Deutsche Redaktion

Protest-Graffiti aus den 80er Jahren entdeckt

17.08.2022 10:26
Bei Renovierungsarbeiten an einem Wohnblock in Lublin wurde ein alter Schriftzug „Solidarność żyje“ [Solidarność lebt] entdeckt, das auf den Kampf gegen das kommunistische Regime zurückgeht. Nach Angaben des Instituts für Nationales Gedenken (IPN) wurde das Graffiti höchstwahrscheinlich während des Kriegsrechts in Polen 1981-83 gemalt und ist das einzige derartige Zeichen, das in der südöstlichen Stadt gefunden wurde.
In Lublin wurde ein Protest-Graffiti aus den 80er Jahren entdeckt.
In Lublin wurde ein Protest-Graffiti aus den 80er Jahren entdeckt. IPN

„Nach dem Entfernen des Blechs und der Wolle war nichts mehr zu sehen. Erst beim Abwaschen der Wände begann sich die weiße Farbe abzulösen und die Inschrift wurde sichtbar“, sagte auf einer Pressekonferenz der Bauunternehmer Paweł Ciężki.

Die Wandmalerei sei ein gutes Beispiel, um der heutigen jüngeren Generation zu zeigen, wie die Polen gegen das kommunistische System gekämpft haben, betonte der IPN-Historiker Robert Derewenda im Polnischen Rundfunk.

„In den 1980er Jahren sorgte der Sicherheitsdienst dafür, dass jegliche Form von Protest übermalt wurde. Manchmal erschienen Ankerzeichen, ein Hinweis auf den Kampf der Warschauer Aufständischen. Andere Graffitis machten sich über die kommunistischen Behörden lustig“, so Derewenda.

Wie er versicherte, werde der Schriftzug bewahrt. Das IPN kündigte außerdem eine Suche nach dem Autor an. „Wir suchen den heldenhaften Verfasser der Solidarność-Inschrift. Helfen Sie uns, den Autor des Slogans zu finden. Wenn Sie etwas wissen oder jemanden kennen, der uns helfen könnte, wenden Sie sich bitte an die IPN-Zweigstelle in Lublin“, schrieb das Institut auf Twitter.


Das Gebäude steht in der Wajdeloty Str. 20 / IPN Das Gebäude steht in der Wajdeloty Str. 20 / IPN

Das Kriegsrecht war in der Nacht zum 13. Dezember 1981 von General Wojciech Jaruzelski ausgerufen worden, um die Proteste der freien Gewerkschaft Solidarność zu beruhigen. Insgesamt kamen an diesem Tag 70.000 Soldaten und 30.000 Beamte der ZOMO (militarisierte Einheiten der kommunistischen Miliz) zum Einsatz, um im ganzen Land Kontrollpunkte einzurichten. Es kam zur massenhaften Verfolgung von Gewerkschaftlern und Oppositionellen, die ihrerseits zu regelmäßigen Protestaktionen aufgerufen haben. Insgesamt wurden während des Kriegsrechts rund 10.000 Personen interniert.

Weltbekannt sind die Bilder von Panzern auf polnischen Straßen zur Zeit des Kriegsrechts. Schon in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember wurden Fernseh- und Radiogebäude eingenommen, um den Informationsfluss lahm zu legen. Laut Dekret über den Kriegszustand waren sämtliche Organisationen und Gewerkschaften illegal, zudem wurden Streiks und Manifestationen untersagt.

Jaruzelski rechtfertigte seine Maßnahmen später damit, dass er einer drohenden sowjetischen Intervention zuvorkommen wollte. Nach der Wende konnten Historiker für diese Annahme keine Spuren in den russischen Akten finden. Erst 27 Jahre nach dem Ereignis sind 2008 die ersten rechtskräftigen Urteile gefallen. Nach 15-jährigem Prozess wurde der Anführer des Spezialkommandos zu sechs Jahren Haft verurteilt. Andere Mitglieder des Spezialkommandos erhielten Haftstrafen von drei bis vier Jahren.


IAR/pap/jc