Deutsche Redaktion

Stalins Schatten über Warschau: Das polnische Kino in den Jahren 1946-56

27.11.2025 10:21
Das polnische Kino der späten Vierziger und frühen Fünfziger lässt sich sicherlich nicht nur auf die Dienstfertigkeiten für die stalinistische Parteidiktatur reduzieren. Aber viele bekannte Regisseure und Mimen waren durchaus bereit, sozialistischen Illusionen nachzuhängen, ohne ernsthaft nach der Rentabilität ihrer Filme zu fragen.
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Als im Oktober 1956 in der Volksrepublik Polen das politische Tauwetter einsetzte, verlor auch der Film ein Bezugsfeld, auf das er in den vorhergehenden zehn Jahren ästhetisch eingeübt war. Trotz seiner teilweise noch heute vorzeigbaren Kinoqualität haftet ihm das Stigma an, von Propaganda durchsetzt zu sein. Mit gutem Grund: Mit der Organisation der ersten Filmproduktionen beauftragte die stalinistische Militäradministration in der frühen Nachkriegszeit Personen ihres Vertrauens. Es waren Filmschaffende, die aus heutiger Sicht politisch nicht unbelastet, mitunter sogar aus dem UdSSR-Exil zurückgekehrt waren.


Der Film „Jasne łany“ gilt als Paradebeispiel des sozialistischen Realismus in der polnischen Kinematografie. (NAC) Der Film „Jasne łany“ gilt als Paradebeispiel des sozialistischen Realismus in der polnischen Kinematografie. (NAC)

Im Dezember 1948 wurden dann die kulturpolitischen Weichen für die künftige Indoktrination durch die aus der Zwangsvereinigung von PPS und PPR hervorgegangene Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (PZPR) gestellt: Durch die Lizenz für nur eine Firma sowie talentlose Führungskräfte, die russischen Kulturoffizieren unterstanden, verkamen auch die ehrgeizigsten Projekte zu ideologischen „Staatsauftragsfilmen“. Für das breite Kinopublikum waren die Ziele des „volkseigenen“ Filmbetriebs leicht durchschaubar. So stürzte das polnische Filmwesen schnell ökonomisch ab, denn es war ein alimentiertes gewesen.


Gustaw Holoubek übernahm 1968 die Hauptrolle in dem von Kazimierz Dejmek inszenierten Mickiewicz-Stück „Dziady“. Die Absetzung des Stücks führte zu Protesten gegen die Zensur. Im Stalinismus waren Dejmek und Holoubek noch selbst an einigen Propagandafilmen beteiligt. (NAC) Gustaw Holoubek übernahm 1968 die Hauptrolle in dem von Kazimierz Dejmek inszenierten Mickiewicz-Stück „Dziady“. Die Absetzung des Stücks führte zu Protesten gegen die Zensur. Im Stalinismus waren Dejmek und Holoubek noch selbst an einigen Propagandafilmen beteiligt. (NAC)

Das heutige Interesse an der Aufarbeitung der Propagandafilme aus der Stalin-Zeit hält sich allerdings in Grenzen. Dabei ist es eine einzigartige Gelegenheit, analytisch in die Abgründe eines totalitären Systems zu blicken und den Hintergründen verlorener Utopien sowie eines gescheiterten Gesellschaftsentwurfs nachzugehen. Und vielleicht finden wir auf dieser Suche gar ein Kunstwerk oder ein Gesicht, das erst Jahre später Bekanntheit erlangen sollte?

Ein Beitrag von Wojciech Osiński.