Deutsche Redaktion

Polen fordert Rückgabe von Holocaust-Andenken – Auktion in Neuss abgesagt

16.11.2025 18:01
Nach heftiger Kritik aus Polen ist eine in Neuss geplante Auktion von mehr als 600 Gegenständen und Dokumenten aus deutschen Konzentrationslagern kurzfristig abgesagt worden. Das Auktionshaus Felzmann hatte Objekte angeboten, die Häftlingen der nationalsozialistischen Lager gehörten oder deren Schicksal dokumentierten. Das polnische Außenministerium forderte, die Stücke an das Museum Auschwitz zu übergeben.
Radosław Sikorski
Radosław SikorskiBeata Zawrzel/Wojciech Olkusnik/East News

Der polnische Außenminister Radosław Sikorski erklärte auf der Plattform X, die Erinnerung an die Opfer des Holocaust dürfe „keine Ware“ sein und nicht „Gegenstand kommerziellen Handels“. Sikorski hatte zuvor mit dem deutschen Staatsminister im Auswärtigen Amt, Johann Wadephul, über den Fall gesprochen. Beide hätten sich darüber verständigt, dass ein solcher Vorgang verhindert werden müsse, schrieb Sikorski. Laut Polens Botschafter in Berlin, Jan Tombiński, wurden alle Artefakte noch vor Absage der Auktion von der Internetseite gelöscht.

Auch die polnische Kulturministerin Marta Cienkowska verurteilte das Vorgehen des Auktionshauses scharf. In sozialen Medien sprach sie von „zutiefst inakzeptablen“ Praktiken. Das Gedenken an die Opfer nationalsozialistischer Verbrechen sei keine Handelsware, sondern eine moralische und historische Verantwortung. Sie forderte die Verantwortlichen in Neuss auf, die Objekte Institutionen zu übergeben, die sich der Bewahrung der Erinnerung widmen. Ihr Ministerium stehe diesbezüglich in engem Kontakt mit dem polnischen Außenministerium und der Botschaft in Berlin.

Nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ umfasste der Katalog insgesamt 623 Positionen. Darunter befanden sich ein Brief eines Auschwitz-Häftlings mit sehr niedriger Lagernummer, medizinische Unterlagen aus dem KZ Dachau über eine Zwangssterilisation sowie eine Gestapo-Karteikarte über die Hinrichtung eines jüdischen Gefangenen im Ghetto Mackheim im Juli 1942. Auch ein antisemitisches Propagandaplakat und ein Judenstern aus dem Konzentrationslager Buchenwald waren aufgeführt. Die Ausgangspreise lagen zwischen 350 und 500 Euro.

Das Auktionshaus verteidigte sich gegenüber der Zeitung damit, private Sammler betrieben wichtige Forschungsarbeit und trügen zum Erhalt historischen Wissens bei. Deren Tätigkeit diene der Bewahrung der Erinnerung und nicht dem Handel mit Leid. Die „FAZ“ wies jedoch darauf hin, dass es keinerlei Garantie gebe, dass Käufer tatsächlich diesem Ziel verpflichtet seien; unter ihnen könnten sich auch rechtsextreme Interessenten befinden. Ein generelles Handelsverbot könne zudem zur Verlagerung solcher Geschäfte in intransparente Märkte führen, schrieb das Blatt. Die Redaktion plädierte dafür, entsprechende Sammlungen an öffentliche Einrichtungen zu übergeben.

Polen kündigte an, sich weiterhin deutlich für die Rückgabe der bereits gelisteten Objekte einzusetzen. „Erinnerung ist nicht käuflich – und wird es nie sein“, erklärte Kulturministerin Cienkowska.


PAP/FAZ/jc