Deutsche Redaktion

Abtreibungsdebatte: Muss die Gleichstellungsministerin nach kontroversem Social-Media-Post um ihren Posten bangen?

16.04.2024 12:35
Gleichstellungsministerin Katarzyna Kotula hat mit einem Beitrag in den sozialen Medien noch einmal Öl ins Feuer der Abtreibungsdebatte gegossen. Wer wird infolge der kommenden Regierungsumbildung den Posten verlieren? Und: Polen trauert um die Soziologin Jadwiga Staniszkis. Die Einzelheiten in der Presseschau. 
Rodziny tęczowe. Kotula: pary jednopłciowe powinny mieć możliwość zawarcia związku partnerskiego
"Rodziny tęczowe". Kotula: pary jednopłciowe powinny mieć możliwość zawarcia związku partnerskiegoFilip Naumienko/REPORTER/East News

SUPER EXPRESS: Abtreibung scheidet die Geister

Die Abtreibungsdebatte scheidet weiterhin die Geister in Polen. Vor einigen Tagen hat Katarzyna Kotula eine Anleitung zum Einsatz von pharmakologischen Abtreibungen veröffentlicht, erinnert das Boulevardblatt Super Express. Nach Ansicht von Marek Sawicki von der Bauernpartei PSL sei dies ein inakzeptables Verhalten, das zum Rücktritt der Gleichstellungsministerin führen sollte. Der Premierminister sei zwar Donald Tusk. Wenn er aber an seiner Stelle wäre, würde er Katarzyna Kotula natürlich entlassen. Denn es handle sich um eine Aktion, die einerseits unethisch sei und ein konkretes Unternehmen fördere und andererseits zum Töten aufrufe, sagte der Sejm-Marschall.

Die Gleichstellungsministerin Katarzyna Kotula habe, wie das Blatt erinnert, in dem Beitrag Anleitungen zur Anwendung pharmakologischer Abtreibungspillen gegeben, und darüber hinaus im Sejm für diese Pillen geworben. Dies habe dazu geführt, dass die erzkonservative Gruppierung Konfederacja eine Klage bei der Staatsanwaltschaft eingereicht hat.

Ministerin Kotula mache Werbung für etwas, das gesetzlich verboten sei, führt Sawicki fort. Die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft sei daher höchst legitim. Es werde zugleich ein Test für die ohnehin freie und unpolitische Staatsanwaltschaft sein, ob sie den Fall aufgreifen und bearbeiten werde.

Auf die Frage, ob er der Meinung sei, dass Kotula ihren Posten verlieren sollte, biss sich Sawicki nicht auf die Zunge: Natürlich sollte sie das. Daran habe er keinen Zweifel. Aber was Ministerpräsident Tusk daraus machen werde, sei allein seine Entscheidung, sagte er kurz in Super Express.

WPROST: Politisches Spiel um Ministerposten

Nichts ist sicher, was die Regierungsumbildung betrifft, aber inoffiziell wird von einem bevorstehenden Kampf um die Ministerien innerhalb der Koalition gesprochen, schreibt die Wochenzeitschrift Wprost. Bereits nach der Vereidigung hieß es, dass die Regierung im Hinblick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni umgebaut werden soll und dass einige Minister mit bestimmten, zeitlichen Aufgaben betraut worden sind. Sobald diese abgeschlossen sind, sollen sie ihren Platz in Brüssel einnehmen. Der Premierminister sagte vor kurzem aber, dass auch diejenigen, die in den letzten Monaten nicht das Beste aus sich herausgeholt hätten, ihre Ressorts verlieren würden.

Nach Informationen der Wochenzeitschrift Wprost plant Donald Tusk, dass der Umbau sowohl die Koalitionspartner als auch die Mitglieder der Bürgerkoalition betreffen wird. Einen Wechsel solle es unter anderem auf dem Posten des Gesundheitsministers geben. Wer wird noch die Stelle verlieren? Dies sei wohl die heißeste politische Frage der kommenden Wochen. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage zeigt, dass sich fast die Hälfte der Polen Veränderungen in der Regierung von Donald Tusk wünscht, so Wprost.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Große Dame der polnischen Soziologie

Die berühmte Soziologin, Prof. Jadwiga Staniszkis, war jahrelang eine angesehene Kommentatorin des politischen Lebens in Polen. Sie hat lange mit der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sympathisiert und die Bürgerplattform (PO) kritisiert. Nach der Rückkehr der PiS an die Macht im Jahr 2015 äußerte sie wiederholt ihre Enttäuschung über die Politik der Partei von Jarosław Kaczyński, schreibt die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Professor Staniszkis ist gestern im Alter von 81. Jahren gestorben.

In den 80. Jahren war sie mit der Solidarność-Bewegung verbunden. Sie reiste damals mit Vorträgen durch ganz Polen. Das Blatt erinnert in diesem Zusammenhang an einige Aussagen der Soziologin. Warum habe sie sich in die Solidarność engagiert? Das sei ganz einfach, sagte sie vor Jahren. Sie sei Soziologin. Sie analysiere das Funktionieren des kommunistischen Systems und der Opposition. Und folglich beurteile sie andere Menschen. Oft sehr hart. Sie hätte nicht das moralische Recht, dies zu tun, wenn sie nicht selbst an diesen Ereignissen teilgenommen hätte und Risiken eingegangen wäre. Das sei die ganze Geschichte, sagte sie in einem biographischen Buch.

Das Kriegsrecht fand Staniszkis in Kazimierz Dolny. Sie versteckte sich mehrere Wochen lang vor der Geheimpolizei. Sie beschloss jedoch, nach Warschau zurückzukehren, und wurde einige Tage später verhaftet, bald aber wieder freigelassen. Danach begann Staniszkis, in der Untergrundpresse zu veröffentlichen.

Ihre frühen Bücher sind in Polen nicht veröffentlicht worden. Die „Dialektik der sozialistischen Gesellschaft“ zum Beispiel ist nur in Japan erschienen. Dieses Werk widmete sich der Regulierung der Situation im Staat durch Krisen; Staniszkis wies darin darauf hin, dass die Kommunisten Krisen schufen, um Veränderungen durchsetzen zu können, die normalerweise unmöglich gewesen wären, während die Krise paradoxerweise den Erhalt des Systems erleichterte. Außerdem ist ein Buch über die Revolution der ersten Solidarność in englischer Sprache in den Vereinigten Staaten veröffentlicht und zwei Jahre zuvor auch ins Französische übersetzt worden. Lange Zeit wurde es nicht ins Polnische übersetzt, da es den "Mythos" Solidarność zu sehr kritisierte. Staniszkis erhielt 1991 den akademischen Titel einer Professorin, erinnert die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna in ihrem Nachruf.

Autor: Jakub Kukla