Deutsche Redaktion

„Die Ukraine steht heute an der vordersten Front des Kampfes für eine freie Welt"

27.02.2023 10:24
„Polens Hilfe für die Ukraine verdient Bewunderung und Dankbarkeit, das wird auch in den USA so gesehen", sagte der Außerordentliche und Bevollmächtigte Botschafter der Ukraine in Polen in einem Interview mit dem Polnischen Rundfunk für die Ukraine, Wasyl Zwarytsch.
Ukrainischer Botschafter in Polen, Wasyl Zwarytsch (l.) und Journalist Anton Marczyński.
Ukrainischer Botschafter in Polen, Wasyl Zwarytsch (l.) und Journalist Anton Marczyński.Anton Marczyński

Anton Marczyński (AM): Bitte fassen Sie dieses Jahr zusammen - wie hat sich die Ukraine, die Ukrainer, die Meinung des Westens über sie und wie hat sich die Position des Landes selbst verändert?

Wasyl Zwarytsch (WZ): Russland führt seit nunmehr 9 Jahren eine Aggression gegen die Ukraine durch. Das sind Verbrechen, Völkermord an der ukrainischen Bevölkerung, Zerstörung der Infrastruktur. All dies geschieht im 21. Jahrhundert. Es handelt sich um die größte bewaffnete Aggression gegen einen unabhängigen Staat seit dem Zweiten Weltkrieg. Wie hat sich die Ukraine verändert? Die Ukraine hat sich geeint. Die ukrainische Gesellschaft ist geeint wie nie zuvor. Wir haben eine existenzielle Bedrohung durch die Russische Föderation erlebt, und jeder Ukrainer tut alles, was er kann, um diesem Druck standzuhalten. Nicht nur, um alles zu schützen, was wir hatten, sondern auch, um die Entwicklung des Staates zu ermöglichen. Unsere Aufgaben für dieses Jahr sind - zu siegen, mit dem Wiederaufbau der Ukraine zu beginnen und die Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen.

AM: Wir sehen, wie sich die Vorgehensweise des Westens in diesem Jahr verändert hat und nicht nur auf Worte beschränkt. Wir sehen auch Taten. Die Ukraine ist dankbar für das, was sie bekommt. Wenn wir die Hilfe, die die Ukraine erhalten hat, zusammenfassen könnten, wie könnte man sie bewerten und was braucht die Ukraine noch?

WZ: Als Botschafter der Ukraine in Polen stelle ich fest, dass sich die polnische Gesellschaft auf einzigartige Weise gezeigt hat. Diese in den Genen der polnischen Gesellschaft liegende Solidarität hat die Polen veranlasst, den Ukrainern seit Beginn des Krieges aktiv zu helfen. Dies ist ein bewegender Moment, ein inspirierender Moment, der beweist, dass die polnisch-ukrainischen Beziehungen eine Perspektive haben, dass dieses Fundament der Unterstützung und Solidarität jetzt sehr stark ist und die Grundlage für die polnisch-ukrainischen Beziehungen in der Zukunft bilden wird. Deshalb möchte ich dem polnischen Volk, dem Präsidenten, der Regierung, dem Parlament und all jenen, die der Ukraine und den Ukrainern aus Herzensgüte die Hand gereicht haben, ein großes Dankeschön aussprechen.

Natürlich ist dieser Hilfe nie genug. Der Krieg geht weiter, die Infrastruktur ist zerstört. Kritische Einrichtungen, die es den Ukrainern ermöglichen würden, normal zu funktionieren. Damit die Ukraine den Kampf fortsetzen und gewinnen kann, brauchen wir Hilfe. Hilfe für unsere Soldaten, die tapfer kämpfen. Moderne Ausrüstung, Luftabwehr, Munition und Raketen. Wir sehen, dass der Aggressor alle Grenzen überschritten hat. Er handelt gewaltsam, und um das zu stoppen, brauchen wir Waffen, damit wir den Kampf gegen die russische Aggression fortsetzen können. Heute sprechen wir über die Lieferung von Patriots und Leoparden. Das zeigt, dass die Welt mit der Ukraine solidarisch ist, dass sie endlich verstanden hat, dass sich die russische Aggression nicht nur gegen die Ukraine richtet, sondern gegen die gesamte freie Welt.

AM: Seit Beginn des Krieges fordert Präsident Selensky,, dass der Luftraum über der Ukraine geschlossen wird.

WZ: Wir fordern, dass der Ukraine F-16-Flugzeuge zur Verfügung gestellt werden. Dies wäre ein entscheidender Moment, der unseren Sieg näher bringen würde. Wir hoffen, dass unsere Partner beschließen werden, der Ukraine diese Flugzeuge zu geben. Dies wäre eine Investition in die Sicherheit der Ukraine und in die eigene. Heute ist die Ukraine nicht nur Teil der zivilisierten Welt, sondern demonstriert auch den Wert des Konzepts der „Freiheit". Sie will die zivilisierte Welt um die Freiheit vereinen. Wir zeigen, dass es notwendig ist, für die Freiheit zu kämpfen, unser Leben zu opfern, damit zukünftige Generationen, unsere Kinder, in einem unabhängigen Staat leben können.

Die Ukraine steht heute an der vordersten Front des Kampfes für eine freie Welt. Der Besuch des US-Präsidenten in der Ukraine und in Polen zeigt, dass die Freiheit uns alle vereinen kann. Die Tatsache, dass Biden nach Kiew und dann nach Warschau geflogen ist, ist meiner Meinung nach logisch. Polen ist ein Land, das historisch für die Freiheit gekämpft hat, und das polnische und das ukrainische Volk wissen dies zu schätzen. Polens Hilfe für die Ukraine verdient Bewunderung und Dankbarkeit, das wird auch in den USA so gesehen. Der US-Präsident dankte den Polen dafür und wünschte ihnen, dass sie nicht ermüden. Ich glaube, dass dieser Slogan "nicht müde werden" auch in anderen Ländern beachtet werden sollte. Wir dürfen nicht müde werden, für die Freiheit zu kämpfen.


Das Interview wurde von Anton Marczyński geführt.