Deutsche Redaktion

Erhoffter Durchbruch

25.07.2019 13:11
Die Visite der neuen EU-Kommissionspräsidentin dominiert die heutigen Presseberichte.
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RZECZPOSPOLITA: Zweite Station ist Warschau

Pünktlich zur Visite von Ursula von der Leyen in Warschau schreibt die Tageszeitung Rzeczpospolita, dass sich die polnische Regierung einen baldigen Kompromiss mit der Kommission erhoffe. Es gebe drei Hauptpunkte, die in den letzten Jahren zu Spannungen zwischen der Regierung in Warschau und der EU-Kommission beigetragen hätten: die Rechtsstaatlichkeit, die Migration sowie die Klimapolitik. In allen drei hofften polnische Regierungspolitiker auf einen Durchbruch. Mit der Planung ihrer Europareise habe Ursula von der Leyen ein Zeichen gesetzt, dass nur Paris – die erste Station ihrer Reise – wichtiger als Warschau sei. Für Elmar Brok, einen CDU-Politiker, sei das ein Versuch, das Weimarer Dreieck zu beleben. Seit 1990 gehe Deutschland davon aus, dass die Kontakte mit Polen genauso wichtig seien, wie die mit Frankreich, zitiert das Blatt den Politiker.

Nur sei Ursula von der Leyen inzwischen keine deutsche, sondern bereits eine europäische Politikerin, urteilt Rzeczpospolita. Die Entscheidung, ganz am Anfang nach Warschau zu kommen, könne daher bedeuten, dass Polen bald erneut als wichtiger Partner in die europäische Politik zurückkehren werde, so Rzeczpospolita.


DO RZECZY: Politischer Chamäleon

Die designierte Chefin der EU-Kommission sei wohl die in der europäischen Presse meist porträtierte deutsche Politikerin der letzten Tage. Eine Skizze zum politischen Porträt liefert diese Woche auch die Wochenzeitschrift Do Rzeczy. In einem umfangreichen Artikel nennt der Autor Ursula von der Leyen in Anlehnung an die spanische Presse einen Chamäleon aus der High Society. Ähnlich wie bei Angela Merkel, sei es schwierig festzustellen, ob die neue Kommissionschefin eine liberale oder konservative Politikerin sei. Rein theoretisch gehöre sie einer christdemokratischen Gruppierung an, zugleich habe sie für Homoehen gestimmt, und das obwohl ihre Mentorin – die Bundeskanzlerin – dagegen war. Ursula von der Leyen würde sich auch für das Adoptionsrecht für homosexuellen Paare einsetzen. Sie unterstreiche dabei, dass sie keine Studien kenne, die beweisen würden, dass sich Kinder in eingeschlechtlichen Familien anders entwickeln würden, lesen wir.

Um die Kritik nach der Öffnung der deutschen Grenzen für Migranten zu mildern, habe Sie bei sich zu Hause einen 19-jährigen Syrier aufgenommen, schreibt das Magazin weiter. Sie habe ihm auch zu einem Praktikum verholfen. Wie eine vollblütige Sozialistin möchte von der Leyen auch europaweit einen einheitliche Minimalrente einführen lassen.

In Europa sei die deutsche Politikerin bislang eher unbekannt gewesen. In Polen habe sie Schlagzeilen gemacht, nachdem sie in einem ZDF-Fernsehinterview gesagt hatte, man solle die gesunde demokratische Opposition in Polen unterstützen. Nachdem sich der damalige polnische Außenminister zu Wort meldete und seine Bedenken über derartige Stellungnahmen einer amtierenden Ministerin äußerte, habe man vom deutschen Verteidigungsministerium zu hören bekommen, Ministerin von der Leyen würde die Einzigartigkeit der deutsch-polnischen Beziehungen verstehen. Und dass man ihre Aussage über die Opposition einfach aus dem Kontext gerissen habe. Diese Beispiele würden zeigen, so der Autor abschließend, dass es nicht einfach sei, die tatsächlichen Ansichten der deutschen Politikerin zu durchblicken.

 

DO RZECZY: Frischer Wind in Europa

Trotzdem bleibt der Europaabgeordnete der Regierungspartei PiS, Adam Bielan in Bezug auf die künftigen Beziehungen zwischen Polen und der EU-Kommission zuversichtlich. Für die polnische Regierung sei die Tatsache sehr wichtig, dass von der Leyen dem christdemokratischen Milieu entstamme. Das bedeute, dass ihr Blick auf wirtschaftliche Angelegenheiten gesünder sei, als die Ideen der Linken. Außerdem sei es auch nicht unbedeutend, dass sie sich noch als Verteidigungsministerin für eine enge Zusammenarbeit mit dem wichtigsten militärischen Partner, das heißt mit den Vereinigten Staaten ausgesprochen habe – dies sei in Brüssel keine Selbstverständlichkeit, fügt Bielan hinzu. Was sie noch von vielen anderen europäischen Politikern unterscheiden würde, sagt der Europaparlamentarier, sei das Bewusstsein darüber, welche Gefahren aus Russland drohen können. Die Wahl Ursula von der Leyens, einer Person von außerhalb der bisherigen Kommission, stelle nach Ansicht von Bielan die Chance auf einen Neuanfang zwischen Warschau und Brüssel dar.

Geht es nach dem Politiker, könnte sich diese Entscheidung künftig auch positiv auf die deutsch-polnischen Beziehungen auswirken. Viele Experten würden davon ausgehen, dass sich die Deutschen, nach dem erneuten Sieg der PiS-Partei bei den anstehenden Wahlen im Herbst, Polen gegenüber viel pragmatischer verhalten werden. Die deutschen Eliten würden dann endlich die Tatsache akzeptieren, dass eine konservative Regierung in Warschau kein Zufall sei, sondern einer souveräne und durchdachte Entscheidung der polnischen Wähler, so Bielan in der Wochenzeitschrift Do Rzeczy. 

 

TYGODNIK POWSZECHNY: Tabuthema Sterben

Ein ganz anderes Thema greift die Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny auf – ein Thema, dass sich auf das Jenseits bezieht. Jeder dritte Pole denke nicht an seinen Tod, fast 40 Prozent meide das Thema. Zwei Drittel wiederum würden zugeben, sie hätten keine Ahnung, wie man sterbende Familienmitglieder betreuen könnte. Genauso viele Polen hätten nichts unternommen, um sich auf den eigenen Tod vorzubereiten. Ein solches Bild zeige eine aktuelle Studie des Hospiz-Zentrums im Nordpolnischen Puck.

Geht es nach den Autoren, sterbe die Hälfte der krebskranken Polen in Krankenhäusern. Dabei möchten nur 2 Prozent die letzten Momente eben in einer Heilanstalt verbringen. Der Gründer des Hospizes in Puck, der bereits verstorbene Priester Jan Kaczkowski pflegte zu sagen, dass die Todeskranken keinen Trost bräuchten, sondern Nähe und Wärme, eine Botschaft, dass sie im letzten Moment auf ihre Nächsten zählen können. Allem Anschein nach, so Tygodnik Powszechny abschließend, sei das Sterben aber weiterhin ein Tabuthema in Polen.

 

Jakub Kukla