Rzeczpospolita: Reparationen könnten die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland beeinflussen
In der heutigen Ausgabe der liberal-konservativen Tageszeitung geht Publizist Marek A. Cichocki auf den vergangenen Besuch des polnischen Präsidenten in Berlin und die Reparationsfrage für die Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg ein. Noch vor der Reise Nawrockis habe der Autor dazu ein interessantes Gespräch mit dem ehemaligen deutschen Diplomaten Wolfgang Ischinger gelesen. Darin habe er vorgeschlagen, dass Deutschland Polen bei der Finanzierung von Rüstungskäufen zur Verteidigung der NATO-Ostflanke unterstützen sollte. Seiner Meinung nach könnte dies neben militärischen Effekten „das Klima in den deutsch-polnischen Beziehungen verbessern und möglicherweise die polnischen Reparationsforderungen etwas abschwächen“.
Unabhängig von der Frage, wie Deutschland Polen konkret finanziell unterstützen wolle, schreibt Cichocki, Berlin handle bekanntlich nie ohne Eigeninteresse, daher sei Ischingers Äußerung bemerkenswert. Sie zeige vor allem, dass der „Reparationsdruck“ in der polnischen Deutschlandpolitik keineswegs eine sinnlose oder kontraproduktive Strategie sei, wie ihre Gegner immer wieder behaupten. Richtig eingesetzt, könne dieses Thema in der Politik genutzt werden, um verschiedene Ziele zu erreichen, lesen wir.
Die Frage von Reparationen, Entschädigungen und Wiedergutmachung habe im polnisch-deutschen Verhältnis ein enormes moralisches und emotionales Gewicht – angesichts der gewaltigen Verluste, die Polen im Zweiten Weltkrieg durch Deutschland erlitten hat, fährt der Autor fort. Die Versäumnisse der deutschen Seite bei der Wiedergutmachung seien gravierend und offensichtlich. Es stimme auch nicht, dass deutsche Politiker sich dessen nicht bewusst wären. Geht es nach dem Autor, würden ihre emotionalen und nervösen Reaktionen auf polnische Forderungen vielmehr zeigen, dass sie vor allem um ihr eigenes Image fürchten.
Gerade das mache den „Reparationsdruck“ nicht nur ethisch legitim, sondern auch zu einem wichtigen Instrument der polnischen Deutschlandpolitik bei der Verfolgung konkreter Ziele, heißt es im Blatt. Es gebe keinerlei objektiven, rationalen Grund, warum Warschau im Namen abstrakter Vorstellungen von einer „deutsch-polnischen Interessengemeinschaft“ darauf verzichten sollte.
Ein weiterer zentraler Aspekt der Reparationen werde in Berlin bislang kaum wahrgenommen: der tiefgreifende Wandel der öffentlichen Stimmung in Polen, fährt Cichocki fort. Er zeige nicht nur ein schwindendes Vertrauen der Polen in den deutschen Partner, sondern auch eine klare Erwartung, dass Berlin endlich Bereitschaft zeige, ernsthaft über eine ernste Wiedergutmachung der in Polen begangenen Verbrechen zu sprechen. Ohne ein solches Signal werde es in Zukunft keine normalen, stabilen und partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Polen und Deutschland geben, lautet das Fazit des Autors in der Rzeczpospolita.
Rzeczpospolita: Wenn Reparationsforderungen im Widerspruch zur polnischen Staatsräson stehen
Ebenfalls in der Rzeczpospolita stellt der frühere Außenminister in der ehemaligen nationalkonservativen Oppositionsregierung, Jacek Czaputowicz, die Frage, ob die vom polnischen Präsidenten erhobenen Reparationsforderungen tatsächlich im Einklang mit dem Prinzip der Gerechtigkeit und der polnischen Staatsräson stehen.
Zu Beginn gibt der Autor zu, dass Polen Reparationsansprüche zustehen. Noch als Chefdiplomat habe er zu diesem Thema Gespräche mit seinem deutschen Amtskollegen Sigmar Gabriel geführt. Damals habe Czaputowicz argumentiert, Polen sei nach dem Krieg ungerecht behandelt worden. Es habe Reparationen erhalten, die den erlittenen Schäden nicht angemessen seien. Man einigte sich darauf, ein gemeinsames Expertenteam zu gründen, das die Schäden und Reparationen Polens mit denen anderer Länder wie Großbritannien, den USA, Frankreich, Belgien und Russland vergleicht, um das Ausmaß der Unterschiede als Grundlage für weitere Verhandlungen festzustellen.
Die rechts-konservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) habe sich jedoch entschieden, kein gemeinsames Expertenteam zu gründen – die Schadensbilanz wurde stattdessen von einer Parlamentskommission erstellt. Nach Ansicht des Autors beschreibe der am 1. September 2020 vorgestellte Bericht das Ausmaß der polnischen Kriegsverluste sachlich. Er könnte eine gute Grundlage für den Vergleich mit den Verlusten und Reparationen anderer Staaten darstellen. Doch dazu sei es nicht gekommen: Polen habe den notwendigen Schritt des Vergleichs übersprungen und stattdessen allein auf der eigenen Schätzung der Kriegsschäden eine Forderungssumme in Höhe von 1,3 Billionen Euro verkündet.
Geht es nach Polens ehemaligem Chefdiplomaten, müsse man hierbei allerdings sehr vorsicht sein. Etwas anderes sei es, zu sagen, Polen sei in Potsdam ungerecht behandelt worden, und etwas anderes, die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz grundsätzlich in Frage zu stellen. Polen verlange eine Sonderbehandlung im Vergleich zum Rest der Anti-Hitler-Koalition. Damit stelle es die Grundlagen der internationalen Nachkriegsordnung infrage. Denn wenn die Reparationsregelungen zur Disposition stehen, warum sollten dann nicht auch die territorialen Festlegungen in Europa erneut verhandelt werden, lautet zum Abschluss die Frage in der Tageszeitung.
Können russische Drohnen Tusks Regierung retten? „Pures politisches Gold“
In linksliberalen Kreisen werde ernsthaft darüber nachgedacht, ob die jüngsten Drohnenangriffe die Regierung von Donald Tusk retten können. Wie viele solcher Angriffe müsste Polen noch überstehen, damit die Regierungskoalition auch im Jahr 2027 an der Macht bleibe, schreibt das Portal des Wochenblatts Wprost. Werden die Drohnen zum politischen Gold für Tusks Regierung? Mit den russischen Drohnen sei für manche die Hoffnung gekommen, dass die derzeitige Regierungskoalition an der Macht bleiben könnte. Vielleicht sei das genau das Wunder, auf das das Regierungslager gehofft habe, lesen wir. Ein Ereignis, das die öffentliche Stimmung zugunsten einer zunehmend unbeliebten Regierung kippen lässt.
Wie es heißt, würden Menschen in Krisenzeiten zweifellos dazu neigen, die Regierungsparteien zu unterstützen. Soziologen sprechen in diesem Zusammenhang vom einem „Stunde des Exekutive“, auf Englisch - „Rally round the flag"-Effekt. Die Regierung sei in solchen Momenten die einzige Instanz, die konkrete Sicherheitsmaßnahmen ergreifen könne – also verlagere sich die gesellschaftliche Sympathie auf die Seite der Macht.
Bis gestern hatte die Regierung vorübergehend aufgehört, sich mit Präsident Karol Nawrocki öffentlich zu streiten. Dies sei sinnvoll gewesen, denn nicht der Premier, sondern das Staatsoberhaupt sei derzeit die zentrale Figur in der kollektiven Vorstellung. Er führe in den Umfragen zur öffentlichen Sympathie. Es bestand also die Chance, dass der Regierungschef auf polemische Angriffe in den sozialen Medien verzichten würde, was seinem Image durchaus gutgetan hätte. Seit gestern sei jedoch der Konflikt erneut aufgeflammt: Anlass sei eine verirrte Rakete und ein beschädigtes Wohnhaus im Zuge der Abwehr russischer Drohnen. Regierung und Präsident geben sich nun gegenseitig die Schuld.
Was kann den Premier also noch retten? In Krisenzeiten könne die Regierung Stärke, Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit demonstrieren – genau das, was viele Polen sich schon lange von ihr wünschen, schreibt Wprost. Eigentlich würden die Bürger zwar eher auf einen höheren Steuerfreibetrag hoffen, doch wenn einem Drohnen über den Kopf fliegen, freue man sich halt vielleicht mehr über neue Schutzbunker, heißt es am Schluss.
Autor: Piotr Siemiński