Deutsche Redaktion

Belarus: Sollte der Westen dem Diktator helfen?

13.02.2020 13:21
Soll der Westen untätig zusehen, wie Russland Belarus schluckt, oder dem Diktator Lukaschenko helfen? Und wie sollte sich Polen in diesem heiklen Dilemma positionieren? Diesen Fragen geht in ihrem heutigen Aufmacher die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita nach.
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Rzeczpospolita: Sollte der Westen dem Diktator helfen? 

Soll der Westen untätig zusehen, wie Russland Belarus schluckt, oder dem Diktator Lukaschenko helfen? Und wie sollte sich Polen in diesem heiklen Dilemma positionieren? Diesen Fragen geht in ihrem heutigen Aufmacher die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita nach. Anlass dazu ist ein neulicher Artikel der amerikanischen Tageszeitung “Washington Post”, in dem das Blatt andeutete, dass der Westen dem belarussischen Präsidenten helfen könnte, Vladimir Putin Widerstand zu leisten. Die belarussische Opposition, lesen wir weiter, befürchte jedoch, dass eine eventuelle Unterstützung des Westens Lukaschenko helfen werde, an der Macht zu bleiben, aber keine demokratischen Reformen im Lande nach sich ziehe. Besonders vor dem Hintergrund der anstehenden Präsidentschaftswahlen im Sommer dieses Jahres. Lukaschenko habe, wie Rzeczpospolita erinnert, angekündigt, zum sechsten Mal kandidieren zu wollen. 

Um seine Rechte, lesen wir weiter, kämpfe auch der vor 15 Jahren delegalisierte Verband der Polen in Belarus. Darunter auch um 16 von den belarussischen Behörden beschlagnahmte Häuser der Polonia. “Im Falle einer Unterstützung der Machthaber in Minsk, sollten Polen und der Westen gleichzeitig Reformen fordern. Es geht um die Beachtung fundamentaler Menschenrechte, darunter die Beachtung der Rechte von nationalen Minderheiten”, betont Andżelika Borys, die Vorsitzende des von Lukaschenko nicht anerkannten Verbands der Polen in Belarus. 

Und Moskau, beobachtet Rzeczpospolita, gehe derweil immer härter gegen Minsk zu Werke. So habe Russland etwa im Herbst vergangenen Jahres die Auszahlung der letzten Tranche des Stabilisierungs-Kredits in Höhe von 200 Millionen Dollar blockiert. Und zu Jahresbeginn seien die Öllieferungen an belarussische Raffinerien gestoppt worden. Am Dienstag habe Minsk eine weitere schlechte Nachricht erreicht: Russland habe eine Verlängerung der Zahlungsfrist sowie die Verringerung des Zinssatzes für den Kredit abgelehnt, den Belarus für den Bau eines Kernkraftwerks in Ostrowiec aufgenommen habe (10 Milliarden Dollar). Eine eventuelle Zudrehung des Gashahns habe sich der Kreml vermutlich für den Nachtisch aufbewahrt. 

Der Kreml, lesen wir weiter, mache keinen Hehl daraus, dass die wirtschaftlichen Probleme von Belarus alle im Handumdrehen verschwinden würden, wenn Minsk das von Moskau vorgeschlagene Programm zur “tieferen Integration” unterzeichnen würde, das Belarus de facto in eine russische Provinz verwandeln würde. Lukaschenko, so das Blatt, bleibe nicht untätig und bereite sich auf einen Informationskrieg mit Russland vor. Er ändere die Regierungsmedien und habe den TV-Sendern angeordnet “mehr eigene Produkte herzustellen”. Bis Jahresende soll auch ein belarussischer Infosender entstehen, der als Alternative für russische Programme gedacht sei. Im durch Lukaschenko gesteuerten Parlament habe man plötzlich begonnen, von “Reparationen von Russland” zu sprechen. Es gehe dabei um die Rückgabe von Gegenständen von historischem Wert, die während des Zweiten Weltkriegs aus Belarus abtransportiert worden seien. 

 

Rzeczpospolita: Belarussischer Wendepunkt

In seinem Autorenkommentar zum Aufmacher, betont der Publizist der Rzeczpospolita Bogusław Chrabota, dass die Bewahrung der Souveränität und demokratischer Standards bei Polens Nachbarn von kardinaler Bedeutung für die Sicherheit Polens sei. Der Schlüssel zur polnischen Unabhängigkeit, so Chrabota, seien ein souveränes Litauen, Belarus und die souveräne Ukraine, die ein gewisses Puffer zwischen Polen und Russland bilden. Und dafür habe sich Polen auch seit der Wende 1989 stets aktiv eingesetzt. Litauen und die baltischen Staaten würden zur EU und NATO gehören. Die Ukraine befinde sich seit vielen Jahren auf dem Weg der nationalen Unabhängigkeit. In Belarus sehe die Situation leider schlechter aus. Ihr aktueller Präsident Lukaschenko habe viel getan, um die Chancen seines Landes zunichte zu machen, wofür die belarussische Flagge ein Symbol ist. Die weiß-rot-weiße Flagge, unter der in den 90-er Jahren für Freiheit manifestiert wurde, habe er abgelehnt. Stattdessen sei eine andere angenommen worden, die an die Sowjetflagge aus den Jahren 1951-1991 angelehnt sei. Dies, so Chrabota, sei natürlich nur eine Metapher. Lukaschenko habe viel mehr hinter den Ohren. Heute werde es immer schwieriger für ihn, zwischen den imperialistischen Ambitionen Putins und dem eigenen Streben nach Unabhängigkeit zu manövrieren. Russland habe alle Druckmittel in seiner Hand, um dem wirtschaftlich ineffektiven Land den Todesstoß zu versetzen. Doch Lukaschenko gebe nicht auf. Wie sollte sich Polen in dieser Situation verhalten? Seiner Meinung nach, so der Autor, sollte sich Warschau für die Verteidigung von Belarus vor der Zwangsintegration einsetzen. Vor allem, um die Entstehung von russischen Militärstützpunkten mit Nuklearwaffen an der polnischen Grenze zu verhindern. Lukaschenko müsse jedoch im Gegenzug für diese Unterstützung Reformen einführen. Bisher habe er stets versucht, den Westen zu überlisten. Nun müsse er wählen. Und zwar schnell, denn der russische Geheimdienst in Belarus bleibe keine Sekunde lang untätig, so Bogusław Chrabota in der Rzeczpospolita. 

Autor: Adam de Nisau