Die fünf Länder Zentralasiens – Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan – werden im Alltag oft einfach „die Stans“ genannt. Das persische Suffix „-stan“ bedeutet nichts anderes als „Staat“. Die norwegische Journalistin Erika Fatland hat diesen Begriff sogar zum Titel ihres Buches „Sowjetistan“ gemacht.
Lange Zeit verband diese Staaten nur die Geografie. Nach dem Zerfall der Sowjetunion schottete sich jeder von ihnen vom Nachbarn ab, errichtete Grenzbarrieren und suchte seinen eigenen Weg zwischen China, Russland, dem muslimischen Süden und dem Westen. Die autoritären Regime, die sich in der Region herausgebildet hatten, betrachteten jede größere Öffnung als Risiko für ihre Macht. Konflikte entzündeten sich immer wieder am Thema Wasser – nur Tadschikistan und Kirgisistan verfügen über ausreichend Ressourcen. Russland wiederum, das Zentralasien wirtschaftlich zunehmend China überlassen musste, beharrte politisch auf seinem Einfluss und verhandelte lieber mit jedem Land einzeln.
Ein Wendepunkt kam 2016 mit dem Tod des langjährigen usbekischen Präsidenten Islam Karimow. Usbekistan, bislang misstrauisch und oft aggressiv gegenüber den Nachbarn, öffnete unter Präsident Schawkat Mirsijojew seine Grenzen und nahm Verkehrsverbindungen wieder auf. Doch erst die russische Großoffensive gegen die Ukraine veränderte die Lage grundlegend. In den zentralasiatischen Hauptstädten setzte sich die Erkenntnis durch, dass Moskau kein Garant mehr für Stabilität ist. Besonders Kasachstan sah sich bedroht, nachdem führende russische Politiker mehrfach die territoriale Integrität des Landes infrage gestellt hatten – obwohl beide Staaten formal Verbündete sind.
So begann die Region enger zusammenzurücken. Das Format „C5+“, in dem die fünf Präsidenten gemeinsam gegenüber externen Partnern auftreten, gewann neues Leben. Im September 2023 trafen sie sich erstmals mit den USA in New York. Ende Oktober 2025 lud Präsident Donald Trump die zentralasiatischen Staatschefs zu einem weiteren Gipfel nach Washington. Am 6. November kamen sie dort zusammen.
Ein gemeinsames Abschlusskommuniqué gab es nicht, dafür aber eine ganze Reihe bilateraler Vereinbarungen. Besonders wichtig ist ein US-kasachisches Abkommen über die gemeinsame Förderung von Wolfram. Insgesamt unterzeichneten beide Länder 29 Verträge im Wert von 17 Milliarden US-Dollar – ein zentraler Beitrag zur Sicherung kritischer Rohstoffe, die die US-Wirtschaft dringend benötigt. Ebenfalls beschlossen wurde der Verkauf von Boeing-Flugzeugen an Tadschikistan und Usbekistan. Zudem trat Kasachstan den sogenannten Abraham-Abkommen bei, die Trump in seiner ersten Amtszeit angestoßen hatte, um Beziehungen zwischen Israel und muslimischen Staaten zu normalisieren.
Für die zentralasiatischen Staaten eröffnet die engere Zusammenarbeit mit Washington neue Spielräume zwischen Russland und China. Die USA knüpfen ihre Kooperation derzeit nicht an demokratische Reformen – ein Ansatz, dem auch die EU folgt. Im April fand in Samarkand der erste EU-Zentralasien-Gipfel statt, bei dem Brüssel ein Investitionspaket über zwölf Milliarden Euro vorstellte. Weder die EU noch die USA drängen Russland oder China aus der Region, was die Angebote für die „Stans“ attraktiv macht. Auffällig war beim Gipfel in Washington auch die Sprachenwahl: Zwei Präsidenten sprachen Russisch, zwei in ihren Landessprachen, und nur der kasachische Staatschef wandte sich auf Englisch an sein Publikum.
Für die Vereinigten Staaten steht viel auf dem Spiel: Sie wollen Staaten stärken, die nah an Chinas Einflusszone liegen, und zugleich ihre Abhängigkeit von chinesischen Importen seltener Erden reduzieren. Präsident Trump kündigte bereits an, die Beziehungen weiter auszubauen – 2026 soll Außenminister Marco Rubio die Region besuchen.
Ob aus dieser Annäherung eines Tages ein strategisches Bündnis zwischen den USA und den „Stan-Ländern“ entsteht, wird sich erst zeigen. Sicher ist aber: Zentralasien ist politisch enger zusammengerückt – und Washington misst der Region heute eine Bedeutung bei, die weit über symbolische Treffen hinausgeht.
Autor: Wojciech Górecki
Wojciech Osiński ist leitender Spezialist im Team für die Türkei, den Kaukasus und Zentralasien am OSW. Autor von Reportagebüchern über den Kaukasus und Zentralasien.