Deutsche Redaktion

"Russland drängt Polen in Spaniens Umarmung"

28.07.2022 13:11
Die Regierungskonsultationen vom Mittwoch in Warschau zwischen Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki und Spaniens Pedro Sanchez seien kurz gewesen, hätten aber ausgereicht, um zu zeigen, wie sehr sich die Kräfteverhältnisse im vereinten Europa durch den Krieg in der Ukraine verändert haben, schreibt Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita.
Premierzy Polski i Hiszpanii
Premierzy Polski i HiszpaniiPAP/Andrzej Lange

Rzeczpospolita: Russland drängt Polen in Spaniens Umarmung 

Beide Länder hätten am Dienstag in Brüssel eng zusammengearbeitet, um eine von Deutschland vorangetriebene Verordnung, die darauf abzielte den Gasverbrauch in diesem Winter innerhalb der EU erheblich zu senken, zu verwässern. Spanien, das einen breiten Zugang zu Gas habe, einschließlich aus Algerien, wolle von Deutschland auch die Rolle eines Gashubs für Europa übernehmen. Polen wiederum, das seit Jahren versuche, sich von Lieferungen aus Russland unabhängig zu machen, wolle Berlins diesbezügliche Fehler nicht bezahlen, schreibt Bielecki. Die Spanier, heißt es weiter, hätten sich auch im Bausektor stark entwickelt und seien an einer Teilnahme am Bau des zentralen Mega-Flughafens in Polen interessiert. Beide Länder hatten außerdem ein Memorandum zur Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich geschlossen.

Geht es nach Bielecki stecke dahinter eine bedeutende Entwicklung in Spaniens Haltung zum Konflikt im Osten. Viertausend Kilometer: Die Distanz zwischen Madrid und Moskau sei zwar sehr groß, aber das Gefühl der Bedrohung durch Russland hole Madrid ohne Eile trotzdem ein. Die Last der Geschichte spiele ebenfalls eine Rolle. Amerika habe die Franco-Diktatur unterstützt und bei einem erheblichen Teil der Bevölkerung Misstrauen gegenüber der NATO und vielleicht eine gewisse Sympathie für Moskau hinterlassen, glaubt der Autor.

Dennoch sei Sanchez nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine vor fast einem halben Jahr einer der ersten Anführer gewesen, der Kiew mit Waffenlieferungen unterstützt habe, so das Blatt. Spanien habe als erstes 40 Panzer an die Ukrainer übergeben und das spanische Kontingent in Lettland, als zweit wichtigstes NATO-Mitglied in diesem Land nach Kanada, verstärkt. Madrid habe auch drei seiner Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer geschickt.

Auf die Frage, ob Spanien im Falle eines Angriffs auf Polen oder Litauen in den Krieg mit Russland ziehen sollte, schreibt der Autor abschließend in der Rzeczpospolita, sollen einer Umfrage nach 52 Prozent der befragten Spanier im Königreich positiv reagieren. 63 Prozent würden auch die Nato-Mitgliedschaft ihres Landes standhaft unterstützen. 

GPC: "Ringtausch" wäre starker Ausdruck der Solidarität mit Polen 

Das regierungsnahe Blatt Gazeta Polska Codziennie indes hat den CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter über den fehlgeschlagenen "Ringtausch" befragt. Geht es nach dem Politiker sei die Bundesregierung nicht bereit gewesen, mit der deutschen Rüstungsindustrie über einen möglichen Zeitraum für die Lieferung von Leopard 2 A7-Panzern nach Polen zu sprechen. Die Bundeswehr habe zwar keine große Anzahl solcher Panzer, so Kiesewetter, aber Polen sei näher an der Front als Deutschland. Deshalb wäre es ein starker Ausdruck der Solidarität mit dem Verbündeten, die besten Waffen zu schicken und nicht die älteren Modelle. Berlin habe dies allerdings nicht getan. Diese Situation habe zu Missverständnissen und Enttäuschungen geführt und gleichzeitig die weithin verstandene Arroganz Deutschlands hervorgehoben, gesteht der stellvertretende Vorsitzende des parlamentarischen Kontrollorgans und Mitglied des Auswärtigen Amtes.

Berlin habe letztendlich 20 Leoparden, also nur ein halbes Bataillon angeboten. Dies sei definitiv nicht genug, so der Abgeordnete. Sinnvoller wäre es, ein gesamtes Bataillon zu liefern, d.h. 55 Panzer. Die erste Enttäuschung somit, stellt Kiesewetter fest. Der Kanzler habe zu dem angeordnet, keine Marder und Leoparden in die Ukraine zu liefern. Dem Christdemokraten zufolge habe es anscheinend diesbezüglich Kommentare aus Russland gegeben. Beweise dafür gebe es allerdings nicht und er könne nur spekulieren. Es gebe keine Drohungen von Putin gegen Deutschland, soll Scholz zusätzlich argumentiert haben. Auf die Frage warum Deutschland die Ukraine dann nicht mit Mardern und Leoparden beliefere, soll der Kanzler geantwortet haben, dies würde eine schreckliche Eskalation bedeuten.

Sowohl die CDU/CSU als auch einige Mitglieder der Koalitionsregierung sollen sich stark bemühen, schwere Waffen in die Ukraine zu schicken. Man wolle, zumal der Ringtausch mit Polen gescheitert sei, heißt es, Waffen direkt in die Ukraine schicken. Der Einzige, der sich solchen Lösungen widersetze, bleibe also Bundeskanzler Scholz, stellt Kiesewetter fest. Der Kanzler müsse aber in der gegenwärtigen Situation grünes Licht für den Bundessicherheitsrat geben und Waffenlieferungen entweder durch die Rüstungsindustrie oder aus Mitteln der Bundeswehr, oder beider gleichzeitig, zulassen, überzeugt der hochrangige CDU-Politiker im Gespräch mit der GPC. 

Jersey City Times: Krieg in der Ukraine erinnert an Aktualität des Katyń-Denkmals 

Die amerikanische Tageszeitung New Jersey Times schreibt der heutige Krieg in der Ukraine erinnere jeden Tag daran, wie aktuell das einzigartige Denkmal für das Massaker von Katyń in der Stadt und seine brutale Geschichte bleibe.

Man bräuchte ein unsterbliches Denkmal als Protest gegen den totalen Krieg mit seiner ungezügelten Gewalt, der Verleugnung der Menschenwürde und Erinnerung daran. Das Denkmal zum Massaker von Katyń sei so wichtig, nicht nur um an Stalins Verbrechen in Polen zu erinnern, sondern auch als Warnung, dass solche Verbrechen gegen jeden möglich seien, "wenn die Regierungen unkontrollierte Macht, ideologische Blindheit und mangelnde moralische Zurückhaltung haben", betont die Autorin des Kommentars, Lucja Cannon.

Die jüngsten Kämpfe um historische Denkmäler in den USA, wie der Generäle des Bürgerkriegs oder Christoph Kolumbus, würden alle an die Bedeutung der Geschichte erinnern, heißt es weiter. Überraschend sei, dass außer dem Denkmal in Jersey City kein Mahnmal aus dem Zweiten Weltkrieg kritisiert worden sei.

Kommerzielle Interessen sollen das Katyń-Denkmal zerstören oder verdecken wollen, so die Autorin, weil sie das gewöhnliche Alltagsleben mehr wertschätzen. Währenddessen erinnere das Denkmal daran, dass das gewöhnliche Leben manchmal die Tugenden eines Kriegers erfordere, um seine Lebensweise zu verteidigen. Krieg zur Verteidigung der Freiheit bringe halt Verluste und Opfer, die von aufeinanderfolgenden Generationen geehrt werden, so Cannon. Sie glaube, dass das Denkmal deshalb heute doppelt relevant sei. Es symbolisiere eine Geschichte, die sich während des aktuellen Krieges in der Ukraine zu einem großen Teil wiederhole. Es stelle das Massaker von Katyń den heutigen russischen Gräueltaten gegenüber. Die Autorin bedauere gleichzeitig, dass die Westmächte bereits damals im Namen guter Beziehungen zum Kreml sowjetische Lügen über Katyń aufrechterhalten haben.

Auch heute sollen verschiedene Regierungen westlicher Länder, insbesondere Deutschland und Frankreich, und einflussreiche Personen zu normalen Business-as-usual-Beziehungen mit Russland zurückkehren wollen. Sie würden den Handels- und Energieaustausch aufrechterhalten, vor allem aber die alten geopolitischen Beziehungen, einschließlich der Einigung mit Russland auf Kosten seiner kleineren Nachbarn, anstreben, schreibt Lucja Cannon als Fazit in der Jersey City Times.


Piotr Siemiński