Deutsche Redaktion

Ein Jahr mit Covid-19

04.03.2021 10:46
Vor genau einem Jahr wurde der erste Covid-19-Fall in Polen registriert. Am 4. März 2020 wurde das Virus bei einem damals 66-jährigen Mann bestätigt. 
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DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Wie geht es dem Patienten „0”?

Vor genau einem Jahr habe es in Polen den ersten Fall von Covid-19 gegeben, erinnert das Blatt Dziennik/Gazeta Prawna. Am 4. März 2020 wurde das Virus bei einem damals 66-jährigen Mann bestätigt. Der Patient sei auf der Isolierstation des Klinikums in Zielona Góra (Grünberg) behandelt worden. Er habe angegeben, zuvor im deutschen Nordrhein-Westfalen den Karneval besucht zu haben. Nach knapp einer Woche gab es schon das erste Todesopfer. Bis Anfang März 2021 wurden in Polen insgesamt über 1.7 Millionen Infizierte und fast 44 Tausend tote gemeldet.

Das Blatt fragte den polnischen Patienten „0”, wie es ihm heute, nach einem Jahr, gehe. Herr Mieczysław erinnere sich, dass er nach seinem Krankenhausaufenthalt sehr erschöpft gewesen war. Die Krankheit sei zwar vorbei, er fühle sich aber bis heute nicht ganz fit. Zum Glück habe er seine Familienmitglieder nicht infiziert. Keiner aus seiner Umgebung habe unter Corona gelitten, gibt der Mann zu.

Bis heute müsse er sich um seine körperliche und geistige Form besonders kümmern. Auch wenn es ihm jetzt viel besser gehe, sei die Angst geblieben. Zumal, dass das Ende der Pandemie nicht abzusehen sei. Die Krankheit habe daher sein Leben langfristig negativ beeinflusst. Er könne nicht mehr all das machen, was er noch vor der Pandemie machen konnte. Außerdem könne er sein Leben nicht ganz in den Griff bekommen: er habe Probleme mit der Konzentration, viele Angelegenheiten bleiben unerledigt. Wie viele andere Menschen warte er auf eine sichtliche Verbesserung der Lage. Er würde viel dafür geben, um in das Jahr 2019 zurückkehren zu können, sagt der polnische Patient „0” im Gespräch mit dem Blatt Dziennik/Gazeta Prawna.


FAKT: Ein Jahr mit Covid-19

Die Chefredakteurin der Tageszeitung Fakt, Katarzyna Kozłowska, fasst in der heutigen Ausgabe die letzten zwölf Monate zusammen. Geht es nach der Publizistin habe es mehr Siege als Niederlagen im Kampf gegen Corona gegeben. Die schnellen und entschlossenen Reaktionen der polnischen Politiker und eine einwandfreie Zusammenarbeit mit Partnern aus anderen osteuropäischen Ländern hätten Polen etwas Zeit gegeben, um sich auf die Wellen vorzubereiten. Diese Entschlossenheit habe es den Regierenden ermöglicht, die Kontrolle wenigstens teilweise zu übernehmen. Sie sei sich dessen bewusst, dass man jeglichen Vergleich mit der Situation in Italien von vor einem Jahr als Populismus einstufen werde, aber aus irgendeinem Grund sei es Polen gelungen, ein solches Szenario zu vermeiden, meint Kozłowska.

Von Tag zu Tag mussten sich die Polen in einer völlig neuen Situation zurechtfinden. Den meisten sei es auch gelungen. Heute, exakt ein Jahr nach dem ersten bestätigten Corona-Fall in Polen, seien über 3,5 Millionen Menschen geimpft worden. Wenn man sich an die Diskussionen über den entstehenden Impfstoff aus dem vergangenen Jahr erinnere, sei das nach wie vor ein Erfolg. Das Tempo der Impfungen werde darüber hinaus noch beschleunigt, sobald der Impfstoff auch an der Weichsel hergestellt werde, schreibt die Publizistin.

Im Kampf mit der Pandemie habe man aber auch Fehler begangen, stellt Kozłowska fest. Die meisten seien damit verbunden gewesen, dass sich Politiker auf innerparteilichen Angelegenheiten zu stark konzentriert hätten, anstatt die Gesundheit der Bürger absolut in den Vordergrund zu stellen. Sie meine unter anderem die Fixierung an der Präsidentschaftswahl im Mai, dann die Lockerung der Sicherheitsmaßnahmen im Sommer kurz vor den kurzfristig verschobenen Wahlen, den Kauf von wertlosen Atemgeräten und Mundmasken. Ein großes Versäumnis sei auch der fehlende Plan B gewesen, als sich herausgestellt habe, dass es zu wenig Impfstoff für die EU-Staaten gebe. Die Politiker mögen es zu wiederholen, dass sie die Situation unter Kontrolle hätten. Wie die Lage tatsächlich sei, sehe man aber mit bloßem Auge, urteilt Katarzyna Kozłowska.

 
SUPER EXPRESS: Pandemie verschont die Welt der Politik

Im Blatt Super Express fasst auch der Kulturwissenschaftler und Soziologe, Doktor Jan Sowa die vergangenen zwölf Monate zusammen. Bislang seien die gesellschaftlichen Veränderungen, die Corona mit sich brachte noch nicht gravierend. Wenn man sich aber an die Krise aus dem Jahr 2008 erinnere, dann sehe man, dass sich die tiefsten Schäden erst nach mehreren Jahren offenbarten. Ein Großteil der Folgen von Covid stehe uns also erst bevor, meint der Soziologe.

Anders als erwartet habe die Pandemie die Welt der Politik im Grunde verschont. Man sei davon ausgegangen, dass die Pandemie die Unzulänglichkeiten vieler Regierungen schnell aufzeigen und es vielerorts zum Machtwechsel kommen würde. Bis auf Trump habe man aber keine größeren Veränderungen verzeichnet. Trumps Inkompetenz sei aber dermaßen groß gewesen, dass er dafür einen hohen Preis zahlen musste. Dies sei aber eine Ausnahme, die die Regel bestätige, führt Sowa fort. Neusten Studien sei zu entnehmen, dass die Pandemie zum Erstarken vieler konservativer Parteien beitrage. Was Covid mit Sicherheit verändert habe, sei der bislang sehr verbreitete Glaube an die unsichtbare Hand des Marktes. Heute glaube schon keiner daran, dass das Kapital keine Nationalität habe, meint der Soziologe Jan Sowa im Gespräch mit Super Express.



Jakub Kukla