Deutsche Redaktion

"Schlag gegen die Mittelschicht"

27.07.2021 10:26
Ein wichtiges Thema in den heutigen Pressekommentaren ist das gestern von der Regierung präsentierte Projekt einer breitangelegten Steuerreform. Außerdem geht es auch um die Auswirkungen von NS2 auf die Gaspreise in Mittel- und Osteuropa.
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Ein wichtiges Thema in den heutigen Pressekommentaren ist das gestern von der Regierung präsentierte Projekt einer breitangelegten Steuerreform. Wie Finanzminister Tadeusz Kościński betont, werden von den neuen Regeln 18 Millionen Steuerzahler profitieren. Insgesamt sollen über 8 Milliarden PLN jährlich in den Taschen der Bürger bleiben. 

Rzeczpospolita: Schlag gegen die Mittelschicht

Das stimme auch, schreibt dazu in ihrem heutigen Aufmacher die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Doch die Reform werde auf Kosten der Besserverdiener stattfinden. Die Verluste, lesen wir, würden ab einem Gehalt von 12,8 Tausend PLN Brutto (etwa 3 Tausend Euro) beginnen. “Man kann das als Strafe für zu hohe Einnahmen bezeichnen”, so Anna Misiak, Partnerin in der Steuerberatungsfirma MDDP. “Am meisten werden Unternehmer verlieren. Besonders schmerzhaft werden die Änderungen in der Gesundheitsbeilage und die fehlende steuerfreie Quote im Falle der Liniensteuer sein”, fügt Grzegorz Grochowina von KPMG Polen hinzu. “Die Regierung deklariert eigentlich Unterstützung für diejenigen, die Teil der Mittelschicht werden wollen und hebt ihnen gleichzeitig die Steuern an. Wie appellieren um einen Rückzug aus diesen schädlichen Vorschlägen, die gegen die beruflich aktivsten und am stärksten in die Entwicklung der Wirtschaft engagierten gerichtet sind”, sagt Przemysław Pruszyński von der Arbeitgeberkonföderation Lewiatan. 

Wie der Publizist Piotr Skwirowski in seiner Stellungnahme zum Thema beobachtet, hatte die Regierung angekündigt, einen roten Teppich vor den Unternehmern ausrollen zu wollen. Denn von dieser Gruppe und ihrer Motivation zum Handeln, hänge ab, wie schnell die polnische Wirtschaft sich aus der durch die Pandemie hervorgerufenen Krise hievt. Alles leere Worte. Denn zu den größten von Unternehmern genannten Hindernissen, würden seit Jahren fehlende Stabilität und komplizierte Steuervorschriften gehören. Die Regierung scheine das nicht zu interessieren. Sie fundiere ihnen Chaos, Instabilität und eine weitere Komplizierung der Vorschriften. Boshaftigkeit? Wenn nicht, was sonst, fragt Piotr Skwirowski in der Rzeczpospolita. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Revolution am Koalitionspartner vorbei

Premierminister Mateusz Morawiecki hat sich entschieden, die Reform, die zu den Flaggschiffprojekten des Programms Polnische Ordnung gehört, der Öffentlichkeit zu präsentieren, obwohl sich die Koalitionspartei von Vizepremier Jarosław Gowin “Porozumienie” ihr weiterhin widersetzt, schreibt in der heutigen Ausgabe das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Die Gruppierung, lesen wir, kritisiere die neuen Belastungen für die Besserverdienenden, habe ihre Korrekturvorschläge aber noch nicht eingebracht. Dies werde während der Regierungskonsultationen geschehen, sagt im Gespräch mit dem Blatt ein Politiker der Partei. In der Praxis bedeute dies, dass die PiS immer noch keine Sicherheit habe, ob sie für eines ihrer wichtigsten Gesetzesprojekte eine parlamentarische Mehrheit finden werde. Wenn die PiS Vizepremier Gowin nicht zu der Reform werde überzeugen können, könne die Verabschiedung des Gesetzes von den Abgeordneten der Linken abhängen, schreibt Dziennik Gazeta Prawna. 

 

Dziennik/Gazeta Prawna: NS2 - Mittel- und Osteuropa zahlen für Preissenkungen für den Westen

Und noch ein Kommentar zu Nord Stream 2. Einer der Nebeneffekte der Inbetriebnahme der umstrittenen Pipeline können höhere Gaspreise in Mittel- und Osteuropa sein, berichtet ebenfalls das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna unter Berufung auf Analysen des Brüsseler Think Tanks Bruegel. Die Umleitung des russischen Gases, lesen wir, werde unter anderem Verluste für Tschechien und die Slowakei bedeuten. Der Effekt von NS2 werde aber auch vor Polen nicht Halt machen. Denn obwohl Polen inzwischen auch andere Möglichkeiten habe und nicht mehr so von Gazprom-Lieferungen abhängig sei, wie früher, setze das Land dennoch weiterhin auf Gas als Übergangs-Kraftstoff. Und Preisanstiege würden dem Land nicht dienlich sein. Zudem könne der russische Konzern die neue Pipeline künftig auch für den Transport von Wasserstoff nutzen, wodurch Gazprom die Lieferungen eines weiteren Rohstoffs an Europa werde dominieren können, der für die Energiewende notwendig sei, so Dziennik/Gazeta Prawna. 

 

Autor: Adam de Nisau