Deutsche Redaktion

Polens Premierminister warnt in Heidelberg vor zu viel Europa

21.03.2023 12:14
"Mehr Zentralisierung bedeutet mehr von denselben Fehlern. Es ist ein Fehler, nicht auf die Stimme der Länder zu hören, die mit Putin Recht hatten. Das würde Leuten wie Gerhard Schröder mehr Macht geben, die Europa von Russland abhängig gemacht und den ganzen Kontinent in Gefahr gebracht haben", betonte Mateusz Morawiecki in seinem Vortrag an der Universität Heidelberg.
Welt: premier Morawiecki w Heidelbergu mówił o polskiej wizji przyszłości oraz o reparacjach.
"Welt": premier Morawiecki w Heidelbergu mówił o polskiej wizji przyszłości oraz o reparacjach.PAP/Uwe Anspach

"Der Kampf der europäischen Länder um die Freiheit ist 1989 nicht zu Ende gegangen", betonte Premierminister Mateusz Morawiecki in einem Vortrag zu möglichen Szenarien für die Zukunft Europas angesichts der russischen Aggression gegen die Ukraine an der Universität Heidelberg.
Die Ukraine kämpfe, wie der Regierungschef erinnerte, nicht nur für sich selbst. Ein Niederlage des Landes würde daher weitreichende Folgen für die ganze Welt haben. "Eine Niederlage der Ukraine wäre eine Niederlage für den Westen, ja auch eine Niederlage für die gesamte freie Welt. Es wäre eine größere Niederlage als Vietnam. Nach einer solchen Niederlage würde Russland wieder ungestraft zuschlagen, und die Welt, wie wir sie kennen, würde sich dramatisch verändern. Die Niederlage der freien Welt würde Putin Selbstvertrauen geben, so wie das Appeasement der 1930er Jahre Hitler Selbstvertrauen gegeben hat", so Morawiecki.

Daher, so der Premierminister, sei es eine europäische Pflicht, dem russischen Faschismus die Stirn zu bieten. Die frühere Politik, mit Putins Russland zu paktieren, sei diskreditiert. "Putin hat sich wie ein Drogendealer verhalten, der die erste Dosis umsonst gibt, weil er weiß, dass der Süchtige später zurückkommt und jedem Preis zustimmt. Putin ist gerissen, aber er ist nicht brillant - Europa ist ihm vor allem wegen seiner eigenen Schwächen so leicht erlegen", so Morawiecki.

Polens Regierungschef hat auch die Bedeutung der christlichen Wurzeln Europas und die Rolle der Nationalstaaten in der europäischen Gemeinschaft thematisiert. Geht es nach Morawiecki, können internationale Organisationen die Staaten unseres Kontinents zusammenführen, aber sie können sie nicht ersetzen. Der Premierminister warnte vor der Schaffung europäischer bürokratischer Eliten ohne demokratisches Mandat und vor einer fortschreitenden Föderalisierung Europas: "Reduzieren wir die Zahl der Bereiche, die in die Zuständigkeit der EU fallen, dann wird die Union auch mit 35 Mitgliedern leichter zu verwalten und demokratischer sein. Mehr Zentralisierung bedeutet mehr von denselben Fehlern. Es ist ein Fehler, nicht auf die Stimme der Länder zu hören, die mit Putin Recht hatten. Das würde Leuten wie Gerhard Schröder mehr Macht geben, die Europa von Russland abhängig gemacht und den ganzen Kontinent in Gefahr gebracht haben".

In seinem Vortrag erinnerte der polnische Regierungschef schließlich auch daran, dass Polen noch heute mit den Verlusten des Zweiten Weltkriegs zu kämpfen hat - weil es für Jahrzehnte seine Unabhängigkeit verloren habe, sich nicht wie Westdeutschland entwickeln konnte und nie Reparationen für die Zerstörungen der deutschen Besatzung erhielt. In Heidelberg vertrat der Ministerpräsident auch die Ansicht, dass einige Länder in Europa, wie Polen, diskriminiert wurden - er sprach von dem "wirtschaftlichen Druck", der während des Krieges im Ausland auf Polen ausgeübt wurde.
Der Vortrag des Premierministers in Deutschland hat im Rahmen der europäischen Hochschulallianz 4EU+ stattgefunden. Ziel der Allianz ist es, ein besseres Verständnis der europäischen Kultur und Geschichte in den Bildungssystemen zu fördern und die Position Europas als wichtigen Bezugspunkt in Bildung und Forschung zu stärken. Zu den Gründungsuniversitäten der Allianz gehören Heidelberg und die Universität Warschau. Im ihrem Rahmen hatte unter anderem der französische Präsident Emmanuel Macron 2017 an der Sorbonne und Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 an der Karls-Universität in Prag gesprochen.

IAR/adn