Trumpismus auf Polnisch? Karol Nawrockis Rede als Zeichen ideologischer Neuausrichtung
Die Antrittsrede von Karol Nawrocki als neuer Präsident Polens wurde von Beobachtern nicht nur wegen ihrer symbolischen Gesten, sondern vor allem wegen ihres Inhalts als ein Wendepunkt innerhalb der polnischen Rechten wahrgenommen. Michał Szułdrzyński analysiert in der Rzeczpospolita, wie stark sich Nawrocki rhetorisch und ideologisch an Donald Trump orientiert – und was das für die politische Ausrichtung des Landes bedeuten könnte.
Schon die Ästhetik der Amtseinführung erinnerte an die Inszenierungen der Trumps – ein dunkler Anzug mit roter Krawatte beim Präsidenten, ein elegantes hellblaues Kostüm mit charakteristischer dreieckiger Klappe bei seiner Gattin. Doch solche Ähnlichkeiten, selbst wenn beabsichtigt, sind von geringer Bedeutung. Entscheidender sind die inhaltlichen Parallelen: Etwa die Worte „Gott segne Polen“, mit denen er seine Rede beendete – eine Formulierung, die bei polnischen Politikern selten zu hören ist, aber in Reden amerikanischer Präsidenten häufig vorkommt. Auch als Nawrocki betonte, er habe die Wahl gegen Propaganda, Lügen und Verachtung gewonnen, klang dies wie Donald Trumps Rhetorik, der sich stets damit brüstete, gegen die „Fake-News-Medien“ anzukämpfen. Was ihn an Trump besonders ähnlich macht, ist, dass er in seiner Antrittsrede keinen Kompromiss mit der Gegenseite suchte. Im Gegenteil – er kostete seinen Triumph aus, und forderte seine Gegner deutlich zum Duell heraus, meint der Autor.
Auffällig ist zudem das völlige Fehlen der Ukraine in Nawrockis Rede – ein Bruch mit der bisherigen außenpolitischen Linie. Stattdessen wurde zweimal die Beziehung zu den USA betont, was auf eine klarere Westorientierung, jedoch unter dem Einfluss des amerikanischen Rechtskonservatismus, hindeutet.
Diese Ähnlichkeiten sind ein Signal für die Trumpisierung der polnischen Rechten. Es wird eine andere Rechte sein als früher – weiter entfernt von den Ideen Lech Kaczyńskis, nationalistischer, stärker geprägt von Dmowski als von der bisherigen PiS. Eine deutlichere Alt-Right. Und man sieht, dass Nawrocki den Ehrgeiz hat, erstens eine solche trumpistische Rechte in Polen zu etablieren, und zweitens, sich an ihre Spitze zu stellen.
Doch damit ist auch ein erhebliches Risiko verbunden. Denn alles auf die amerikanische Karte zu setzen, könnte sich rächen, wenn sich die Interessen Trumps und Polens auseinanderentwickeln. Derzeit ist Trump in einer Phase der Verärgerung über Putin und will der Ukraine helfen. Doch noch vor Kurzem waren seine Emotionen genau entgegengesetzt – und könnten sich auch künftig wieder ändern.
„Eine neue Epoche“: Das Wochenmagazin Sieci feiert Karol Nawrockis Amtsantritt
In der aktuellen Ausgabe des rechtskonservativen Wochenmagazins Sieci wird die Vereidigung von Karol Nawrocki als der Beginn einer neuen Ära in der polnischen Politik gefeiert. Der Publizist Marek Pyza sieht in Nawrocki einen ganz neuen Typus von Staatsoberhaupt – einen, der von Gegnern gefürchtet, von Patrioten ersehnt werde.
In seinem Beitrag „Der Eintritt des Drachen“ betont Pyza die historische Bedeutung des Wahlsiegs Nawrockis. Hätte stattdessen Rafał Trzaskowski gewonnen, so Pyza, drohten die „Zerstörung der Demokratie“, die Ausschaltung der Opposition und die Aufgabe der außenpolitischen Unabhängigkeit zugunsten Berlins. Nawrockis Wahlsieg habe diesen Kurs gestoppt und neue politische Prozesse angestoßen.
Der Publizist weist darauf hin, dass es sich inzwischen fast zu einer Tradition entwickelt habe, dass alle zehn Jahre eine Wahl nicht nur überraschend verläuft, sondern auch weitreichende Bedeutung für das Schicksal des Landes hat. So war es 2005, als entgegen aller Prognosen nicht Donald Tusk, sondern Lech Kaczyński zum Präsidenten gewählt wurde – ein Politiker, der den Einfluss Moskaus bremsen und früh vor Putins Russland warnen wollte. Nawrocki reiht sich nun in diese Linie ein, wenn auch mit eigener, schärferer Handschrift.
Polen habe unter Nawrocki nun die Möglichkeit, eine Ära nationaler Stärke einzuleiten – eine Chance, die Donald Tusk verspiele, schreibt das nationalkonservative Magazin Sieci.
Gazeta Wyborcza: Kaczyński unterschätzt die Bedrohung durch Russland
Die polnische Staatsräson besteht darin, die Ukraine mit allen Mitteln zu unterstützen, um Russland zu stoppen und den Wiederaufbau eines imperiumartigen Russlands zu verhindern. Der Krieg in der Ukraine bedroht unmittelbar auch Polen, vor allem durch die Nähe der russischen Grenze und mögliche Angriffe. Dennoch gibt es in Polen politische und gesellschaftliche Teile, insbesondere unter Führung von Jarosław Kaczyński und seiner Partei (PiS), die diese Bedrohung nicht voll anerkennen und eher ein Feindbild gegenüber Deutschland pflegen, schreibt der Publizist Kazimierz Orłoś für die linksliberale Gazeta Wyborcza.
Man könnte meinen, daran bestehe kein Zweifel. Und doch scheint in unserem durch Streit gespaltenen Land ein Teil der Gesellschaft und der Politik nicht zu begreifen, dass gleich nebenan, hinter unserer Grenze, die Ukraine einen Krieg gegen Russland führt. Und dass das Polen in weit stärkerem Maße betrifft als viele andere Länder der EU oder der NATO. Deshalb ist es wichtig, darüber zu sprechen, es zu wiederholen, in Erinnerung zu rufen – bevor es zu spät ist, warnt der Autor.
Jarosław Kaczyński demonstriert sein falsches und verzerrtes Verständnis polnischer Staatsräson seit Jahren, indem er wiederholt seine Abneigung gegenüber der EU ausdrückt, sich von ihr distanziert, seine Feindseligkeit gegenüber Deutschland und den Deutschen betont und unbeirrt behauptet, Deutschland bedrohe die polnische Souveränität. Nach Kaczyński besteht die heutige polnische Staatsräson also vor allem darin, sich Deutschland entgegenzustellen – nicht Russland, schreibt der Publizist.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Kaczyński erkennt die tatsächliche Bedrohung durch Russland nicht in ihrem ganzen Ausmaß. Er versteht die Staatsräson Polens in verzerrter Weise als ein Handeln gegen Deutschland. Innenpolitisch verfolgt er eine Vision eines zersplitterten, kirchlichen und rückständigen Polens. Für Offenheit und Toleranz ist in Kaczyńskis Vision kein Platz, urteilt Kazimierz Orłoś in der Gazeta Wyborcza.
Autor: Joachim Ciecierski