Deutsche Redaktion

"Sieg der Impfgegner"

17.01.2022 13:18
Am Freitag sind 13 von 17 Mitgliedern des Medizinischen Rats zurückgetreten, der die Regierung im Kampf gegen die Pandemie unterstützen sollte. Die Pressekommentare im Überblick.
Trzynaście osób zrezygnowało z członkostwa w Radzie Medycznej
Trzynaście osób zrezygnowało z członkostwa w Radzie MedycznejKrystian Maj/KPRM

Dziennik/Gazeta Prawna: Wir wollen weitere Todesfälle nicht autorisieren

Am Freitag sind 13 von 17 Mitgliedern des Medizinischen Rats zurückgetreten, der die Regierung im Kampf gegen die Pandemie unterstützen sollte. “Wir wollen keine weiteren Todesfälle mehr autorisieren” - diese Begründung für den Rücktritt haben einige der Experten in inoffiziellen Gesprächen angeführt, schreibt in seiner heutigen Ausgabe das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Auch die Skala der Manipulation in Bezug auf den Kampf gegen die Pandemie von Seiten der Regierung, so ein weiterer Vorwurf, sei zu hoch gewesen. Für viele, so das Blatt, seien vor allem die fehlenden Schutzmaßnahmen in der vierten Welle der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. “Sie haben unsere Prognosen gekannt, schon seit den Sommerferien haben wir gewusst, was in der vierten Welle passieren wird. Und trotzdem ist nichts unternommen worden”, so einer der Experten. Zudem hätten sich Premierminister Morawiecki und PiS-Chef Kaczyński neulich mit den zu der Regierungspartei gehörenden Impfgegnern zu Gesprächen getroffen und die Demission einer Leiterin der Schulaufsichtsbehörde in Kleinpolen abgelehnt, die eventuelle Pflichtimpfungen unter Lehrern als Experiment bezeichnet habe, dessen Ausgang wir nicht kennen würden. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge, könne es während des Gipfels der fünften Welle zwischen Ende Januar und Mitte Februar sogar zu 200 Tausend Neuinfektionen und 500 bis 2,5 Tausend Todesfällen täglich kommen, so Dziennik/Gazeta Prawna. 

Rzeczpospolita: Sieg der Impfgegner

Der Rücktritt der Mehrheit des Rates ist de facto ein Sieg der Impfgegner, schreibt in seinem Kommentar für die Rzeczpospolita der Publizist Tomasz Krzyżak. Es, so der Autor, seien schließlich Politiker, die offen mit diesen Bewegungen sympathisieren, die der Regierungspartei heute die parlamentarische Mehrheit garantieren würden. Wenn man auf die Impf-Fortschritte schaue, so der Autor, dann sei deutlich zu sehen, dass die Impfungen am schlechtesten dort laufen, wo die hartgesottenen PiS-Wähler dominieren. Dies führe zu dem traurigen Schluss, dass die Sicherheit der Mehrheit der Polen eine Geisel der Meinungsumfragen der PiS und der parlamentarischen Arithmetik ist. Es sei nicht wichtig, dass morgen einige hundert Menschen an Covid-19 sterben und weitere hunderttausende sich anstecken werden - im Sejm müsse es stimmen und Basta, so Tomasz Krzyżak in der Rzeczpospolita.

Gazeta Polska: Menschenleben retten

In der nationalkonservativen Gazeta Polska Codziennie zeigt sich auch die Publizistin und PiS-Abgeordnete Joanna Lichocka besorgt über die Rücktritte im Medizinischen Rat. Sie selbst habe an die Leiterin der kleinpolnischen Schulaufsicht appelliert, sich aus ihren impfskeptischen Aussagen eindeutig zurückzuziehen. Unterstützt von einem Teil der konservativen Abgeordneten und hunderten von impfskeptischen Trollen, die sich  als PiS-Wähler ausgeben, habe sie dies leider nicht getan. Sie, so Lichocka, sei eine Gegnerin der sogenannten Politik der Mitte, die einige ihrer Kollegen vertreten und die unter anderem in einer gewissen Toleranz gegenüber impfskeptischen Ansichten sowie einem Widerwillen gegen entschiedene Schritte in Bezug auf Impfungen und Impfpässe bestehe. Dort, wo entschieden gehandelt worden sei, sei die Zahl der Todesfälle weitaus geringer gewesen, beobachtet die Publizistin. Polen gehöre leider europaweit zu den Staaten mit der höchsten Todesrate. Daher sollte die Politik vor allem auf eines ausgerichtet sein - hart und eindeutig Menschenleben zu schützen. Ohne Toleranz gegenüber Dummheit, so Lichocka in der Gazeta Polska Codziennie.   

Autor: Adam de Nisau