Deutsche Redaktion

Schweden und Finnland nicht mehr neutral

16.05.2022 09:19
In der heutigen Presseschau blicken wir auf wichtige innenpolitische Kompromisse. Außerdem geht es um den baldigen Beitritt Finnlands und Schwedens zur Nato.
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TYGODNIK POWSZECHNY: Neuer Streit, vorhersehbares Finale 

Es habe große Spannungen in der Regierungskoalition gegeben, wie immer sei es aber den Politikern gelungen, einen Ausweg aus der Krise zu finden. Kein Wunder, schreibt in ihrem politischen Kommentar die Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny. Die Koalition müsse überdauern, denn ihr Zerfall würde einem politischen Selbstmord ähneln. Die Meinungsumfragen in den letzten Wochen sehen aus der Perspektive der Regierenden nicht allzu optimistisch aus. Einerseits trage der Krieg in der Ukraine zu einer Auslöschung der innenpolitischen Spannungen bei, zugleich hätten aber viele Wähler Bedenken, ob die Regierung mit den Folgen der Krise zurechtkommen werde. Die Zustimmungswerte für die regierende Koalition würden regulär auf 36 -37 Prozent kommen. Es sei relativ viel. Aber um weiter allein an der Macht zu bleiben, wäre es zu wenig. Und der einzige potenzielle Koalitionspartner – die erzkonservative Partei Konföderation – schneide in den jüngsten Umfragen sehr schlecht ab und schaffe nicht die 5-Prozent-Hürde. Eine andere Frage sei, ob eine solche Koalition überhaupt möglich wäre, wenn man bedenke, dass die Konföderation anti-ukrainisch eingestellt sei, und die Partei Recht und Gerechtigkeit den östlichen Nachbar Polens nach dem russischen Überfall sehr stark unterstütze.

Unter anderem aus diesem Grund könne sich die Kaczyński-Partei eine Scheidung vom Justizminister Zbigniew Ziobro und seiner kleinen Gruppierung nicht leisten. Ein Zerfall des Bündnisses würde für die PiS eine Minderheitsregierung und in Folge vorgezogene Wahlen bedeuten. Dies könne Kaczyński nicht riskieren, denn er könnte wichtige Prozentpunkte zugunsten des Justizministers verlieren. Auch Ziobro wolle aber diese Variante nicht in Praxis umsetzen, denn seine Partei würde höchstwahrscheinlich den Einzug ins neue Parlament allein nicht schaffen. Man habe sich deshalb auf die von der EU-Kommission geforderte Änderungen in der Reform des Justizwesens geeinigt. Der Justizminister werde im Gegenzug für die Auflösung der umstrittenen Disziplinarkammer einige Richter im Landesjustizrat ernennen dürfen und die Kommission könne ihre Vorbehalte zu Seite legen und die Gelder aus dem bislang blockierten Wiederaufbaufonds nach Warschau fließen lassen.

Dennoch deute vieles darauf hin, dass trotz der finanziellen Unterstützung aus Brüssel die Folgen der Krise für die polnischen Bürger immer spürbarer würden. Diese Situation werde wohl die Opposition, die sich in den Meinungsumfragen immer stärker präsentiere, auszunutzen versuchen. Den Wahlsieg könnten oppositionelle Gruppierungen aber nur vereint erzielen. Donald Tusk, Vorsitzender der größten oppositionellen Partei Bürgerplattform, verhalte sich momentan jedoch immer noch so, als ob er nicht verstehen würde, dass seine beste Zeit bereits vorbei sei, und dass er Kompromisse schließen müsse, wenn er die Macht in Polen noch einmal ergreifen möchte, lesen wir in Tygodnik Powszechny. 

RZECZPOSPOLITA: Schöner Sommer an der Ostsee 

Er habe darauf 30 Jahre lang gewartet – sagt der ehemalige Regierungschef Finnlands, nachdem der finnische Präsident Sauli Niinistö und die amtierende Ministerpräsidentin Sanna Marin sich für einen unverzüglichen Beitritt ihres Landes zur Nato ausgesprochen hätten, schreibt die Tageszeitung Rzeczpospolita. Auch Schwedens Regierung wolle nach Jahrzehnten der Neutralität diesen Schritt gehen. Beide Länder sollen in einem Schnellverfahren in das Bündnis aufgenommen werde. Man spreche von Monaten, und nicht wie bisher von jahrelangen Prozeduren. Es könnte sein, dass Finnland und Schweden noch vor dem Sommerende Mitglieder des Nordatlantikpaktes sein würden. Es wäre dann ein schöner Sommer an der Ostsee - das Meer wäre dann fast ausschließlich von Nato-Mitgliedsländern umrundet, freut sich das Blatt.

Wieso habe der ehemalige finnische Premierminister auf diesen Moment über drei Jahrzehnte warten müssen? Seine Landsleute hätte ihre Neutralität sehr hochgeschätzt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion habe man die eigene Neutralität als ungefährdet angesehen. Nur jeder fünfte Finne habe sich den Nato-Beitritt gewünscht. Nun würden diese Meinung drei von vier finnischen Bürgern vertreten. Der russische Angriff und die Drohungen, dass die Nato nicht nur die Ost- sondern auch die Norderweiterung nicht wagen solle, hätten eine umgekehrte Wirkung gebracht, als es sich Moskau wohl vorgestellt habe.

Der Nato-Beitritt der Skandinavier scheine nicht mehr zu bremsen zu sein. Auch wenn Putin dieser Entwicklung mit Sicherheit werde entgegenwirken wollen. Mitgliedsstaaten wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen und die USA hätten bereits offen ihre Unterstützung zugesagt.  Aus Sicht der NATO wäre ein Beitritt von Finnland und Schweden attraktiv. Beide Länder würden viel Erfahrung mitbringen, lesen wir in der Tageszeitung Rzeczpospolita. 

DO RZECZY: Rasche Reaktion aus Berlin 

Den angekündigten Beitritt der skandinavischen Länder Finnland und Schweden zur Nato kommentiert auch die Tageszeitung Do Rzeczy. Das Magazin stellt mit Zufriedenheit fest, dass in der Diskussion die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock schnell und eindeutig das Wort ergriffen habe. Sollten sich beide Länder für eine Mitgliedschaft entscheiden, sei ihr sehr wichtig, dass man in diesem besonderen, für diese Staaten wirklich historischen Moment keine Hängepartie erleben werde, sagte die Grünen-Politikerin. Deshalb habe die Bundesregierung alles dafür vorbereitet, einen sehr schnellen Ratifizierungsprozess zu machen. Den Beitritten müssten zunächst alle 30 NATO-Staaten zustimmen, dann müssen die Parlamente der Mitgliedsländer die Aufnahme ratifizieren. Die Regierung in Warschau spreche sich eindeutig für den Beitritt der Skandinavier aus, lesen wir in Do Rzeczy.

 

Jakub Kukla