Rzeczpospolita: Donald Tusks Zauber ist verpufft
So wie die Parlamentswahlen 2023 der große Triumph von Donald Tusk waren, so seien die Präsidentschaftswahlen 2025 seine große Niederlage, schreibt Artur Bartkiewicz für die Rzeczpospolita nachdem Karol Nawrocki aus dem oppositionellen Lager die Präsidentschaftswahlen offiziell gewonnen hat. Im Jahr 2023 habe Donald Tusk den Polen Hoffnung auf einen Wandel in Polen gemacht. Einen Wandel nicht nur im Regierungskabinett, sondern vor allem in der Art und Weise, wie Politik gemacht wird. Polen sollte aufhören, zurückzublicken, vorwärts schreiten, den Staat entpolitisieren und das Vertrauen in die Institutionen wiederherstellen, die während der PiS-Regierung missbraucht worden seien. Polen sollte einen tiefgreifenden Wandel erleben, und nicht nur einen Wechsel der Personen an der Spitze der Macht.
Zwei Jahre später wüsste man, dass sich diese Hoffnungen nicht erfüllt haben. Im Jahr 2025 hätten Donald Tusk und sein Lager im Präsidentschaftswahlkampf nur Angst vermittelt - Angst vor der oppositionellen, konservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS) und ihrem Präsidentschaftskandidaten. Tusk habe auf der Kundgebung seines liberalen Kandidaten oder in Interviews mit privaten Medien nicht erklärt, warum Polen Rafał Trzaskowski wählen sollten. Er sagte nur, warum die Polen seinen Rivalen ablehnen sollten. In dieser Hinsicht sei er seinem politischen Erzrivalen Jarosław Kaczyński im Jahr 2023 sehr ähnlich gewesen. Auch dessen Idee für die Wahlkampagne hatte damals darin bestanden, den Wählern mit Donald Tusk Angst zu machen. Damals sei Kaczyński gescheitert. Jetzt hätten sich die Rollen gewechselt - aber derselbe Versuch sei wieder einmal gescheitert.
Als Donald Tusk wieder zur polnischen Politik zurückkam, wollte er seine politische Karriere wahrscheinlich mit einem endgültigen Sieg über die PiS krönen, schreibt der Autor. Heute jedoch, im politischen Duell der beiden Politiker, die die polnische Politik in den letzten zwei Jahrzehnten dominiert haben, sei Jarosław Kaczyński erneut der Sieger. Nach dem Sieg von Karol Nawrocki sei dem Autor nach eines klar: das liberale Lager unter der Führung von Tusk werde in den nächsten fünf Jahren den größten Teil seiner politischen Agenda nicht verwirklichen können, da ein konservativer Präsident wieder im Weg stehen werde. Und nicht nur das - mit Blick auf die Wahlen 2027 scheine die PiS heute näher an der Macht zu sein, so das Blatt.
Obwohl die regierende Koalition in den Partei-Umfragen zwar gewinne, trete die Partei von Kaczyński der Formation von Tusk dicht auf den Fersen. Auch die in den Umfragen drittplatzierte, nationalistische Konföderation sei viel näher dran, eine Koalition mit der Recht und Gerechtigkeit einzugehen als mit der Bürgerkoalition. Es könnte sich somit herausstellen, dass der Sieg des Tusk-Lagers im Jahr 2023 nur eine kurze Unterbrechung der Herrschaft von Jarosław Kaczyńskis Umfeld über Polen sei, heißt es am Schluss in der Rzeczpospolita.
Super Express: Rote Karte für Donald Tusk und Rechtsruck
Im Boulevardblatt „Super Express“ stellt Professor Antoni Dudek indes fest, dass der Abstand zwischen Sieger und Verlierer bei den Präsidentschaftswahlen immer kleiner werde. Noch vor 20 Jahren hatte Lech Kaczyński gegen Donald Tusk mit weit über einer Million Stimmen, vor zehn Jahren Andrzej Duda gegen Bronisław Komorowski mit rund einer Million Stimmen gesiegt. Erst vor fünf Jahren hatte Andrzej Duda ebenfalls gegen Rafał Trzaskowski mit etwas mehr als 400.000 Stimmen gewonnen. Damals seien 10 Millionen Stimmen abgegeben worden. Bei der jetzigen Wahl bleibe der Unterschied trotz der hohen Wahlbeteiligung minimal, lesen wir. Hätte die PiS einen anderen Kandidaten mit einer weniger umstrittenen Vergangenheit aufgestellt, wäre das Ergebnis vielleicht noch deutlicher ausgefallen, glaubt der Historiker und Politikwissenschaftler. Prof. Dudek verweist auch auf den politischen Kontext dieses Konflikts. Seiner Meinung sei klar: diese Präsidentschaftswahl bedeute in der Praxis eine rote Karte für Donald Tusks Regierungskoalition.
Nach Ansicht von Dudek deuten die Ergebnisse der Wahl auf einen Stimmungswandel in der Bevölkerung hin. Sehe man sich die Ergebnisse der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen genauer an, so werde deutlich, dass Polen nach anderthalb Jahren der Herrschaft von Donald Tusk einen Rechtsruck vollziehe. Sollte sich diese Politik nicht radikal ändern, werde sich dieser Trend in zweieinhalb Jahren nur noch verstärken, prophezeit der Politologe.
Prof. Dudek äußert sich auch besorgt über mögliche Kontroversen im Zusammenhang mit der Bekanntgabe der Ergebnisse. Die größte Gefahr könnten seiner Meinung nach Versuche sein, das von der staatlichen Wahlkommission am Montagmorgen bekannt gegebene Ergebnis zu untergraben. Das könnte passieren, weil der Unterschied zwischen den beiden Kandidaten so gering ausgefallen sei. So was sei oft die Gelegenheit für Klagen, dass etwas nicht in Ordnung sei. Wie Antoni Dudek abschließend erklärt, mache ihm am meisten Sorgen, dass in Polen nach dieser Präsidentschaftswahl ein Streit darüber ausbrechen könnte, ob der neue Präsident überhaupt korrekt gewählt worden sei, heißt es in Super Express.
Gazata.pl: Polen bekommt den schwächsten oder stärksten Präsidenten seiner Geschichte
Polen wird einen Präsidenten haben, der seinen Gegner mit dem knappsten Vorsprung in der Geschichte geschlagen hat, schreibt das linksliberale Internetportal gazeta.pl. Der Unterschied liege bei weniger als zwei Prozentpunkten, womöglich nur zehntausenden von Stimmen.
Eine so geringe Differenz – bei maximaler Polarisierung zwischen der PiS und der Bürgerkoalition – birge das Risiko, dass nicht nur das Wahlergebnis, sondern auch die Legitimität des neuen Staatschefs infrage gestellt werden könnte. Viel hänge davon ab, wie sich die unterlegene Seite verhalten werde. Werde sie alles auf totale Ablehnung mit Blick auf die Parlamentswahlen 2027 setzten, drohe eine politische Konfrontation, in der der Präsident zwischen den Erwartungen seines Lagers und dem Druck der Opposition zerrieben werde. Eigenständigkeit aufzubauen, wäre unter solchen Umständen äußerst schwierig.
Dieses Szenario betreffe Karol Nawrocki, würde aber auch genauso Rafał Trzaskowski betreffen – nur die Narrative würde sich unterscheiden. Trzaskowski würde als „Stellvertreter von Tusk“ oder „EU-Marionette“ diffamiert werden, Nawrocki als „Gangster“ oder „Zuhälter“, dem man nicht die Hand reichen sollte.
Gerade diese Schwäche – der minimale Vorsprung – könnte sich aber auch als Stärke erweisen. Der hauchdünne Sieg könnte die Entschlossenheit des neuen Präsidenten stärken, auch kritische Wähler für sich zu gewinnen. Doch der Vorhang sei vor die Wahlkampfbühne gefallen – Gesten allein würden jetzt nicht mehr ausreichen. Am 1. Juni 2025 hat Polen seinen sechsten Präsidenten seit 1990 gewählt. Wer er wirklich ist, werde sich erst nach der Vereidigung und seinen ersten Entscheidungen zeigen.
Autor: Piotr Siemiński