Deutsche Redaktion

Putin kreiert neue Staatsideologie

16.01.2020 12:52
Der Sieg im Zweiten Weltkrieg ist für Wladimir Putin das ideologische Herz seines Systems. Dieser Mythos erfordert das Reinwaschen Stalins und damit die Fälschung der Geschichte, meint der Experte für das moderne Russland, Boris Reitschuster.
Władimir Putin
Władimir PutinPAP/EPA/TOLGA BOZOGLU

Boris Reitschuster, ein deutscher Schriftsteller und Publizist, schreibt das regierungsnahe Online-Portal niezależna.pl, sei der Auffassung, dass kein Zweifel bestehe, warum Wladimir Putin und andere Vertreter russischer Behörden Stalin verherrlichen und Polen angreifen. Reitschuster sei überzeugt, lesen wir, dass es um den Aufbau einer neuen staatlichen Ideologie gehe. Der Experte für das moderne Russland in Deutschland behaupte sogar, dass der Sieg im Zweiten Weltkrieg für Putin das ideologische Herz seines Systems sei. Die Rolle der kommunistischen Ideologie spiele heute der Siegerkult. Wie er betont, erfordere dieser Mythos das Reinwaschen Stalins und damit die Fälschung der Geschichte.

Stalin war ein Massenmörder und blutiger Tyrann. Deshalb sollte man - in der Logik des Kremls, erklärt Reitschuster - ständig die Aufmerksamkeit davon ablenken. Der letzte massive verbale Angriff auf Polen, lesen wir, sei Teil dieser Strategie. Russische Politiker sollen dadurch sagen, dass Stalins Rolle noch positiver wär, als es bislang schien. Und das hieße dann, dass der Hitler-Stalin-Pakt nicht so schlimm gewesen wäre, und lediglich der Selbstverteidigung diente. Polen, so der Journalist, sei sich in dieser Neudeutung seines Schicksals selbst schuld. Diese Manipulation ist, Reitschuster nach, absolut zynisch, denn das Opfer Polen werde zum Täter. 

Gleichzeitig gibt der Russland-Experte allerdings zu - dieser Eingriff sei für die Innenpolitik von Putins Russland unentbehrlich. Entgegen der Kreml-Rhetorik leiden die Russen, Reitschuster nach, unter einem Minderwertigkeitskomplex. Sie haben den Kalten Krieg verloren, die UdSSR ist zusammengebrochen, und ihrer Wirtschaft geht es trotz unerschöpflicher natürlichen Ressourcen nicht gut. Der Siegeskult, lautet das Fazit des deutschen Publizisten in dem Online-Blatt "Niezależna", sei ein großartiges Heilmittel für diese Komplexe. Es ist eine Idee, die die Gesellschaft zusammenhält.


niezalezna.pl/ps