Deutsche Redaktion

Weise Ostpolitik dringend nötig

28.05.2021 14:14
Die Spannungen mit Belarus sorgen weiterhin für Diskussionen. 
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RZECZPOSPOLITA: Doch zweite Liga?     

In einem Interview für die Wochenzeitschrift Rzeczpospolita bezieht der Politikwissenschaftler, Professor Antoni Dudek, Stellung zu den aktuellen Spannungen mit Belarus. Er habe das Gefühl, dass es seit mehreren Jahren, mit Ausnahme einiger propagandistischer Äußerungen, eine wirkliche Ostpolitik in Polen nicht gegeben habe. Geht es aber um das Kapern der Ryanair-Maschine und die Festnahme des oppositionellen Bloggers habe die polnische Regierung aber rational gehandelt. Nun sei die Frage entscheidend, ob Warschau im Stande sein werde eine Koalition mit Westeuropa zu bilden. Anders gesagt sei die Frage wichtig, ob Polen seine westeuropäischen Partner zu einer entschlossenen und harten Antwort gegen Lukaschenko werde überreden können. Dies bezweifle er, sagt Dudek, fügt aber hinzu, dass es der Vorgängerregierung höchstwahrscheinlich auch nicht gelingen würde.

Man müsse sich dessen bewusst sein, führt der Politikwissenschaftler fort, dass man den östlichen Teil des Kontinents im Westen immer noch als eine russische Einflusszone betrachte. Da also in diesem Teil des Kontinents Russland mehr zu sagen habe, hätten auch Politiker wie Lukaschenko größeren Spielraum. Seit einem Vierteljahrhundert werde er als der letzte Diktator Europas geduldet. In diese Zeit habe der Westen schon mehr machen können, um Aleksander Lukaschenko den Komfort der Machtausübung zu beschränken. Man habe es aber aus irgendeinem Grund bislang doch nicht gemacht. Werde es auch diesmal keine sehr scharfe Reaktion geben, könnte sich das Szenario der lateinamerikanischen Diktaturen wiederholen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass bald Lukaschenko-Kritiker in den umliegenden Ländern vom Erdboden verschwinden werden. Er meine hier belarussische Oppositionelle, die einen Zufluchtsort in Polen oder Litauen gefunden hätten. Wenn man ein ausländisches Flugzeug entführen könne, dürfte es doch kein Problem sein, einen Regime-Kritiker aus Polen zu entführen.

Professor Dudek bezieht sich auch auf die Aufhebung der Sanktionen gegenüber Nord-Stream-2 A.G. Zwar habe Donald Trump die Sanktionen eingeführt, der Bau sei aber weiterhin fortgesetzt worden. Biden versuche nun die strapazierten Beziehungen zu Deutschland zu verbessern. Er tue dies auf Kosten von Polen. Erneut sehe man, dass Berlin in der Weltpolitik ein Schwergewichtler sei. Ob man die Aufhebung der Sanktionen habe vermeiden können? Das bezweifle er, sagt Politikwissenschaftler Professor Antoni Dudek im Gespräch mit Rzeczpospolita.

 

GAZETA POLSKA CODZIENNIE: Für deutsches Geld

Es sei ein offenes Geheimnis, dass einige politische Projekte in Polen aus deutschen Geldern gefördert werden, schreibt in seinem Feuilleton in der Tageszeitung Gazeta Polska Codziennie der Publizist Krzysztof Wołodźko. Verschiedene Stiftungen, die oft mit konkreten politischen Parteien verbunden seien, hätten nicht selten finanzielle Mittel zu Verfügung gestellt. Dadurch sei es der Bundesrepublik gelungen, seit Beginn der dritten Republik, das ist seit der Wende Anfang der 90-er Jahre, ein Netz von politischen Kontakten an der Weichsel aufzubauen. Die politische Klasse in Polen habe es akzeptiert, genauso wie Vertreter des dritten Sektors. Für deutsches Geld habe man in Polen nicht nur Fabriken und Medien gekauft, sondern auch menschliche Gedanken und Haltungen. Das neokoloniale Modell habe so reibungslos funktioniert nicht zuletzt, weil jeder Versuch sich dieser Ordnung zu widersetzen, verhöhnt und verspottet wurde. Als die wenigen Gremien in der dritten Republik ihre patriotischen Stützpunkte aufzubauen versuchten, habe man sie einfach ausgelacht. Elegant und eben dadurch auch sehr wirksam, so Krzysztof Wołodźko in der Gazeta Polska Codziennie.

Jakub Kukla