Deutsche Redaktion

Rzeczpospolita: Macron lässt sich auf das Spiel mit Polen ein

28.10.2021 11:38
Mit dem Ausscheiden von Angela Merkel aus der Politik, sei Macron der wichtigste Politiker der EU geworden. Die polnische Regierung, die sogar zusammenbrechen könnte, falls der Konflikt mit Brüssel über die Rechtsstaatlichkeit außer Kontrolle geraten würde, könne einen solchen Verbündeten nicht ignorieren, meint die Rzeczpospolita.  
Andrzej Duda i Emmanuel Macron
Andrzej Duda i Emmanuel MacronJakub Szymczuk/KPRP

Rzeczpospolita: Macron lässt sich auf das Spiel mit Polen ein

Am Mittwoch war Andrzej Duda im Elysée-Palast mit einem Staatsbesuch, um ein persönliches Gespräch mit dem französischen Präsidenten zu führen. Es war das zweite Treffen Macrons mit einem Vertreter der polnischen Regierung innerhalb einer Woche, bemerkt die Rzeczpospolita: Am Donnerstag habe er nämlich in Brüssel mit Polens Regierungschef gesprochen. Mit dem Ausscheiden von Angela Merkel aus der Politik, sei Macron der wichtigste Politiker der EU geworden. Die polnische Regierung, die sogar zusammenbrechen könnte, falls der Konflikt mit Brüssel über die Rechtsstaatlichkeit außer Kontrolle geraten würde, könne einen solchen Verbündeten nicht ignorieren. Aber auch für Macron habe der Wahlkampf für die französischen Präsidentschaftswahlen im April eine unerwartete Wendung genommen. Nahezu alle seine Gegner sollen den Kampf Polens, um den Vorrang der eigenen Verfassung vor dem europäischen Recht, unterstützen.

Macron, heißt es weiter, habe seinen Sieg im Mai 2017 fälschlicherweise als Befürwortung des Aufbaus einer föderalen Union interpretiert. Dies aber, überzeugt das Blatt, sei nicht der Fall. Die Franzosen hätten ihn gewählt, weil sie Marine Le Pen nicht wollten. Aber eine tiefere Integration wolle keiner. Und genau das, folgert die Tageszeitung, habe sich während der Krise mit Polen gezeigt. Um seine Wähler nicht zu verärgern, habe der französische Präsident, der den Erfolg der EU-Integration zum Hauptmotiv seiner Wahlkampagne gemacht habe, deshalb ein persönliches Interesse daran, den Streit zwischen Polen und der EU zu entschärfen. Macron soll von Polen in dieser Angelegenheit sehr konkrete Maßnahmen fordern, darunter die Abschaffung der Disziplinarkammer. Die Frage der Auslegung des Urteils des Verfassungsgerichts über den Vorrang der Verfassung vor dem EU-Recht hingegen, solle dann in juristischen Beratungen zwischen Warschau und Brüssel stecken bleiben.

Gemeinsame Interessen mit Polen, fährt das Blatt fort, beträfen auch die Frage der Einwanderung, die den Ausgang der Präsidentschaftswahlen an der Seine bestimmen könnte. Macron weise darauf hin, dass der Grenzschutz die nationale Souveränität mit der Achtung des Rechts auf Asyl vereinen müsse. Darüber hinaus, schreibt Rzeczpospolita, betone Macron, dass Brüssel zwar keine "Mauer" an der polnischen Grenze finanzieren sollte, wie es die polnische Regierung wünsche, so kritisiere er die Idee selbst nicht. Er wolle auch, dass sich die EU dafür einsetze, dass die Länder, aus denen Migranten in Weißrussland ankommen, diesen Verkehr einstellen.

Ein Katalysator für die polnisch-französische Annäherung, erinnert die Tageszeitung, sei auch das Interesse Polens am Bau von französischen Kernkraftwerken bei sich. Die Abkühlung der Beziehungen zu Washington nach dem Amtsantritt von Joe Biden habe zwar dazu geführt, dass die Franzosen beim Verkauf von Rüstungsgütern zwar immer noch keinen Spielraum in Polen hätten, aber in Sachen Energie wolle Warschau jetzt eine größere Diversifizierung. Es gehe auch um das Spiel zwischen Deutschland und Frankreich um die Zukunft der Kernenergie in der EU: Das Abkommen mit Polen könnte das Gleichgewicht zu Gunsten von Paris verschieben. 


Dziennik Gazeta/Prawna: Emmanuel-Macrons Polen-Problem 

Die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna befasst sich am Donnerstag ebenfalls mit den polnisch-französischen Annäherungsversuchen. Der französische Präsident, lesen wir, habe seinen Gegnern von der Rechten im Wahlkampf viele Argumente weggenommen. Er habe seine Position in Migrationsfragen gestärkt, seinen Kampf gegen den „islamischen Separatismus" und der organisierten Kriminalität und Drogendealern den Krieg erklärt. Der polnische Streit um den Vorrang des EU-Rechts liefere ihnen jedoch neuen Zündstoff.

Macron, der föderalistische Parolen proklamiere, habe es schwer, sich in der von seinen Rivalen angeheizten Debatte wiederzufinden. Viele Präsidentschaftskandidaten sollen sich dafür aussprechen, nach dem Vorbild des polnischen Verfassungsgerichts, den Vorrang des französischen Rechts vor dem EU-Recht zu sichern. Macron aber, bemerkt das Blatt, habe vermieden auf dem EU-Gipfel in der vergangenen Woche über das polnische Urteil zu sprechen.

Der Besuch von Präsident Andrzej Duda in Paris, heißt es, sei deshalb eine Gelegenheit einen gemeinsamen Ausweg aus dieser Sackgasse zu finden. Darüber hinaus sei der Besuch eine Fortsetzung des im Juli eingeleiteten polnisch-französischen Resets. Damals habe Warschau den französischen Anti-Terror-Operationen in Afrika militärische Unterstützung angeboten. Dort sollen nämlich nicht nur Rebellen und Dschihadisten gegen Frankreich agieren, sondern auch Russland, das genau wie im ukrainischen Donbass, private Militärfirmen einsetzt.

Gleichzeitig, fährt das Blatt fort, nachdem Australien den Kauf von französischen U-Booten abgebrochen hat, wolle Polen Paris eine Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit anbieten. Im Juli habe das französische Energieunternehmen EDF ihr Büro in Warschau eröffnet, obwohl die Zusammenarbeit mit den Amerikanern in diesem Bereich bereits weit fortgeschritten sei. Quellen in der Regierung sollen argumentieren, dass Polen die Diversifizierung der Nukleartechnologieanbieter und deren teilweise Europäisierung erwäge.

In Europa, so das Blatt, stehe derzeit nämlich das Schicksal des Atoms als grüne Energie auf dem Spiel. Es gehe um die weltweit erste Gesetzgebung, die angibt, welche Investitionen als sauber gelten sollen. Frankreich und Polen sowie mehrere andere Mitgliedstaaten, schreibt das Blatt am Schluss, wollen, dass die Europäische Kommission dieses Problem schnell zugunsten der Kernenergie löse, was ihre Finanzierung erleichtern würde. 


DoRzeczy: Eine gute Zeit fürs Geschäft 

Der EU-Abgeordnete der Regierungspartei PiS, Prof. Ryszard Legutko, hat den Streit zwischen Warschau und Brüssel für das rechts-konservative Wochenblatt DoRzeczy ebenfalls kommentiert und auf die Chancen einer Annäherung zwischen Warschau und Paris hingewiesen.

Jede EU-Debatte zur Rechtsstaatlichkeit in Polen bewerte der Politiker als antipolnisch. Darüber hinaus, glaubt Legutko, versuche die EU-Führung, die Lage in Polen, aber auch in Ungarn, zu destabilisieren.

Legutko nach, führe die in EU-Institutionen verankerte europäische Linke einen immer brutaleren „kalten Krieg" gegen konservative Regierungen in Europa, was ein relativ neues Phänomen sei. Der PiS-Abgeordnete mache gleichzeitig darauf aufmerksam, dass es in den letzten Wochen weniger als üblich Kritik seitens der französischen Regierung gegeben habe. Dies sei, nach seiner Einschätzung, unter anderem im Zusammenhang mit der wachsenden anti-föderalen Stimmung des Landes und den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen verbunden.

Legutko bemerke, dass im Streit zwischen Brüssel und Polen über den Vorrang der Verfassung vor dem EU-Recht die französische Opposition eindeutig auf Polens Seite stehe. Deshalb stehe Macron unter Druck und es sei eine gute Zeit, um Frankreich zu besuchen und mit ihm Geschäfte zu machen.

Gemeinsame wirtschaftliche Interessen, so der Politiker, würden beide Länder auch politisch näher bringen. Es sei wichtig, lesen wir, große Akteure entweder auf seiner Seite oder zumindest nicht gegen sich zu haben. Mit Frankreich sei das jetzt möglich.

Deutschland auf der anderen Seite, überzeugt Legutko, sei schon immer ein schwieriger Partner gewesen. Deutschlands Politik basiere zudem seit langer Zeit darauf, das Leben anderer Gesellschaften zu organisieren.

Deutsche Medien, fährt der Akademiker fort, seien auch radikal anti-polnisch. Nachrichten über Polen seien keine objektiven Berichte, sondern eine Art Anti-Regierungs-Manifest, lesen wir.

Der Professor betont abschließend, dass es auf politischer Seite zwar einige Anzeichen für eine Aufweichung dieses Kurses gebe, zum Beispiel durch Angela Merkel. Es sei allerdings schade, dass es erst jetzt und nicht, als sie im Kanzleramt an der Macht war, passiere.


Piotr Siemiński


Le Pen unterstützt Polens Premierminister in Streit mit EU

28.10.2021 11:16
Die französische Politikerin Marine Le Pen hat Polen im Streit mit der Europäischen Union um Rechtsstaatlichkeit den Rücken gestärkt.