Deutsche Redaktion

"Bidens Kurswechsel"

01.06.2021 11:54
In Bezug auf die Politik der USA sind wir Zeugen einer Entwicklung, vor der ein Teil der Kommentatoren noch vor den Präsidentschaftswahlen in den USA gewarnt hatte, schreibt Łukasz Warzecha in der aktuellen Ausgabe des nationalkonservativen Wochenblatts Do Rzeczy. Und: Nexta-Mitbegründer Sciapan Puciła spricht über Drohungen für ihn und sein Team aus Belarus und darüber, wieso Nexta seine Mission nicht aufgeben wird.
Budowa Nord Stream 2
Budowa Nord Stream 2FORUM/HANNIBAL HANSCHKE

Do Rzeczy: Bidens Kurswechsel

In Bezug auf die Politik der USA sind wir Zeugen einer Entwicklung, vor der ein Teil der Kommentatoren noch vor den Präsidentschaftswahlen in den USA gewarnt hatte, schreibt Łukasz Warzecha in der aktuellen Ausgabe des nationalkonservativen Wochenblatts Do Rzeczy. Mit dem Abgang von Donald Trump, so der Autor vor dem Hintergrund des abgemilderten Kurses von Biden in Bezug auf Nord Stream 2, ändere sich der Blick der USA auf für Polen wichtige Themen deutlich. Einer der Gründe für den Kurswechsel: Prognosen zum Trotz, die von einer Schwächung Chinas infolge der Pandemie gesprochen hatten, habe das Reich der Mitte das Virus relativ schnell in den Griff bekommen, so dass sich die Position des Landes in der globalen Wirtschaft nicht geändert hat. Und dies bedeute, dass China weiterhin der wichtigste globale Rivale der USA bleibe. Einer der wichtiger sei, als etwa Russland. Und in dem Wettstreit mit China, so der Autor, würden die USA eben europäische Verbündete brauchen - es gehe unter anderem um den Erwerb amerikanischer statt chinesischer Technologien in solchen Bereichen, wie die Kommunikation. Bei Russland wolle sich Biden in dieser Auseinandersetzung wenigstens Neutralität sichern. 

Und hier stelle sich die Frage: Wo ist in alledem der Platz für Polen? Leider, so Warzecha, nirgendwo. Die Verschiebung der Schwerpunkte nach Bidens Sieg sei vorherzusehen gewesen. Schon Monate vor den Präsidentschaftswahlen in den USA, habe man Stimmen hören können, dass die Regierung dringend einen alternativen Plan für den Fall eines Siegs des Demokraten vorbereiten sollte (ein solcher Plan sollte am Rande gesagt schon viel früher erarbeitet werden, parallel zu Kontakten mit der zweiten Seite der politischen Szene in den USA). Es scheine jedoch, als ob nichts dergleichen geschehen sei. Ein paar Monate nach dem Wechsel im Weißen Haus, scheinen die polnisch-amerikanischen Beziehungen eingeschläfert. Seit der Ausreise von Georgette Mosbacher aus Warschau, sei der Botschafterposten der USA in Polen unbesetzt. Man sehe heute, welch enormer strategischer Fehler es gewesen sei, sich allein auf das angeblich besondere Verhältnis der polnischen Spitzenpolitiker mit Donald Trump zu verlassen. 

Aber auch die Opposition, so Warzecha, falle blass aus. Ihre hysterische Abneigung gegenüber Trump und emotionale Lobeshymnen zu Ehren von Biden würden, vor dem Hintergrund der aktuellen Situation deren Indolenz offenbaren. 

Die Situation mit den amerikanischen Sanktionen gegenüber NS2, fährt der Autor fort, bedeute natürlich nicht, dass die Amerikaner gleich ihre Truppen aus Polen abziehen und die Pläne einer größeren Militärpräsenz der USA an der Weichsel auf Eis gelegt werden. Es sei jedoch eine ernsthafte Warnung, die das politische Gewicht der jeweiligen Akteure in Europa aus Sicht der aktuellen amerikanischen Administration zeige. Polen liege in dieser Hierarchie viel niedriger, als Deutschland - und das sollte nicht wundern. Es sei schwer, das Gefühl eines Déjà Vu aus den Zeiten der Präsidentschaft von Barack Obama zu vertreiben.  

Den Sieg von Obama hätten in Polen große Emotionen begleitet, die sehr ähnlich zu denen gegenüber Biden gewesen seien. Es habe sich jedoch schnell erwiesen, dass der demokratische Präsident in seiner Strategie nur in geringem Maße an Europa interessiert sei. Und an Mitteleuropa fast gar nicht.

Die Kulmination sei die Bekanntgabe der Entscheidung über den Verzicht auf das Raketenschutzschild in Polen am 17. September 2009 gewesen, am runden 70. Jahrestag der sowjetischen Aggression auf Polen. Es sei ein dramatisches diplomatisches Fauxpas gewesen, das gezeigt habe, wie wenig Wert die damalige Administration auf Beziehungen zu Polen gelegt habe. Der Unterschied zu heute liege vor allem darin, dass die Welt heute, zu unserem Unglück, deutlich weniger stabil sei, als vor 12 Jahren, so Łukasz Warzecha in Do Rzeczy. 

Newsweek: Wir werden Lukaschenka nicht in Ruhe lassen

Er erhalte hunderte von Drohnachrichten, erzählt im Interview für die linksliberale Wochenzeitung Newsweek der Mitbegründer des oppositionellen belarussischen Informationskanals Nexta, Sciapan Puciła. Unter den Nachrichten, so der Aktivist, der den Kanal mit dem neulich vom Regime festgenommenen Reporter Raman Pratassewitsch aufgebaut hatte, seien auch solche, in denen es heiße, dass eine Entführung nach Belarus nicht notwendig ist, da er und seine Kollegen in Polen erschossen werden, beziehungsweise das Büro von Nexta in die Luft gesprengt wird. Vor dem Hintergrund der aktuellen Repressionen in Belarus, so Puciła, klinge das sehr bedrohlich. Menschen würden 7 Jahre Haft für Kleinigkeiten erhalten. Vergangene Woche sei in einem Arbeitslager der politische Häftling Witold Aszurak gestorben, der laut der Opposition zu Tode gefoltert worden sei. Vor Kurzem hätte die Regierung das größte unabhängige Informationsportal Tut.By samt Archiv auf dem Server blockiert. Ein Informant, der Nexta ein Dokument überreicht habe, laut dem das Militär zur Niederschlagung von Protesten genutzt werden sollte, sei zu 18 Jahren Haft verurteilt worden. Die aktuellen Repressionen, so Puciła, könne man zu stalinistischen Zeiten vergleichen, nur das weniger geschossen werde. Er fürchte, dass es noch schlimmer kommen werde, da das Regime am Ende sei und daher keine Hemmungen bei der Unterdrückung der Proteste habe. Lukaschenka wisse, dass er sowieso nicht mit dem Westen werde verhandeln müssen und habe daher freie Hand. Er könne Menschen einschließen und ermorden. Die Intensität der Aggression sei absurd, aber das Schlimmste sei, dass dies die Menschen nicht mehr wundere. Die Senkung der Sensibilität für die Repressionen in der Gesellschaft sei ein Erfolg des Regimes. 

Wenn es um die Entführung des Flugzeugs gehe, habe er mit Pratassewitsch sogar darüber gesprochen, dass man besser Flüge über Belarus nicht riskieren sollte. Leider habe Pratassewitsch dies entweder vergessen oder die genaue Flugroute des Ryan-Air-Flugs nicht überprüft. Vor nicht allzu langer Zeit habe die gleiche Route Swiatlana Tichanowskaja genutzt. Vermutlich habe jemand Lukaschenka darüber informiert und der habe die Entführung des nächsten Flugzeugs befohlen, in dem ein Regimefeind sitzen werde. 

Doch Nexta werde seine Mission nicht aufgeben. Vor nicht allzu langer Zeit habe  Lukaschenka ein Film des Kanals über die 18 Häuser des Diktators und dessen Privatsauna verärgert, der 6,5 Millionen Mal gesehen wurde. Nun sei ein Dokumentarstreifen über Schmuggel in Vorbereitung, der beweisen werde, dass die Einnahmen direkt in die Tasche des Regimes fließen. Der Kanal habe Dokumente und Zeugenaussagen darüber, dass das Regime illegale Geschäfte betreibe. 

In Bezug auf die Sanktionen gegenüber Lukaschenka, würde er sich drastische Schritte wünschen, wie etwa die Blockade des globalen Abrechnungssystems SWIFT in Belarus. Das würde auch die Bürger treffen, doch laut Umfragen, seien die Menschen für solche Opfer bereit. Das Regime sollte diplomatisch, wirtschaftlich und finanziell isoliert werden. Der Westen sollte eine null-Kontakt-Politik einführen. Aber die Schließung des Luftraums sei ein guter Anfang. Zudem wäre es gut die Asylprozeduren für Belarussen zu vereinfachen. Sein eigener Antrag sei etwa ein Jahr bearbeitet worden, so Sciapan Puciła in Newsweek.

Autor: Adam de Nisau