In den ersten Jahren nach dem „Großen Krieg“ zeichnete sich die polnische Bühnenkunst in der Aufführung der Werke der großen Romantiker aus. Leon Schiller und Wilam Horzyca, die bedeutendsten Regisseure im Zwischenkriegspolen, entwickelten eine Theorie des „Monumentaltheaters“ im Sinne Stanisław Wyspiańskis. Ihrer Ansicht nach konnte zu dieser Zeit allerdings nur ein Dramatiker in einem Atemzug mit Wyspiański genannt werden: Karol Hubert Rostworowski. Dieser wollte aber lieber eigene Wege gehen und orientierte sich an Max Reinhardt, Bertolt Brecht und Hugo von Hofmannsthal, deren Stücke er während seiner Studienjahre in Berlin und Leipzig schätzen gelernt hatte. Anders als diese Autoren bezog er jedoch seine ganze schöpferische Kraft aus der polnischen Tradition sowie der katholischen Religionslehre. Zugleich war er für die damalige Epoche ungemein modern: Mit seinen bahnbrechenden Bühnenwerken wurde er zum neuen Stern am polnischen Theaterhimmel. Er leitete eine Richtung ein, die wenig später in Westeuropa erst mit Albert Camus begann.
Rostworowskis Stücke wie „Czerwony marsz“ und „Niespodzianka“ überzeugten nicht nur die Großkritiker seiner Zeit, sondern ebenso den angehenden Schauspieler Karol Wojtyła. Dass dessen Lieblingsdramatiker in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Vergessenheit anheimfiel, war für den späteren Papst eines der traurigsten Kapitel der polnischen Literaturgeschichte. Anfang der 1990er Jahre machte sich Johannes Paul II für Neueditionen der vergessenen Texte Rostworowskis stark. Mehr darüber von Wojciech Osiński.