitschrift Plus Minus, der Publizist Michał Szułdrzyński. Die bedrückende Mehrheit der Befragten könne sich laut einer neuesten Studie nicht entscheiden, wer momentan der wichtigste Politiker in den Oppositionsreihen sei. Den Chef der bislang größten oppositionellen Gruppierung Bürgerplattform (PO) hätten lediglich 13 Prozent der Befragten aufgezeigt. Dies sei wohl keine gute Nachricht für Borys Budka, der vor exakt einem Jahr seinen Vorgänger auf dem Posten des Parteichefs abgelöst habe. Die Schwäche der Opposition sei momentan besonders sichtbar, da die regierende Partei seit mehreren Monaten aus einer politischen Sackgasse herauszukommen versuche. Die Pandemie sowie interne Streitereien hätten zu immer neuen Krisen in den Regierungsreihen geführt. Drüber hinaus habe auch Präsident Andrzej Duda in einem Fernsehinterview gleich mehrmals kontroverse Töne von sich gegeben. All das habe jedoch keinen entscheidenden Einfluss auf das politische Leben in Polen, denn oppositionelle Gruppierungen seien nicht im Stande sogar eindeutige Fehler der Regierenden auszunutzen.

Das eigentliche Problem bestehe darin, so der Autor weiter, dass sich die Opposition in Rahmen bewege, die der Chef der regierenden PiS-Partei, Jarosław Kaczyński, für sie vorgesehen habe. Die PiS-Partei stelle die politische Agenda auf, die Regierenden würden die Politik nach eigenen Vorstellungen konstruieren. Dem Weltbild, das von der regierenden Partei vorgestellt werde, könne die Opposition keine eigene Version entgegenstellen. Die Wähler wüssten nicht, für welches Polen sich die oppositionellen Gruppierungen eigentlich einsetzen, wie sie sich die Zukunft des Landes vorstellen würden. Sich allein als Anti-PiS zu definieren sei zu wenig. Die vergangenen fünf Jahre hätten es eindeutig bestätigt. Die Frage, ob sich oppositionelle Gruppierungen vereinen sollten, sei in diesem Kontext zweitrangig. Die eigentliche Frage laute: wer könnte ein wirksames Narrativ für die Opposition ausdenken und es umsetzen, schreibt Michał Szułdrzyński in der Wochenzeitschrift Plus Minus.


SUPER EXPRESS: Newcomer in Bedrängnis

Problematisch sehe die Situation auch in den Reihen der sozialen Bewegung „Polen 2050“ aus, schreibt die Tageszeitung Super Express. Der Gründer dieser Gruppierung, der ehemalige Fernsehentertainer, Journalist und Buchautor Szymon Hołownia, habe zwar soeben einige Politiker der größten Oppositionspartei Bürgerplattform übernommen und schneide in den Meinungsumfragen immer besser ab. Aber auch er habe mit Problemen zu kämpfen. Mehrere Mitarbeiter aus Südpolen hätten ein Video veröffentlicht, in dem sie der Formation eine verachtende Haltung gegenüber Freiwilligen vorwerfen.

Für eine gesellschaftliche Bewegung sei das Engagement von Volontären von großer Bedeutung. Viele von ihnen behandle man aber respektlos. Außerdem würde man immer mehr Personen hinauswerfen, nur weil sie zu viele unbequeme Fragen stellen würden. Es sehe langsam so aus, wie in den größten Parteien, wo der Chef von seinen Kumpels umringt werde. Ein solches Polen wolle er mit Szymon nicht gemeinsam aufbauen, sagt einer der lokalen Mitarbeiter von Polska 2050, der die Bewegung soeben verlassen habe, schreibt Super Express.


DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Ein Mann voller Mut

Das Problem der Opposition greift auch der Journalist Paweł Reszka im Gespräch mit dem Blatt Dziennik/Gazeta Prawna auf. Der Kontext sei aber ein ganz anderer: Reszka sei jahrelang Russland-Korrespondent gewesen und erklärt nun, was er von Navalnys Rückkehr nach Moskau halte und wieso das für Wladimir Putin ein Problem werden könnte. Navalny sei ein braver Mann. Man sehe, dass er ein konkretes Ziel verfolge, und für dieses Ziel habe er sich bereits geopfert. Die Geschichte der pro-demokratischen Bewegungen in Russland zeige, dass man gegen die Machthaber nicht halbherzig auftreten dürfe. Auf der einen Seite Putin zu kritisieren und gleichzeitig seine Kinder in eine private Schule nach London zu schicken und durch Moskau mit einer Limousine zu fahren- so funktionierte jahrelang der Großteil der russischen Opposition, und der Durchschnittsbürger habe es gesehen. Deshalb gehe Navalny aufs Ganze.

Er sei nach Russland zurückgekehrt, weil es nicht funktioniere, ein Kreml-Kritiker aus der Distanz zu sein. Die Russen hören auf solche Stimmen nicht. In Russland wiederum führe harte Kritik ins Gefängnis oder in ein Lager. Deshalb sei das ein Job für besonders tapfere Menschen. Alexej Navalny scheine ein solcher zu sein, sagt Paweł Reszka weiter. Man habe versucht ihn zu ermorden. Er wisse genau, wie der Tod nach Nowitschok aussehe. Dennoch habe er es gewagt, nach Moskau zurückzukehren.

Putin habe vor Navalny Angst, führt der Journalist fort. Russlands Präsident wisse, dass er schon seit vielen Jahren regiere und seine Schatzkiste bereits leer sei. Er sehe auch, was in Belarus vor sich gehe. Ein ähnliches Szenario könnte sich auch in Russland wiederholen. Und in einem solchen Moment tauche ein Mann auf,  der dem Volk gefalle, der sich mit dem Volk verständigen könne. Und der darüber hinaus etwas ganz Heroisches in sich habe. Für Putin eine ernste Bedrohung, stellt Reszka fest.

Jakub Kukla