Wnet: Steht die Welt vor einer zivilisatorischen Wende?
Was passiert, falls der Westen wirklich zusammenbrechen werde, weil die Epidemie zwei Jahre andauern wird? Asien, aber hingegen, werde weiterhin normal funktionieren? Auf diese Frage versucht der Jurist und Geostrategie-Experte Dr. Jacek Bartosiak in einem Gespräch mit dem privaten Radiosender Wnet zu antworten.
Seiner Meinung nach werde die Epidemie ein Katalysator sein, der die hegemoniale Rivalität zwischen den USA und China drastisch beschleunigen werde. "Wir werden uns in einer völlig anderen Welt befinden als in den letzten 30 Jahren", sagt Dr. Bartosiak voraus.
Die Länder, die als Erstes die Epidemie überwinden, werden die Chance haben, in der globalen Lieferkette weiterhin zu bestehen. Daher sei es für Polen eine Priorität, überzeugt Bartosiak, aus der Epidemie so schnell wie möglich herauszukommen, seine Produktion aufrechtzuerhalten und den Platz auf dem Weltmarkt beizubehalten. Der Jurist erwarte daher eine Änderung der Taktik der Regierung in Bezug auf die soziale Quarantäne. Er erwartet, dass Polens Machthaber ein kalkuliertes Risiko eingehen werden. Erkrankungen werden toleriert werden müssen, aber Polen müssten wieder arbeiten dürfen, überzeugt Bartosiak, sonst könnten die wirtschaftlichen Auswirkungen dramatische soziale Folgen verursachen, lautet die Warnung des Experten für Geostrategie im Gespräch mit Radio Wnet.
Tysol: Der Westen erliegt am eigenen Stolz
Der Politikwissenschaftler und Direktor der Denkfabrik Nowa Konfederacja, Bartłomiej Radziejewski, schreibt indessen für das Nachrichtenportal der größten polnischen Arbeitergewerkschaft "Solidarność", über die Unterschiede in der Handhabung der Epidemie auf der Welt. Der Westen habe geglaubt, dass er so hoch entwickelt sei und eine so gute Gesundheitsversorgung und politisches System habe, dass er dauerhaft gegen jede Art von Bedrohung resistent sei. Ebenso glaubte er ernsthafte militärische Bedrohungen für immer besiegt zu haben. Laut Radziejewski, war es genau dieser Glaube, der zu einer völligen Missachtung der Bedrohung geführt habe. Der Stolz des Westens sei hierbei dem Pragmatismus Ostasiens unterlegen. Die Mortalität an Coronaviren sei dort schockierend niedriger als in Europa, und die wirtschaftlichen und sozialen Beschränkungen seien auch weniger streng, bemerkt Radziejewski.
Ostasiatische Länder, heißt es weiter, seien auch aus Erfahrung viel besser auf Epidemien vorbereitet. Was erwähnenswert sei, so der Politologe, ist dass dies nicht unbedingt aus der autoritären Regierungsform asiatischer Länder resultiere, zumal dort überwiegend demokratische Gesellschaften vorhanden seien.
Das postpolitische Denken der EU-Elite, sei bis jetzt auf wirtschaftlichem Wachstum und Entwicklung konzentriert gewesen. Der Schwerpunkt lag auf dem Konsum, oder auch der Erforschung der eigenen Sexualität, argumentiert Radziejewski. Während Asien in Bildung, Infrastruktur und Entwicklung investiert habe, so der Autor, habe Europa neue Bedürfnisse und neue Geschlechter erfunden. Falls die Pandemie drei Monate dauern werde, prognostiziert der Politologe abschließend, werde die EU keine wesentlichen strukturellen Veränderungen durchgehen. Falls der Ausnahmezustand aber ein Jahr dauern werde, so sein Fazit, werde der Westen tiefgehende gesellschaftliche und wirtschaftliche Änderungen erleben.
Piotr Siemiński