Deutsche Redaktion

"Rom wird nicht für Warschau sterben"

27.09.2022 09:34
Natürlich ist auch die Wahl in Italien ein wichtiges Thema in den Pressekommentaren. Außerdem geht es um beunruhigende Annahmen zur geplanten Übergewinnsteuer und Kontroversen rund um die heute eröffnete Baltic Pipe. 
Krzysztof Sobolewski: cieszymy się z wyniku wyborów we Włoszech i mamy nadzieję, że Meloni zostanie premierem.
Krzysztof Sobolewski: cieszymy się z wyniku wyborów we Włoszech i mamy nadzieję, że Meloni zostanie premierem.PAP/EPA/ETTORE FERRARI

Rzeczpospolita: Unmoralischer Vorschlag

Die von der Regierung angekündigte Übergewinnsteuer sollte eigentlich Unternehmen aus der Energiebranche zusätzlich besteuern, die von den astronomischen Gas- und Rohstoffpreisen profitiert haben. Nun wolle die Regierung von Morawiecki aber stattdessen offenbar, wie die gerade veröffentlichten Annahmen zur Steuer zeigen, alle großen Unternehmen mit über 250 Angestellten und über 50 Millionen Złoty Umsatz zur Kasse bitten, die in diesem Jahr mehr verdient haben, als ihr Profit im Durchschnitt in den Jahren 2018-2021 betrug, schreibt der Wirtschaftspublizist der konservativ-liberalen Rzeczpospolita, Krzysztof Adam Kowalczyk. Das, so der Autor, sei eine fatale Idee. 

Erstens sollte die Steuer ursprünglich nur einen Sektor betreffen, der besonders vom Krieg profitiert habe. Nun liege plötzlich der Vorschlag einer allumfassenden Steuer auf dem Tisch. Zweitens würde man mit einer solchen Lösung die großen Unternehmen de facto für ihre Effizienz bestrafen. Das also, was die Essenz des Unternehmertums ausmache. Es sei von der Einführung eines 50-prozentigen Steuersatzes für große Unternehmen die Rede. Heute betrage der Steuersatz für diese Unternehmen 19 Prozent und für kleine Unternehmen 9 Prozent. Es werde also eine Steuerskala entstehen, die kleine Unternehmen von einer weiteren Entwicklung abhalten werde. Zudem werde sie den Markt für Fusionen und Übernahmen sowie die zersplitterte Struktur von Firmen einfrieren, mit negativen Konsequenzen für die ganze Wirtschaft. Denn es seien vor allem die großen Spieler, die sich Innovationen und höhere Löhne leisten könnten. Drittens werde die als “einmalige Abgabe” eingeführte Steuer, wie so viele andere provisorische Lösungen, vermutlich für viele Jahre mit uns bleiben. Und ausländische Investoren zu einem Verzicht auf weitere große Fabriken an der Weichsel bewegen. Viertens könne überraschen, dass die Einnahmen aus der neuen Steuer gerade auch in Energieunternehmen fließen sollen, während in Großbritannien eben die Öl und Gas-Giganten das windfall tax zahlen müssen. Die EU-Kommission hatte dasselbe vorgeschlagen. Das die Kosten der Einfrierung der Energiekosten für Konsumenten die Unternehmen tragen sollen, die sowieso schon fünf Mal höhere Energiekosten zahlen müssen, sei ein unmoralischer Vorschlag, so Krzysztof Adam Kowalczyk in der Rzeczpospolita. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Baltic Pipe bis zur letzten Minute befüllt

Heute wird die Gaspipeline Baltic Pipe feierlich eröffnet. Vom 1. Oktober an wird Gas aus Dänemark nach Polen fließen, der Rohstoff aus Norwegen dann, mit Verspätung ab dem 8. Oktober. Die vollen technischen Möglichkeiten sollen schon im November erreicht werden. Für Kontroversen sorgt indes immer noch die Frage, ob die späte Buchung der Lieferungen ein Fehler gewesen sei. Und die Frage nach der Kapazität der Europipe II, an die die Baltic Pipe angeschlossen ist, lesen wir im Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Geht es nach dem Chef von WiseEuropa, Maciej Bukowski, hätte der Gasriese PGNiG die Lieferungen zeitgleich mit der Entscheidung über den Bau der Pipeline reservieren sollen. Dann wären die Preisbedingungen viel günstiger als heute, wenn Gas eine so gefragte Ressource sei. Er stimme mit solchen Thesen absolut nicht überein, meint indes ein Manager aus der Energiebranche, der anonym bleiben will. Eben eine solche Strategie habe die polnische Regierung zuvor bei Flüssiggas aus Katar angewendet. Und später wegen Verspätungen beim Bau des Flüssiggashafens enorme Mittel für ungenutzte Reservierungen zahlen müssen. Mit Reservierungen zu Beginn von großen Infrastrukturinvestitionen sei immer ein beträchtliches Finanzrisiko verbunden, so der Manager. Auch die Kapazität der Europipe II werde kein großes Problem sein, da Norwegen über drei Pipelines verfüge, um die Lieferungen bei vielen Bestellungen optimal umverteilen zu können, überzeugt indes der Betreiber der Baltic Pipe Gaz-System im Gespräch mit Dziennik/Gazeta Prawna. 

Gazeta Wyborcza: Rom wird nicht für Warschau sterben

Natürlich ist auch die Wahl in Italien ein wichtiges Thema in den Pressekommentaren. Eine Premierministerin aus einer Gruppierung, die auf dem Fundament eines post-faschistischen Konservatismus entstanden sei, werde eine unangenehme Neuheit in Europa sein, schreibt Tomasz Bielecki in der linksliberalen Gazeta Wyborcza. Gleichzeitig binde aber das System demokratischer Sicherungen in Italien (und die siegreiche Rechte habe nicht die notwendige Mehrheit für eine Verfassungsänderung), den Regierungschef viel stärker, als es zum Beispiel beim französischen Staatspräsidenten der Fall wäre. Die italienische Justiz habe sogar eine mehrjährige ständige Konfrontation mit Premierminister Berlusconi überstanden, der die Richter, die wegen Korruption gegen ihn ermittelten des Kommunismus bezichtigte. Zudem sei das Programm von Meloni und der ganzen Koalition nicht so konfrontativ gegenüber der EU, wie es etwa das Programm von Marine Le Pen gewesen sei. 

So kündige Meloni in Bezug auf die NATO etwa eine Verstärkung der Zusammenarbeit mit den USA an. Auf EU-Grund hätten die Frattelli d’Italia ebenfalls über Jahre hinweg versucht, ihre Gruppierung zu normalisieren, indem sie etwa klare Kritik an Putin übten. Heute stelle sich Meloni, eine einstige Verteidigerin des Annexions-Referendums auf der Krim, als überzeugte Verfechterin der Sanktionen und Waffenlieferungen an die Ukraine dar. Daher sehe es nicht danach aus, dass Rom sich in Sachen Russland als Bremser erweisen sollte. Der Ultrakonservatismus von Meloni zeige sich vor allem in ihren Attacken auf die “Gender-Ideologie”, das “LGBT-Lobby” und wenn sie vor der Ersetzung der europäischen Identität durch eine fremde Kultur warnt. Das prophezeie harte Konflikte um die Migration. Und obwohl diese Themen auch die polnische PiS und Fidesz ähnlich sehen, sei gar nicht sicher, ob Rom sein politisches Kapital für die aktive Verteidigung von Warschau und Budapest in deren Streit um die Rechtsstaatlichkeit mit Brüssel werde verbrauchen wollen, so Tomasz Bielecki. 

Autor: Adam de Nisau