Rzeczpospolita: Plötzlich eine spannende Kampagne
In der letzten Phase der Präsidentschaftskampagne in Polen zeichnet sich ein überraschend dynamisches Rennen ab – besonders unter den niedriger platzierten Kandidaten, schreibt im Anschluss an die aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IBRiS Michał Płociński in seinem Kommentar für die konservativ-liberale Rzeczpospolita.
Wie der Autor beobachtet, liege Rafał Trzaskowski weiterhin deutlich vor Karol Nawrocki (32,3 zu 25,2 Prozent), doch ein Rückgang des Vorsprungs auf unter fünf Prozentpunkte im ersten Wahlgang würde ein äußerst knappes Rennen in der Stichwahl zur Folge haben. Nawrocki habe im Schlussspurt zwar an Schwung verloren, insbesondere wegen seiner unklaren Haltung in Bezug auf die Wohnungsaffäre, was zu Vertrauensverlust unter den Wählern aber auch im eigenen Wahlteam geführt habe. Er sei jedoch keineswegs chancenlos, und die Stichwahl – so Professor Jarosław Flis in seiner Einschätzung der Umfrage – werde mit harten Bandagen geführt werden. Doch schon im ersten Wahlgang würden uns laut Płociński auch andere, sehr interessante Duelle erwarten – geradezu kleine, aber bedeutende politische Schlachten.
Der Kandidat der Konfederacja, Sławomir Mentzen, sei weit von seinen früheren 19 Prozent entfernt, werde mit derzeit 11,2 Prozent in seinem Lager jedoch nicht als gescheitert angesehen – man sehe die Präsidentschaftswahl vielmehr als Auftakt zur Parlamentskampagne, die eigentlich schon ab dem 19. Mai beginnen werde. Sollte Mentzen jedoch unter zehn Prozent fallen, werde dies intern als Rückschlag gewertet werden.
Szymon Hołownia, einst abgeschrieben, könne mit einem Ergebnis über zehn Prozent überraschen. Ein Abrutschen jedoch, das ihn auf das Niveau von Magdalena Biejat oder Adrian Zandberg bringe, würde als Blamage gelten – auch im Hinblick auf die Verhandlungsposition seiner Partei in einer möglichen Regierungsumbildung.
Auf der Linken, analysiert der Autor weiter, sei derzeit Bewegung spürbar. Sogar die Internet-Sensation Joanna Senyszyn könne mit zusätzlichen Prozenten überraschen. Bemerkenswert sei dabei insbesondere ein wachsender Wählerstrom von Mentzen zu Zandberg, was laut Płociński mit ähnlichen Analysen beider Kandidaten der sozialen Realität zu tun habe – etwa mit dem Fokus auf junge Männer in prekären Lebenslagen und der Kritik am politischen Establishment. Zandberg habe damit die Chance, Biejat zu überholen und seine Partei Razem als linke Oppositionskraft neben Donald Tusks Regierung zu stärken. Gleichzeitig profitiere Biejat vom Schwenk Trzaskowskis nach rechts, was ihr liberal gesinnte Wählerinnen und Wähler zuführe, die sich nicht mit Razem identifizieren wollten.
„Und so wird aus einem Wahlkampf, der lange gähnend langweilig war, auf den letzten Metern ein farbenfrohes Spektakel“, schreibt Michał Płociński in der Rzeczpospolita.
Dziennik/Gazeta Prawna: Kampagne macht Bogen um die Wirtschaft
In der laufenden Präsidentschaftskampagne spielt die Wirtschaft kaum eine Rolle – weder der Zustand des Staatshaushalts noch die wachsende Staatsverschuldung finden nennenswerte Beachtung, berichtet das Wirtschaftsblatt Dziennik Gazeta Prawna.
Die Zurückhaltung sei teilweise durch die begrenzte wirtschaftspolitische Kompetenz des Präsidentenamts erklärbar, aber auch durch die Dominanz anderer Themen wie Sicherheit. Wirtschaftliche Fragen tauchten höchstens am Rande auf, etwa im Zusammenhang mit hohen Zinssätzen, dem Energieumstieg, dem Grünen Deal oder Personalien in Staatsunternehmen, so das Blatt.
Konkrete finanzpolitische Vorschläge machten nur wenige Kandidaten. Karol Nawrocki wolle die Einkommens- und Mehrwertsteuer senken, Sławomir Mentzen setze auf Steuervereinfachung sowie eine Reform der Gesundheitsfinanzierung. Ansonsten blieben weitreichende Versprechen mit Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen aus.
Ein breiteres Echo finde hingegen das Thema Wohnen. In einem weiteren Teil des DGP-Wahlfragebogens zeige sich, dass die Mehrheit der Kandidaten Zuschüsse zu Wohnungskrediten skeptisch sehe. Uneinigkeit bestehe jedoch bei der Frage eines möglichen Immobiliensteuer-Modells. Während etwa Szymon Hołownia, Magdalena Biejat und Adrian Zandberg eine Besteuerung ab der dritten Immobilie befürworteten, lehnten dies Rafał Trzaskowski, Grzegorz Braun, Marek Jakubiak und Joanna Senyszyn strikt ab. „Was helfen könnte, wäre eine Steuer auf leerstehende Wohnungen“, kommentiert Jan Dziekoński vom Datenanalyseportal RynekPierwotny.pl in der Dziennik Gazeta Prawna.
Gazeta Wyborcza: Putin will als Friedenstaube Krieg führen
Wladimir Putin will den Krieg als Friedenstaube fortsetzen, urteilt in Bezug auf die für Donnerstag in Istanbul geplanten Gespräche zwischen Russland und der Ukraine, Wacław Radziwinowicz in der linksliberalen Gazeta Wyborcza.
Mit dem Vorstoß, so der Autor, wolle Putin nicht etwa den Krieg beenden, sondern den USA und Europa demonstrieren, dass er, und nicht Wolodymyr Selenskyj, den Frieden suche. In Wirklichkeit gehe es Russland darum, langwierige und ergebnislose Verhandlungen zu führen, während die Offensive im Westen weitergehe und Raketen ukrainische Städte zerstörten.
Rosja jest chora, ale nigdy nie zaakceptuje swojej klęski. Jest już zaprogramowana na wielką wojnę hybrydową z Zachodem - mówi pochodzący z Moskwy dziennikarz i pisarz. #wyborcza wyborcza.pl/7,179012,319...
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— Gazeta Wyborcza (@wyborcza.pl) May 13, 2025 at 5:31 PM
Wie Radziwinowicz erinnert, habe Putin erklärt, Russland sei zu Gesprächen „ohne Vorbedingungen“ bereit – gleichzeitig aber betont, Ziel der Verhandlungen müsse es sein, „die grundlegenden Ursachen des Konflikts zu beseitigen und einen historischen Frieden zu erreichen“. Diese Formulierungen bedeuteten in der Praxis nichts anderes als die bekannten Maximalforderungen Moskaus: „Entnazifizierung“, „Entmilitarisierung“, Neutralitätsstatus der Ukraine sowie die Anerkennung der russischen Ansprüche auf die Krim und vier ostukrainische Regionen. Außenminister Sergej Lawrow habe diese Forderungen kürzlich als „imperativ“ bezeichnet. Selbst Donald Trump beginne zu begreifen, „dass Russland zu viel will – alles und sofort“.
Die Gespräche in Istanbul würden vermutlich stattfinden, so der Autor, doch sei es höchst fraglich, ob Putin zu irgendwelchen Zugeständnissen bereit sei. Währenddessen würden an der Front und im Landesinneren weiterhin Menschen sterben.
Gleichzeitig, so Radziwinowicz, gerate Putins Position zunehmend ins Wanken. Das von der russischen Regierung eingeführte Kriegswirtschaftsmodell sei nicht mehr wirksam. Die großzügigen Staatszuschüsse für Armee und Rüstungsindustrie zeigten keine wirtschaftlichen Effekte mehr – selbst die Waffenproduktion gerate ins Stocken, zivile Branchen stürzten in die Rezession. Im März sei das russische BIP erstmals seit 2022 gegenüber dem Vormonat gesunken, der Haushaltsdefizit im April um eine Billion Rubel auf 3,2 Billionen gestiegen.
Zudem verändere sich langsam die Stimmung in der Bevölkerung. Einer Umfrage des unabhängigen Lewada-Zentrums zufolge befürworteten inzwischen 61 Prozent der Russen Friedensverhandlungen – ein Rekordwert –, während nur 30 Prozent für eine Fortsetzung des Kriegs seien. Putin hat also weit weniger Trümpfe in der Hand, als er seine Gesprächspartner glauben machen will, so Wacław Radziwinowicz in der Dziennik Gazeta Prawna.
Autor: Adam de Nisau