Deutsche Redaktion

Jarosław Kaczyński in Welt am Sonntag: Deutschland hat keine moralische Grundlage, Europa zu dominieren

04.04.2022 09:00
Parteivorsitzender Jarosław Kaczyński (PiS) kritisierte auf den Seiten der Welt am Sonntag die Haltung Deutschlands zum Krieg Russlands gegen die Ukraine. Er forderte Berlin auf, das Öl-Embargo zu unterstützen und Waffenlieferungen an Kiew zu verstärken. 
Jarosław Kaczyński
Jarosław KaczyńskiTwitter/Prawo i Sprawiedliwość

"Ich bin sehr unzufrieden mit der Haltung der deutschen Regierung. Deutschland hätte mehr Waffen liefern und sich in der EU für ein Ölembargo einsetzen können", sagte der stellvertretende Ministerpräsident und Vorsitzende der konservativen Regierungspartei, Jarosław Kaczyński, in einem Interview mit der Tageszeitung. Die Rolle Berlins, so fügte er hinzu, "sollte konstruktiver sein".

"Die letzten Jahrzehnte waren eigentlich ein Versuch, die Konstruktion des ehemaligen Reichskanzlers Bismarck zu wiederholen: deutsche Herrschaft, aber Seite an Seite mit Russland", erklärte Kaczyński. "Eine Supermacht wie Russland darf nicht ständig mit Milliarden für Energie unterstützt werden. Dies ist politisch und moralisch inakzeptabel. Das muss aufhören, und Deutschland muss dazu endlich eindeutig Stellung beziehen", sagte Kaczyński.

Er warf Deutschland, aber auch Frankreich, eine "starke Neigung zu Moskau" vor. "Die deutsche Regierung wollte jahrelang nicht sehen, was Russland unter Putins Führung macht. Jetzt sehen wir, dass es schlecht geendet hat. Das war gar nicht so schwer vorherzusehen. Aber die Deutschen dachten, sie wüssten es besser".

Deutschland und die Abrechnung mit dem Zweiten Weltkrieg

"Natürlich ist der Kontext heute ein anderer als im 19. Jahrhundert. Im Wesentlichen handelt es sich jedoch um dasselbe Verhalten. Deutschland hat keine moralische Grundlage, um Europa zu dominieren. Deutschland hat noch immer nicht ausreichend mit dem Zweiten Weltkrieg abgerechnet und ist seinen finanziellen Verpflichtungen noch immer nicht nachgekommen," so der stellvertretende Ministerpräsident. Er fügte hinzu, "Deutschland hat noch keine großen Entschädigungszahlungen für die Zerstörung und Ermordung von Polen während des Zweiten Weltkriegs geleistet. Diese Frage muss einen wichtigen Platz in unseren Beziehungen einnehmen und gelöst werden".

Mehr NATO-Truppen in Osteuropa

Der konservative Politiker sprach sich auch dafür aus, die Zahl der amerikanischen Truppen in Europa von 100.000 auf 150.000 zu erhöhen. 75.000 US-Soldaten sollten an der Ostflanke der NATO stationiert werden, davon 50.000 in Polen und den baltischen Staaten. Kaczyński zufolge sollten amerikanische Atomwaffen auch auf dem Territorium der osteuropäischen Länder gelagert werden. Die Initiative in dieser Angelegenheit sollte jedoch von der amerikanischen Seite ausgehen. Nach Ansicht des Parteiführers sollte eines der NATO-Kommandos nach Polen verlegt werden, was ein klares Signal an Moskau wäre.


PAP, Die Welt/ps