Bereits in den frühen Morgenstunden versammelten sich an der Haltestelle Gdynia Stocznia mehrere Tausend Arbeiter. Der Weg zur Werft war durch Panzer, Soldaten und Milizionäre blockiert. Nach Warnschüssen begannen die Sicherheitskräfte, auf die Menschen zu schießen. Allein in Gdynia starben an diesem Tag 18 Personen.
Ein Augenzeuge schilderte später die Situation so: „Zuerst gab es eine Serie von Leuchtgeschossen, dann einen Schuss aus einem Panzer. Die Miliz schoss auf die Beine, was Abpraller verursachte. So entstehen die schlimmsten Verletzungen.“
Auslöser: drastische Preiserhöhungen
Ausgangspunkt der Proteste waren massive Preiserhöhungen für Grundnahrungsmittel, die die Regierung Mitte Dezember 1970 kurz vor Weihnachten beschlossen hatte. Bereits am 14. Dezember traten Arbeiter in Danzig in den Streik und forderten die Rücknahme der Maßnahmen.
Zwei Tage später rückte das Militär in die Dreistadt (Danzig, Gdynia, Sopot) ein. Der für die Niederschlagung verantwortliche Spitzenfunktionär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR), Zenon Kliszko, soll erklärt haben: „Wir haben es mit einer Konterrevolution zu tun – und es ist egal, ob 200 oder mehr Werftarbeiter sterben.“
Straßenkämpfe und Symbol des Protests
Das Vorgehen der Sicherheitskräfte löste ganztägige Straßenkämpfe aus. Nach Augenzeugenberichten kamen auch Tränengas und Schüsse aus Hubschraubern zum Einsatz. Hunderte Menschen wurden festgenommen und misshandelt.
Zum Symbol des „Schwarzen Donnerstags“ wurde der Trauerzug mit dem Leichnam des erschossenen Zbigniew Godlewski, der auf einer Tür durch die Straßen getragen wurde. Später wurde er in dem Lied „Janek Wiśniewski fiel“ verewigt.
Verantwortung bis heute ungeklärt
Historiker gehen davon aus, dass die Eskalation bewusst in Kauf genommen oder sogar provoziert wurde. „Viele der damaligen Entscheidungen trugen die Züge einer Provokation“, sagte der Zeithistoriker Jerzy Eisler. Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, wer den Befehl gab auf die Arbeiter zu schießen.
Die kommunistischen Behörden verschwiegen jahrelang das wahre Ausmaß der Gewalt. Erst nach dem Ende des Regimes wurden Details bekannt: Zur Niederschlagung der Proteste waren rund 27.000 Soldaten, hunderte Panzer und Schützenpanzer sowie Flugzeuge und Hubschrauber im Einsatz.
IAR/jc