Deutsche Redaktion

Deutschland vor der Wahl

24.09.2021 15:07
Auch in Polen werden der deutsche Wahlkampf und die bervorstehende Wahl mit Interesse verfolgt. 
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RZECZPOSPOLITA: Wen uns die Deutschen wählen werden?

Am Sonntag finde die wichtigste Wahl in der Europäischen Union in dieser Saison statt, schreibt in seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita der Publizist Jerzy Haszczyński. Er, so der Autor, gehe davon aus, dass der Ausgang der Wahl keineswegs eine negative Tendenz für die beiderseitigen Kontakte zwischen Warschau und Berlin nach sich ziehen müsse. Bislang sei nur eines klar: nach 16 Jahren gehe Angela Merkel auf politische Rente. Nun seien der Ungar Viktor Orban und der Niederländer Mark Rutte Politiker mit der längsten Erfahrung an der Regierungsspitze in der EU. Beide seien übrigens wie Feuer und Wasser, stellt der Publizist fest.

Die Tatsache, dass Angela Merkel als deutsche Regierungschefin einen enormen Einfluss auf die europäische Politik ausgeübt habe, müsse nicht bedeuten, dass nach dem Ende ihrer Ära die Situation nur schlechter werden könne. Geht es nach Haszczyński, beziehe sich diese These sowohl auf die politische Lage in der Bundesrepublik, als auch auf die Situation in der EU. In jedem Mitgliedsstaat betrachte man die Situation aber ganz anders. In Polen würde man immer wieder wiederholen, dass Merkel die propolnischste Kanzlerin überhaupt gewesen sei. Aber gerade sie habe doch die Fertigstellung der Ostseepipeline Nord-Stream-2 gebilligt. Die Deutschen selbst befürchten, dass die Rolle ihres Landes auf der internationalen Arena geringer werden könnte. Viele würde eine solche Tendenz zwar freuen, doch eine andere reale Alternative, als die EU mit einer klaren Führung Berlins gebe es bislang nicht.

Dennoch sei die Unsicherheit der deutschen Wähler für viele ein Novum, schreibt der Publizist weiter. Es handle sich doch um ein wichtiges, einflussreiches Land, dessen Image noch von Produkten Made in Germany weltweit gestärkt werde. Aber die Wählerschaft scheine ihre Orientierung verloren zu haben. Binnen nur weniger Monate, hätten Kandidaten drei verschiedener Parteien den ersten Platz in den Meinungsumfragen erobert. Die letzten Tendenzen würden die Sozialdemokraten vorne zeigen.

Der aktuelle Vizekanzler Olaf Scholz von der SPD sei derart zentristisch, dass er genauso gut Mitglied der CDU hätte sein können. Vieles deute auf eine Koalition von drei Gruppierungen hin. Seiner Ansicht nach, werde es in der Bundesrepublik eine Ampel-Koalition geben: rot-gelb-grün, schreibt der Publizist. Eine solche Mischung würde bedeuten, dass es zu einer Beschleunigung der wirtschaftlichen Entwicklung auf Kosten der gesellschaftlichen Stabilität nicht kommen werde. Was all dies wiederum für die Europapolitik bedeuten würde sei unklar. In den letzten Debatten der Kanzlerkandidaten, habe es an außenpolitischen Themen gemangelt. Die Deutschen seien momentan mit sich selbst beschäftigt, schreibt Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita.

 

GAZETA POLSKA CODZIENNIE: Rechtsruck sehr wahrscheinlich  

In einem Gespräch mit der Tageszeitung Gazeta Polska Codziennie prophezeit der Journalist und Berliner Korrespondent des öffentlich-rechtlichen Fernsehens TVP, Cezary Gmyz einen Rechstruck in der deutschen Politik. Er glaube, dass sich trotz der guten Umfragewerten der SPD und der Grünen die Politik in der Bunderepublik sowieso nach rechts verschieben werde. Der Besitzstand der konservativen Parteien habe sich in den letzten Jahren in Deutschland nicht verändert. Die CDU habe zwar einen Teil ihrer Wählerschaft verloren, die das immer linkere Programm nicht akzeptieren wollte und die AfD oder FDP gewählt habe. Man sehe aber genau, dass diese Gruppierungen die Hälfte der christdemokratischen Wähler übernommen hätten.

In Deutschland sehe man eine immer größere Gruppe von Menschen, die mit der allgemeinherrschenden politischen Korrektheit nicht viel anfangen könnten. Auch aus diesem Grund könnte es in der Bundesrepublik zu einer Neuorientierung nach rechts kommen. Besonders wenn die CDU die Wahl verlieren würde. Man werde dann wohl einer Rückkehr zu den ideologischen Wurzeln, also zum ausgeprägtem Konservatismus fordern. Diese konservative Tendenz sei übrigens jetzt schon zu verzeichnen. Die letzte Wahl im Rahmen der Partei habe sie vergegenwärtigt, sagt Cezary Gmyz im Gespräch mit dem Blatt Gazeta Polska Codziennie.

 

GAZETA WYBORCZA: Wohnungsbau in Warschau boomt

Die Wohnungspreise in Warschau würden weitere Rekordwerte erreichen, berichtet die Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Neue Wohnungen würden sich im nu verkaufen. Im ersten Halbjahr hätten private Investoren einen Verkaufsanstieg von über 30 Prozent mit der zweiten Jahreshälfte 2020 verzeichnet. Der Durchschnittspreis betrage umgerechnet 3 Tausend Euro pro Quadratmeter. Dabei seien einige Experten davon ausgegangen, dass die Wohnungspreise in Pandemiezeiten sinken würden. Zu verzeichnen sei ein entgegengesetzter Trend. Momentan habe man mit einer umgekehrten Tendenz im Vergleich zu den Jahren 2007-2017 zu tun. Damals seien die Löhne deutlich schneller als die Wohnungspreise gestiegen. Heute sei ein ähnlicher Trend unvorstellbar.

In den kommenden Jahren werde sich die Situation auf dem Immobilienmarkt in der polnischen Hauptstadt übrigens nicht verändern. In Warschau werde es immer mehr Menschen geben. In den kommenden 20 Jahren sollen, laut Schätzungen, weitere 250 Tausend Menschen zuziehen, lesen wir in Gazeta Wyborcza.

Jakub Kukla