Das Online-Gespräch am Mittwoch zwischen den Staats- und Regierungschefs der EU-Länder, dem ukrainischen Präsidenten und US-Präsident Donald Trump wirkte wie ein letzter Hilferuf vor dem für Freitag geplanten Trump-Putin-Gipfel in Alaska. In Europa wächst die Sorge, Trump könne sich mit Putin auf Bedingungen für die Ukraine einigen, die für den Kontinent und für Kiew inakzeptabel wären. Europas Sicherheit – zumal bei isolationistischen Tendenzen in den USA – hängt schließlich eng von der Russlandpolitik und der Fähigkeit ab, Moskau in der Ukraine Einhalt zu gebieten.
Auslöser der Nervosität ist ein von westlichen Medien enthüllter Plan zur Beilegung des Ukraine-Konflikts, dessen Umrisse nach einem Treffen von Trumps Sondergesandtem Steven Witkoff mit Putin im Kreml bekannt wurden. Unklar ist, von wem der Plan stammt oder wer das Gipfeltreffen initiiert hat – sicher ist nur: Er hat in Kiew und den westlichen Hauptstädten Empörung ausgelöst. Und das nicht ohne Grund. Der Vorschlag sieht im Kern vor, dass Russland im Gegenzug für eine Waffenruhe und den Rückzug aus kleinen Teilen der Regionen Sumy und Charkiw den gesamten Donbass erhält, das Schicksal der Regionen Cherson und Saporischschja später entschieden wird und die Ukraine auf einen NATO-Beitritt, westliche Waffenlieferungen und Teile ihrer Armee verzichtet. Das käme Putins Maximalforderungen gleich und würde die Ukraine faktisch zur Kapitulation zwingen.
Bild: KRISTINA KORMILITSYNA/AFP/East News
Erschwerend kommt hinzu, dass die militärische Lage kurz vor dem Gipfel für Kiew ungünstig ist: Die Luftabwehr meldet eine sinkende Abschussquote russischer Drohnen und Raketen, im Osten macht Russland schnelle Fortschritte nördlich von Pokrowsk und droht Kostjantyniwka einzukesseln. Präsident Selenskyj kann sich zudem nach den ersten öffentlichen Protesten seit Beginn der Invasion – im Juli in Verteidigung der Anti-Korruptionsinstitutionen – nicht mehr auf ungebrochenen Rückhalt in der Bevölkerung stützen. Putin dürfte all dies nutzen, um Trump einzureden, ein russischer Sieg sei nur noch eine Frage der Zeit und die Ukrainer wollten einen Machtwechsel.
Um Trump von einem „schlechten Deal“ abzuhalten, sprechen die EU-Hauptstädte – mit Ausnahme von Budapest – ebenso wie London und Kiew mit einer Stimme: Keine Zustimmung zu erzwungenen territorialen Abtretungen, keine Gespräche ohne Beteiligung der ukrainischen Regierung und schon gar nicht während anhaltender russischer Angriffe aus der Luft und am Boden.
Es gibt jedoch auch eine positive Entwicklung: Je stärker sich Europa und die Ukraine abstimmen, desto mehr scheinen die Trump-Administration und der Präsident selbst zurückzurudern. US-Außenminister Marco Rubio betonte, Trump wolle Putin lediglich persönlich treffen und anhören – nicht mehr. Senator JD Vance berichtete, Trump habe ihm privat gesagt, man müsse für den Frieden ein direktes Gespräch versuchen. Trump selbst erklärte, das Treffen könne gut oder schlecht verlaufen, Ziel sei vor allem herauszufinden, „was in Putins Kopf vorgeht“.
US President Donald Trump with Vice President JD Vance and Secretary of State Marco Rubio.
Trotzdem bleiben Bedenken: Mit seiner Einladung hat Trump Putins fast vierjährige, weitgehend geschlossene Isolation im Westen beendet. Er hat ihm zudem einen seiner größten Wünsche erfüllt – wie zu Sowjetzeiten sollen die Scheinwerfer der Weltmedien auf ein Treffen zwischen den Führern Russlands und der USA gerichtet sein, die über globale Fragen entscheiden. Putin hat dieses Geschenk erhalten, ohne selbst etwas dafür zu geben, und dürfte versuchen, Trump mit Bildern zu umgarnen wie vor einer Woche, als er zwischen den Staatschefs Armeniens und Aserbaidschans saß, während der US-Präsident Frieden zwischen Eriwan und Baku verkündete.
Putins Ziel wäre es, dass Trump die Ukraine unter Druck setzt, territoriale und politische Zugeständnisse zu machen – notfalls durch den Stopp amerikanischer Geheimdiensthilfe. Für die ukrainischen Streitkräfte würde sich die Lage an der Front dann weiter verschlechtern, auch wenn ein erzwungener Frieden noch in weiter Ferne läge.
Tadeusz Iwański – Leiter des Teams Belarus, Ukraine und Moldau am Zentrum für Oststudien.