Deutsche Redaktion

Regierung auf vierter Welle

22.10.2021 13:16
Die Publizisten beobachten mit Besorgnis die rapide steigenden Infektionszahlen und die zurückhaltende Haltung der Regierung. Außerdem geht es auch um die neusten Entwicklungen im Streit zwischen Warschau und Brüssel um die Rechtsstaatlichkeit.
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zdjęcie ilustracyjneAlexandros Michailidis/ Shutterstock

Rzeczpospolita: Regierung auf vierter Welle

Ein für die Wirtschaft fataler weiterer Lockdown wäre laut Experten nicht notwendig - wenn Covid-Zertifikate eingeführt werden. Doch die Regierung nimmt ein solches Szenario nicht in Betracht, berichtet vor dem Hintergrund der rapide ansteigenden Infektionszahlen in Polen die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Wie die Zeitung erinnert, ist die Zahl der Neuinfektionen am Donnerstag mit 5592 um 85% höher gewesen, als vor einer Woche. Und am Mittwoch sogar um 110% höher als am Mittwoch zuvor. “Die Menschen wollen sich nicht testen lassen. Ich denke, dass die tatsächliche Zahl der Infizierten sechs bis sieben Mal höher ist”, sagt der Experte der Obersten Ärztekammer dr Paweł Grzesiowski. Experten, so die Zeitung, seien von den fehlenden Maßnahmen von Seiten der Regierung überrascht. 

Und es gehe hier nicht um einen harten Lockdown, sondern um eine Strategie, wie sie etwa Frankreich oder Spanien gewählt haben, also die maximale Nutzung dessen, was Impfungen und Impfzertifikate ermöglichen. In diesen Ländern könne man weder Restaurants noch Kinos oder andere Kultureinrichtungen ohne ein solches Zertifikat besuchen, erklärt der Chef des Polnischen Epidemiologen-Verbands Prof. Robert Flisiak. Laut inoffziellen Quellen, wolle die Regierung Entscheidungen über eine eventuelle erweiterte Nutzung von Zertifikaten erst im November treffen und sich zunächst auf die Kontrolle und Durchsetzung der bisherigen Regeln konzentrieren. Zudem sei die Regierung überzeugt, dass sich die Polen an solche strikten Regelungen, wie die in Frankreich nicht halten würden. “Das würde nach hinten losgehen”, so ein Politiker aus dem Regierungsumfeld im Gespräch mit der Rzeczpospolita..  

 

Gazeta Wyborcza: Polen gegen das Coronavirus

Auch die linksliberale Gazeta Wyborcza macht die heutige Ausgabe mit einem Kommentar zu den steigenden Infektionszahlen auf. Die lettische Regierung, erinnert in dem Artikel der Publizist Bartosz Wieliński, habe inzwischen eine Polizeistunde von 20 Uhr bis 5 Uhr morgens eingeführt. Schulen, Geschäfte und Restaurants seien geschlossen worden und der ganze Staat, Schlüsselsektoren ausgenommen, werde auf Fernarbeit umschalten. Auch Geimpfte müssten sich an die neuen Regeln halten. Die Slowakei habe in den nördlichen Regionen, an der Grenze zu Polen, einen Lockdown eingeführt. Die Regierung PiS führe indes keine Einschränkungen ein. Die Passivität in Bezug auf die Pandemie und die stockende Impfkampagne (nur 52% der Polen haben zwei Impfungen erhalten) sei wohl von der Angst der Regierung vor dem Machtverlust diktiert. Besonders, da Regierungschef Morawiecki schon mehrmals den Sieg über das Virus verkündet habe, so Bartosz Wieliński in der Gazeta Wyborcza. 

 

Gazeta Polska Codziennie: Wir können auch ohne EU-Mittel auskommen

Polen könne auch ohne EU-Gelder auskommen, schreibt in ihrer heutigen Ausgabe, vor dem Hintergrund der neuesten Resolution des Europäischen Parlaments zu Polen, die nationalkonservative Gazeta Polska Codziennie. Gehe es nach Vize-Kulturminister Jarosław Sellin, lesen wir im Aufmacher, sei die Situation des Staatshaushalts so gut, dass Polen auch ohne EU-Fonds zurechtkommen würde. Verzichten werde die Regierung auf die Mittel jedoch nicht, denn sie würden uns zustehen, so Sellin. Auch Finanzminister Tadeusz Kościński bestätige die gute Situation des Budgets. Das Defizit werde im kommenden Jahr 3 Prozent nicht übersteigen, zitiert das Blatt den Minister. 

Und Chefredakteur Tomasz Sakiewicz ruft in seinem Autorenkommentar zu einer verstärkten Informationskampagne über Polen in der EU auf. Denn die aktuelle Diskussion sei zu einem Instrument in den Händen von Lobbyisten und radikalen Ideologen geworden, so Tomasz Sakiewicz.

Autor: Adam de Nisau