Deutsche Redaktion

Polen startet Pilotprojekt für kürzere Arbeitszeiten

18.08.2025 09:44
In Polen können Arbeitgeber an einem staatlich geförderten Pilotprojekt für kürzere Arbeitszeiten teilnehmen. Das Programm, das bis 2027 läuft und über ein Budget von 50 Millionen PLN (rund 12 Millionen Euro) verfügt, ist das erste seiner Art in Mittel- und Osteuropa.
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Bild:Deposit/East News

„Erholte Mitarbeiter sind gesünder, effektiver und loyaler“, sagte Familien-, Arbeits- und Sozialministerin Agnieszka Dziemianowicz-Bąk bei der Vorstellung des Projekts. Kürzere Arbeitszeiten seien ein wichtiger Schritt hin zu einer besseren Work-Life-Balance.

Im Rahmen des Pilotprogramms können Unternehmen eigene Modelle erproben – etwa eine Vier-Tage-Woche, kürzere Schichten, längere Urlaube oder flexible Arbeitszeiten. Voraussetzung ist, dass die Firmen mindestens ein Jahr bestehen und Löhne während der Testphase unverändert bleiben.

Finanziert wird das Projekt über den Arbeitsfonds. In diesem Jahr stehen 10 Millionen PLN bereit, die maximale Förderung pro Projekt beträgt eine Million PLN, die Kosten pro Mitarbeiter dürfen 20.000 PLN nicht überschreiten. Bewerbungen sind online bis zum 15. September möglich, die Auswahl der Projekte erfolgt bis zum 15. Oktober, der Test beginnt im Januar.

Die Initiative folgt auf ein Jahr Forschung und Beratungen mit Unternehmen in Polen und international. Eine aktuelle Umfrage der Warschauer SWPS-Universität zeigt, dass mehr als die Hälfte der Polen kürzere Arbeitszeiten befürwortet, darunter 65 Prozent der Frauen und 63 Prozent der Männer.

Wirtschaftsverbände äußern sich vorsichtig. „Die meisten Bewerbungen werden aus Bürobereichen kommen. Im Einzelhandel oder in der Produktion könnte eine kürzere Woche problematisch sein“, sagte Szymon Witkowski, Chefjurist des Arbeitgeberverbands Employers of Poland. Er warnte zudem, dass die Inflation die Vorteile schmälern könnte, und betonte, dass eine Reform freiwillig bleiben müsse.

Die Diskussion in Polen spiegelt eine weltweite Debatte wider: Frankreich hat seit 2000 eine 35-Stunden-Woche, Finnland, Norwegen und Schweden arbeiten mit 37,5 Stunden. In Großbritannien, Deutschland, Spanien und Kanada berichteten Pilotprojekte in den vergangenen Jahren von höherer Produktivität, steigenden Umsätzen und weniger Burnout.

In Mittel- und Osteuropa, darunter Polen, Tschechien und die Slowakei, beträgt die Standardarbeitszeit nach wie vor 40 Stunden pro Woche, meist auf fünf Tage verteilt. Das polnische Pilotprojekt gilt nun als entscheidender Test, ob kürzere Arbeitszeiten eingeführt werden können, ohne die Wirtschaft zu belasten.


PAP/jc

 

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