Nach Einschätzung Ołeszczuks sei die Ankündigung des Treffens vor allem ein diplomatisches Manöver. „Putin ist ein Paranoiker und hat Angst, mit dem Flugzeug über Europa zu fliegen. Ich kann mir schwer vorstellen, wie er mit dieser Paranoia ins Zentrum Europas reisen soll“, so der Experte. Auch ein möglicher Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes sei für den Kremlchef weniger problematisch als die Angst vor einem möglichen Abschuss seiner Maschine.
Trump will sich als „großer Vermittler“ inszenieren
Während Putin auf Hinhaltetaktik setze, verfolge Trump nach Darstellung des Politologen ein klares Ziel: „Trumps Ziel ist es, ein Abkommen mit Putin zu erreichen und sich damit als großer Vermittler zu präsentieren.“ Seine Strategie habe sich dabei mehrfach geändert. Zunächst habe Trump versucht, mit Komplimenten, Versprechen von vorteilhaften Verträgen oder der Aussicht auf eine Lockerung von Sanktionen auf Putin einzuwirken. „Den Höhepunkt dieser Linie bildeten die Verhandlungen in Anchorage während Putins Besuch in Alaska“, so Ołeszczuk.
Da Putin dort jedoch nicht nachgegeben habe und stattdessen „lange Vorträge über Geschichte“ hielt, habe Trump die Taktik gewechselt und setze nun auf Druck. Dies zeige sich in der öffentlichen Drohung, die Ukraine mit Waffen wie Tomahawk-Raketen zu unterstützen, sowie in Gesprächen über mögliche Sanktionen gegen China. „All diese Geschichten über Tomahawks sind einfach Teil von Trumps aggressiver Verhandlungsstrategie“, sagte Ołeszczuk.
Mischung zwischen Bluff und Diplomatie
Der Politologe sieht in Trumps Vorgehen eine Mischung aus Bluff und Diplomatie. „Trump glaubt, dass sein Bluff funktioniert hat, dass Putin ihm geglaubt hat. Er fühlt sich als ,großer Verhandler‘. Deshalb wird er wahrscheinlich eine Pause einlegen“, meinte Ołeszczuk.
Gleichzeitig sei Vorsicht geboten, was die Rolle der Ukraine in dieser Konstellation betrifft. Präsident Wolodymyr Selenskyj dürfe Trump nicht das Gefühl geben, seine diplomatischen Fähigkeiten würden infrage gestellt. „Trump ist stolz auf seine diplomatischen Fähigkeiten, besonders nach der Nahost-Geschichte. Jeder Versuch, ihm zu suggerieren, dass er sich irrt, könnte als Beleidigung aufgefasst werden“, warnte der Politologe.
Aussicht: Ein Treffen bleibt fraglich
Ob es tatsächlich zu einem Treffen Putins und Trumps in Budapest kommt, ist nach Ansicht Ołeszczuks offen. Zwar habe Moskau zuletzt selbst eine Begegnung ins Gespräch gebracht, vermutlich aus Angst vor verstärkter US-Militärhilfe für die Ukraine. „Doch Putin wird den Prozess weiter hinauszögern – mal wird es heißen, ,Dokumente müssen abgestimmt werden‘, mal ,Budapest passt nicht‘, mal ,Istanbul wäre besser‘“, sagte Ołeszczuk.
Seine Schlussfolgerung fällt klar aus: „Putin braucht das Treffen nicht. Trump dagegen will sich als großer Diplomat präsentieren – auch um den Preis, von Putin hingehalten zu werden.“
Onet/jc