Deutsche Redaktion

Ein Roman geht um die Welt: „Der Geliebte der großen Bärin“ von Sergiusz Piasecki

17.07.2025 09:40
Nach dem Sieg gegen die Bolschewiki 1920 erfolgte in der polnischen Literatur eine Rückzugsbewegung zum ungeschönten Realismus. Der Anspruch auf Wahrheit statt auf Schönheit stand im krassen Gegensatz zur idealistischen Ästhetik, die noch 1918 eingefordert wurde. Einer der Hauptvertreter dieser Strömung war Sergiusz Piasecki.
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Portrt von Sergiusz Piasecki, gemalt von Witkacy (domena publiczna)
Porträt von Sergiusz Piasecki, gemalt von Witkacy (domena publiczna)Public Domain

Die Darstellung des sozialen Elends einer vom Krieg hervorgebrachten Gesellschaft, die zwei Jahre nach der Ausrufung der Unabhängigkeit erneut ihre Ostgrenze verteidigen musste, löste entsprechende Reaktionen aus: Sergiusz Piaseckis Roman „Der Geliebte der Großen Bärin“, der von der heimischen Kritik wohlwollend aufgenommen und in viele Sprachen (auch ins Deutsche) übersetzt wurde, sollte als Protest gegen klassisch-idealisierende Verklärung begriffen werden, indem er die allgegenwärtige Misere der Menschen in Ostpolen realitätsgetreu abzubilden versuchte. Es war zugleich eine Abkehr von den Postulaten vieler jüngerer Autoren, die noch zwei Jahre zuvor ihre Alltagssorgen vergessen wollten, anstatt mit ihnen konfrontiert zu werden.


„Der Geliebte der großen Bärin“ erschien auch auf Deutsch (Kiepenheuer & Witsch) „Der Geliebte der großen Bärin“ erschien auch auf Deutsch (Kiepenheuer & Witsch)

In den ersten Jahren nach dem Polnisch-Bolschewistischen Krieg war die östliche Grenze Polens vielerorts durchlässig, was einer Einladung für gewiefte Kriminelle und Schmuggler gleichkam. Piaseckis Werk „Kochanek Wielkiej Niedźwiedzicy“ sorgte vor allem deswegen für Aufsehen, weil es autobiographische Elemente aufweist. Der Ich-Erzähler des Romans ist eigentlich der Autor selbst, der sich in den zwanziger Jahren im „wilden Osten“ ebenfalls als Schmuggler durchs Leben schlug und dem die „Große Bärin“, das wohl bekannteste unter den zirkumpolaren Sternbildern, bei Nacht den Weg wies. Die bedrückende Enge der Provinz gibt den sozialen Hintergrund: Liebesbeziehungen und Freundschaften zerbrechen an den gewalttätigen Ansprüchen sowie der latenten Brutalität eines gesellschaftlichen Mikrokosmos im polnisch-sowjetischen Grenzgebiet. Piaseckis Sprache schafft eine atmosphärische Verdichtung; der Autor findet Mittel zur Versprachlichung der Wirklichkeit in einem für den Westen damals weitestgehend fremden und unzugänglichen Raum. Während die Romane von Sergiusz Piasecki in der Volksrepublik Polen verboten waren, erfuhr die westliche Leserschaft schon früh, was sich nach 1920 im Osten Polens abspielte. So wurde „Der Geliebte der Großen Bärin“ im Jahr 1971 vom italienischen Regisseur Valentino Orsini verfilmt (u.a. mit Senta Berger). Auch wer die aktuellen Ereignisse im Osten Europas besser verstehen möchte, tut gut daran, Piasecki zu lesen - meint Wojciech Osiński.

Jan Dantyszek - der erste Diplomat in der Geschichte Polens

06.06.2025 10:00
Im ausgehenden 15. Jahrhundert begannen in Polen Dichtungen im Geiste des Humanismus zu erscheinen. Von den wenigen, die sich darin auszeichneten, war Jan Dantyszek der bedeutendste. Als Sprössling einer reichen Danziger Familie machte er darüber hinaus schnell Karriere als kirchlicher Würdenträger und Diplomat.

Meilenstein des polnischen Journalismus: Cat-Mackiewicz und die Zeitung „Słowo“

17.06.2025 09:32
Im Sommer 1922 erschien die erste Ausgabe der Tageszeitung „Słowo“. Die Redaktion befand sich im ostpolnischen Vilnius und widmete sich zunächst regionalen Themen. Bald jedoch genoss die Zeitung ein großes Renommee unter kritischen Intellektuellen in ganz Polen. Dies war vornehmlich dem scharfzüngigen Stil, grimmigen Humor und pluralistischen Ansatz ihres Chefredakteurs Stanisław Cat-Mackiewicz zu verdanken.

Schatzfund in Zielona Góra: „Mädchen mit Sonnenblumen“ von Olga Boznańska

02.07.2025 11:41
Zielona Góra ist nicht nur als polnische Hauptstadt der Gaumenfreuden bekannt. In der malerischen Altstadt befindet sich eine der längsten Fußgängerzonen Polens. Auf der von Gärten und Villen gesäumten Stadtpromenade steht das Museum des Lebuser Landes, das sich vornehmlich der traditionsreichen Lokalgeschichte widmet. Derzeit dreht sich hier jedoch alles um die Malerin Olga Boznańska. Was hat die gebürtige Krakauerin und Vertreterin der Młoda Polska mit Zielona Góra zu tun? 

Meister der Bühne - Karol Hubert Rostworowski

10.07.2025 09:10
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, dichtete Hermann Hesse. Ähnlich lassen sich die Anfänge des polnischen Theaters nach 1918 beschreiben. Es war ein „Zauber“, der sich sowohl der allenthalben spürbaren kulturellen Aufbruchstimmung verdankte als auch dem Zwiespalt zwischen kulturellem Anspruch und politischer Wirklichkeit. Für den Dramatiker Karol Rostworowski sollte das Theater jedenfalls ein „Fest“ sein.