Dziennik: Historische Verantwortung Deutschlands schließt Polen aus
Die kontroversen Aussagen des deutschen Präsidenten über die Schuld gegenüber Russland, sorgen in Polen noch immer für Schlagzeilen. Die deutsche Verantwortung für Nazi-Verbrechen sei selektiv: Sie erlaube es dem Land jetzt, sich mit Russland bei Nord Stream 2 zu verbünden und Polen zu umgehen, sagt der belgische Historiker Prof. David Engels gegenüber dem Blatt Dziennik.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe mit seinen Worten über die historische Schuld Deutschlands gegenüber Russland und der daraus resultierenden tiefen Zusammenarbeit um Nord Stream 2 einmal mehr "die zunehmende politische Instrumentalisierung dieser historischen deutschen Schuld" bewiesen. Dies sei nichts anderes als eine offensichtliche Verteidigung des wirtschaftlichen Opportunismus und eine eklatante Manipulation der Realität. Auch den Handel mit einem diktatorischen Regime als Brücke zur Verständigung zu verteidigen, diene, dem Historiker nach, nur einem Ziel: Den einfachen Zugang zu Energie zu sichern, nachdem Deutschland seine eigenen Ressourcen durch die dysfunktionale Energiewende zerstört habe. Steinmeiers Argumentation sei daher "kindische Heuchelei", bemerkt der Historiker.
Prof. Engels leugnet zwar nicht, dass Politik die Kunst des Kompromisses sei, aber er ist der Meinung, dass über Moral zu predigen, ohne die wirklichen politischen Probleme, die jeder sehe, auch nur zu erwähnen, bedeute, nicht nur seine eigenen Bürger, sondern auch die diplomatischen Partner für dumm zu verkaufen. Und das, so Engels, sei schon eine gefährliche Arroganz.
Wenn sich das heutige Deutschland durch Hitlers Überfall auf Russland irgendwie für das wirtschaftliche Wohlergehen des russischen Volkes (oder eher der Oligarchen) verantwortlich fühle, fährt der Historiker fort, wie sehe es dann mit der Verantwortung gegenüber den Bürgern Polens oder der Ukraine aus, die von den deutschen Besatzern nicht nur als Untermenschen beseitigt werden sollten, sondern auch unschuldige Opfer eines Krieges waren, dessen Ausbruch nur dank Stalins Pakt mit Hitler möglich war, fragt Engels rhetorisch.
Der Historiker ist der Meinung, dass eine solche Sichtweise eine Art "besondere Verantwortung" voraussetze, zumal Polen und die Ukraine durch die Umgehung bestehender Rohrleitungen ernsthaft geschädigt werden und noch stärker der russischen Einmischung ausgesetzt sein werden. Natürlich seien in Deutschland manche Opfer attraktiver als andere, lautet Engels Fazit am Schluss im Tagesblatt, um schwärmerische Schuldgefühle zu äußern.
Rzeczpospolita: Polen vom Aufbau des Grünen Europas ausgeschlossen
Wie die konservativ-liberale Rzeczpospolita schreibt, bilde sich eine Initiative, die europäische Architekten und Designer zusammenbringen soll, um grüne und nachhaltige Räume in Europa zu schaffen. Leider ohne Polen. Das Blatt hat die Angelegenheit untersucht. Wie wir erfahren, sei die Europäische Kommission gerade dabei ihr Vorzeigeprojekt - das neue europäische Bauhaus - in Gang zu bringen. Es sei eine Anspielung auf die 1919 in Deutschland entstandene Architekturrichtung, in der Baukunst mit ihrem Gebrauchswert verschmolzen wurde.
Brüssel soll in der großen Renovierungswelle und dem damit verbundenen Fluss von EU-Geldern eine Chance sehen, die Ästhetik europäischer Städte zu verändern. Sie sollen grüner sein. Zu diesem Zweck, schreibt das Blatt, wolle die Europäische Kommission die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Architekten, Designern, Künstlern und der Zivilgesellschaft fördern. Am Ende soll ein sog. Runder Tisch entstehen, eine Gruppe von Experten, die Politiker und Beamte in dieser grünen Transformation beraten sollen.
Nach Informationen, die die Rzeczpospolita jedoch erhalten habe, soll sich in dieser Gruppe kein einziger Pole befinden. Hinzu komme, dass die Europäische Kommission in keiner der Phasen der Qualifikation für diesen Runden Tisch polnische Kandidaten in Betracht gezogen habe. Angeblich soll kein einziger Pole vorgestellt worden sein. Aus den Informationen, die die Kommission der Rzeczpospolita zur Verfügung gestellt habe, gehe jedoch etwas ganz anderes hervor. Von 80 Kandidaten, die aus ganz Europa vorgestellt wurden, soll Brüssel keinen einzigen polnischen Kandidaten berücksichtigt haben.
Es gebe nur vier Namen aus ganz Mittel- und Osteuropa. Dies sei desto mehr überraschend, heißt es am Schluss, da sich unter den Auserwählten sechs Briten befinden sollen, und das obwohl Großbritannien bereits außerhalb der EU ist, schreibt die Tageszeitung nach einer Recherche über den Expertenkreis, der die grüne Transformation in Europas Städten voranbringen soll.
DGP: Bei der Jugend herrscht die Linke
Dziennik/Gazeta Prawna schreibt indes, dass eine Umfrage diese Woche für großes Aufsehen in der polnischen Linken gesorgt habe. Und das, schreibt Jakub Dymek für das Blatt, als ob Karl Marx selbst zum Leben erwacht wäre. Laut den Ergebnissen der jüngsten Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts CBOS, haben sich zum ersten Mal seit 2003 mehr junge Wähler als Sympathisanten des linken Flügels deklariert als des rechten Flügels oder der Mitte. Mit einem Wort, schreibt Dymek, hätten wir es mit einer Situation zu tun, die es in Polen seit einer Generation nicht mehr gegeben habe. Bürger, die heute für ein solches Ergebnis verantwortlich seien, konnten, dem Autor nach, noch nicht mal lesen oder schreiben - wenn sie überhaupt schon auf der Welt waren - als die Linke in Polen zum letzten Mal regierte. Und in diesem Sinne, lesen wir, sei es ein gutes Zeichen, dass seit der Hegemonie der Linken auf der politischen Szene Polens eine ganze Ära vergangen sei. Erstaunlich sei, fährt der Autor fort, wie viel sich ändern musste, damit die Linke die Akzeptanz der Jugend (zumindest für eine Weile) zurückgewinnen konnte.
Am wenigsten überraschend sei daher, dass linke Politiker und Aktivisten diese Tatsache feiern und den bevorstehenden Erfolg ihrer Formation ankündigen. Der Sprung in den Umfragewerten zu linken Denkweisen sei ebenfalls kaum überraschend, heißt es weiter im Blatt. Die regierende Konservative ziehe mittlerweile schon seit einem Jahr alle Schrauben immer mehr fest. Wie hätte das Ergebnis der Umfrage auch anders sein können, so Dymek abschließend für das Blatt. Die Regierung sei schließlich in eine Reihe von heftigen, wenn auch oft völlig unnötigen Kraftproben mit der von Natur aus freiheitsorientierten und progressiven Generation junger Erwachsener in Konflikt geraten.
Piotr Siemiński